Wie steht es um Kölns Brücken? Könnten sie wie die Carolabrücke einstürzen? Zumindest weisen sie teils schlechte Noten auf. Eine Analyse.
Nach Einsturz von Dresden„Ungenügend“ – Teile der Mülheimer Brücke in Köln werden mit Note 4 bewertet
Nach dem Einsturz der Carolabrücke in Dresden stellt sich einigen Kölnerinnen und Kölnern die Frage: Könnte das auch bei uns passieren? Die Stadt Köln hat darauf zwar keine klare Antwort, unternehme aber „alles Erforderliche“, so ein Sprecher, „um solche Unglücke auszuschließen“. Und wie macht sie das? Wir beantworten die drängendsten Fragen.
Wie viele Brücken gibt es in Köln?
438 gehören der Stadt. Vier davon führen prominent über den Rhein, doch die Stadt muss sich auch um kleinere Bauwerke kümmern – etwa die Brücke über den kleinen Flehbach im Königsforst. Die Verwaltung schreibt: „Bei einer angenommenen Lebensdauer von circa 100 Jahren befinden sich die meisten Bauwerke bereits in der zweiten Hälfte ihrer Nutzungsdauer.“ Eine unbekannte Zahl weiterer Brücken in Köln gehören nicht der Stadt, darunter etwa die Hohenzollernbrücke oder die Südbrücke, die der Deutschen Bahn gehören.
Und wie ist der Zustand der städtischen Brücken?
Schaut man nur auf die absolute Anzahl der Brücken: sehr gut bis ausreichend. Das geht aus einer Analyse der Verwaltung aus August 2023 vor (wir berichteten). Demnach sind rund 360 der 438 Brücken mit Noten zwischen 1,0 und 2,9 bewertet. Die Skala reicht von 1,0 bis 4,0. Der Bereich von 1,0 bis 1,4 steht für einen sehr guten Zustand, danach folgen mehrere Abstufungen, von 2,5 bis zur Note 2,9 etwa ist der Zustand noch ausreichend. Dann folgen nicht ausreichend (3,0 bis 3,4) und ungenügend (3,5 bis 4,0).
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Doch dass die Verwaltung den Zustand von rund 82 Prozent der 438 Brücken als sehr gut bis ausreichend bewertet, ist nur ein Teil der Wahrheit. Das Bild ändert sich, wenn man nicht die reine Anzahl der Brücken als Maßstab nimmt, sondern die Quadratmeter. Demnach haben rund 155.000 der 309.000 Quadratmeter Brückenflächen im Besitz der Stadt Köln nur eine Note zwischen 3,0 und 4,0. Mehr als die Hälfte der städtischen Brückenflächen sind demnach nicht ausreichend oder nur ungenügend, vor allem weil es um die großen Rheinbrücken teils nicht gut steht. Beispielsweise sind Teile der Mülheimer Brücke mit 4,0 bewertet, die Stadt lässt sie aktuell sanieren. Aber auch Teile der Zoobrücke sind mit 3,5 und damit als ungenügend eingestuft.
Was bedeuten die schlechten Noten?
In der Bauwerksprüfung nach DIN 1076 heißt es unter anderem über die Noten 3,0 bis 3,4: „Die Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit des Bauwerks sind beeinträchtigt.“ Oder: „Laufende Unterhaltung erforderlich. Umgehende Instandsetzung erforderlich.“ Für die Noten 3,5 bis 4,0 („ungenügend“) ist es noch schlimmer: „Die Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit des Bauwerks sind erheblich beeinträchtigt oder nicht mehr gegeben.“ Eine Ausbreitung der Schäden kann demnach dazu führen, dass „sich ein irreparabler Bauwerksverfall einstellt“.
Das klingt einigermaßen dramatisch. Muss man sich Sorgen machen?
Diplom-Ingenieur Lutz Tempel arbeitet seit 2007 beim Kölner Unternehmen „Pirlet & Partner Baukonstruktionen“, vorher war er bei der Stadt und den Kölner Verkehrs-Betrieben. Tempels Schwerpunkt ist unter anderem die Brückenprüfung. Er sagt: „Es gibt sehr viele Brücken mit einer drei vor dem Komma, das muss aber nicht heißen, dass sie jeden Moment zusammenbrechen.“ Laut Tempel kann man in diesen Fällen auch vor einer Sanierung etwas machen, beispielsweise das Tempo oder die zulässige Fahrzeuglast reduzieren. „Man muss jetzt keine furchtbare Panik haben, aber eine hundertprozentige Sicherheit gibt es nie“, sagt Tempel.
Hat die Verwaltung einen Plan, was zuerst saniert werden muss?
Im Vorjahr hatte sie der Politik gegenüber einen Masterplan für das Frühjahr 2024 angekündigt, doch das hat laut einem Sprecher nicht funktioniert. Demnach liegt verwaltungsintern eine erste Version vor, die noch überarbeitet werden. Nun soll der Plan, was wann wie saniert wird, bis Jahresende fertig sein.
Wie häufig prüft die Stadt die Standfestigkeit ihrer Brücken?
Alle Brücken werden dreimal jährlich einer kleineren Sichtprüfung unterzogen. Die Hauptprüfung findet alle sechs Jahre statt. Drei Jahre nach dieser Hauptprüfung erfolgt eine sogenannte Einfache Prüfung. An Brücken mit besonderer Bauweise – solche mit Seilen aus Spannstahl gehören dazu – ist eine jährliche Sonderprüfung vorgeschrieben.
Was genau prüft die Stadt da wie?
Die Prüfungen müssen von erfahrenen und besonders geschulten Ingenieurinnen und Ingenieuren durchgeführt werden, die auch die statischen Verhältnisse beurteilen können. Was sie wie prüfen, regelt die Bauwerksprüfung nach DIN 1076. Bei der Hauptprüfung werden alle tragenden Bauwerksteile – dazu gehören etwa Widerlager, Brückenlager, Tragkabel und Fahrbahnbeläge – geprüft und „handnah“ auf Schäden und Mängel untersucht. Handnah heißt unter anderem, die Brücke mit einem Hammer abzuklopfen, um Hohlstellen aufzuspüren.
Die „Einfache Prüfung“ ist eine Sichtprüfung, lediglich bei Hauptprüfungen zuvor als gravierend eingestufte Schäden und Mängel werden handnah begutachtet. Die jährlichen Sonderprüfungen an Brücken mit Spannstahl fokussieren sich auf entsprechende Bauteile.
Prüft die Stadt eine kleine Holzbrücke auf die gleiche Weise wie eine Rheinbrücke?
Grundsätzlich ja. Für alle Brücken gelte der gleiche Kontrollmodus, sagt der Sprecher, „bei großen Brücken wie den Rheinbrücken ist dies natürlich wesentlich aufwendiger als bei kleineren Brückenbauwerken“.
Welche Maßnahmen werden ergriffen, wenn Brücken Schäden aufweisen?
Das hängt auch von der Schwere der Schäden ab. 2012 beispielsweise wurde die Leverkusener Brücke aufgrund von Rissen für Fahrzeuge mit einem Gewicht von mehr als 3,5 Tonnen gesperrt. Wenn Schäden festgestellt werden, können diese grundsätzlich unabhängig von Generalsanierungen beseitigt werden.
Was ist mit den acht großen Rheinbrücken?
Vier davon gehören der Stadt: Mülheimer Brücke (aus dem Jahr 1951), Zoobrücke (1966), Deutzer Brücke (1948), Severinsbrücke (1959). Dazu kommen die Leverkusener (1965) und die Rodenkirchener Brücke (1954), die der Bund besitzt. Hohenzollernbrücke (1948 der erste Brückenbogen, die weiteren 1959 und 1987) und Südbrücke (1950) gehören der Eisenbahn.
Wann werden die Brücken saniert oder neu gebaut?
Laut einem Bahn-Sprecher sind derzeit keine größeren Instandhaltungs- oder Erneuerungsmaßnahmen an Hohenzollern- und Südbrücke geplant. Anders sieht es bei den städtischen und Bundesbrücken aus. Die Leverkusener Brücke etwa wird durch einen zweigeteilten Neubau ersetzt, der erste Teil wurde dieses Jahr freigegeben. Auch die Rodenkirchener Brücke soll laut Autobahn GmbH neu gebaut werden.
Für die vier städtischen Brücken gilt: Nach Abschluss der Sanierung der Mülheimer Brücken folgt entweder die Severins- oder die Deutzer Brücke, voraussichtlich Mitte 2025 will die Stadt entscheiden, welche zuerst folgt. Die Zoobrücke folgt als letztes.