Drei Monate war Thomas Weiß zuletzt in Jerusalem, um Hilfen nach Gaza zu organisieren. Warum das so schwierig ist und warum er trotzdem hoffnungsvoll bleibt.
„Herzzerreißend und tragisch“Helfer der Kölner Malteser organisiert Lieferungen nach Gaza
Trotz der ausweglos anmutenden Situation und dem Leid, mit dem Thomas Weiß, Leiter der Nahostabteilung der Maltester International mit Sitz in Köln täglich konfrontiert ist, findet er Mut in den kleinen Momenten: „In jeder Konfliktregion, in der ich bisher war, bin ich immer wieder überrascht, wie resilient die Menschen sind. Seien es Kinder, die vor ihren zerbombten Häusern Fußball spielen oder alte Männer, die vor ihren zerstörten Geschäften auf Plastikstühlen Tee trinken.“ Szenen wie diese zeigen Weiß: „Ganz verlieren die Menschen ihre Zuversicht nie, es gibt eine Zukunft.“
Trotzdem sagt er in Angesicht zerstörter Innenstädte, fehlender Energieversorgung und Lebensmittel in Gaza: „Das Ausmaß der Zerstörung und des Leids der Menschen hier ist kaum vorstellbar, kaum beschreibbar“, die Eindrücke und Bilder, die er im Norden Gazas gesammelt hat, nennt er„herzzerreißend und tragisch“. „Der Bedarf der Menschen ist enorm, es fehlt an allem.“
Aufbau der Hilfsstruktur in Gaza langwierig
Seit dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und dem anschließenden Krieg in Gaza sind laut der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind mindestens 38.243 Menschen getötet und 88.033 Menschen verletzt worden, Millionen von Menschen sind auf der Flucht. Unabhängig prüfen lassen sich die Zahlen nicht.
In Zusammenarbeit mit dem lateinischen Patriarchat, der Caritas und Freiwilligen vor Ort versucht Malteser International nun seit drei Monaten, eine Hilfsstruktur im Norden Gazas aufzubauen. Der Norden war lange das Epizentrum der Kämpfe. „Die humanitäre Lage ist dort besonders prekär, denn noch immer leben dort nach Schätzungen der Vereinten Nationen bis zu 500.000 Menschen“, sagt Weiß, der den Aufbau der Hilfsorganisation leitet.
Er arbeitet seit Jahrzehnten in den Krisenregionen der Welt, zunächst für die Vereinten Nationen, seit zwei Jahren für Malteser International, war schon in Somalia, dem Irak, in Syrien und nach dem Ausbruch des Krieges dort auch in der Ostukraine.
In einem ersten Schritt wollen die Malteser Lebensmittel und Hygieneartikel in das Land bringen. „Im zweiten Schritt wollen wir dann eine medizinische Infrastruktur aufbauen, um die Menschen mit dem nötigsten zu versorgen“, erklärt Weiß. Ausgangspunkt für die Lieferungen ist eine kleine christliche Gemeinde, die als Stützpunkt dienen soll.
Doch die dringend benötigten Hilfen lassen noch auf sich warten. „Der Aufbau ist kleinteilig und langwierig“, erklärt Weiß. „Das liegt vor allem an der militärischen Lage vor Ort.“ Denn obwohl sich der Krieg seit einigen Monaten weiter in Richtung Süden des Landes verlagert hat, kommt es in den vergangenen Wochen auch wieder verstärkt zu Kampfhandlungen im Norden, vor allem in der Stadt Gaza.
Bisher sei es ihm und seinem Team wegen der Sicherheitslage kaum möglich gewesen, sich über einen längeren Zeitraum in Gaza aufzuhalten, das Team von Weiß arbeitet von Jerusalem aus. „Morgens können wir rein und abends müssen wir wieder zurück nach Israel, alles andere ist zu gefährlich“, schildert er. „Vor wenigen Tagen sollte aber eigentlich unser erster Hilfskonvoi nach Gaza fahren, aber wegen der militärischen Lage musste er gestoppt werden.“
Malteser bleibt in politischen Fragen neutral
Berichte, dass Helfer bereits zwischen die Fronten geraten seien und bei Luftangriffen der israelischen Armee getötet wurden, machen ihm keine Angst, sagt er: „Man blendet das aus. Während wir in Gaza sind, haben wir ohnehin kaum Zeit, uns darüber Gedanken zu machen.“ Um den Menschen vor Ort nachhaltig helfen zu können, brauche es dringend Frieden, zumindest aber einen Waffenstillstand. „Bis dahin bleibt unsere Arbeit Flickwerk. Vernünftige humanitäre Hilfe ist so kaum möglich, auch wenn wir alles in unserer Macht Stehende versuchen.“
Doch von Frieden scheint die Region aktuell weit entfernt zu sein. Auch die Stimmung in Israel und Gaza nimmt Weiß als „hochpolitisiert und sehr emotional“ wahr. „Dieser Konflikt schwelt ja schon seit Jahrzehnten. Und das merkt man natürlich hier vor Ort.“
Als Hilfsorganisation wolle man sich an der politischen Debatte nicht beteiligen. „Unsere wichtigsten Prinzipien sind Neutralität und Unabhängigkeit, wir können es uns nicht erlauben, von einer der Seiten als parteiisch wahrgenommen zu werden.“