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SchuluntersuchungZurückstellungen – Immer mehr Kölner Kinder sind nicht schulreif

Lesezeit 4 Minuten
Erstklässler mit Ranzen

Die Zahl der Kinder, die nicht schulfrei sind, steigt in Köln.

Der Hälfte der angehenden Kölner Erstklässler wurden in diesem Jahr Mängel in der Sprachentwicklung attestiert.

Die Zahl der Kölner Kinder, die wegen mangelnder Schulreife nicht eingeschult werden, steigt immer weiter an. Für das gerade begonnene Schuljahr 2024/25 wurden mit 496 Kindern knapp fünf Prozent aller getesteten Kölner Kinder, die eigentlich von ihrem Geburtstermin her im Sommer ins erste Schuljahr kommen sollten, zurückgestellt. Das bedeutet eine Steigerung um 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Damit ist die Zahl der Kinder, die zurückgestellt wurden, zum dritten Mal in Folge gestiegen. Zum Vergleich: 2021 waren es noch 3,6 Prozent.

Noch gravierender fiel die Bilanz bei den Kindern aus, die bei der Schuleingangsuntersuchung Mängel bei der Sprachentwicklung attestiert bekamen: So wiesen mit 4622 der 10.000 vorgestellten künftigen Erstklässlern fast die Hälfte der Kinder einen auffälligen Befund bei der Sprachenwicklung auf. Davon wiederum die Hälfte wurde als behandlungsbedürftig eingestuft.

Jeder dritte kommende Erstklässler in NRW hat keine altersgemäße Sprachentwicklung

Köln bewegt sich dabei im Rahmen eines landesweiten Trends. Zwar liegen im nordrhein-westfälischen Schulministerium die Datensätze für den gerade eingeschulten Erstklässler-Jahrgang 2024 noch nicht vor. Die Zahlen für den Sommer 2023 zeigen allerdings ebenfalls nach oben: Demnach wurden im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen 5700 Kinder nach der Schuleingangsuntersuchung zurückgestellt. Zum Vergleich: Zum Schuljahr 2019/2020 waren es noch 3374 Anträge auf Zurückstellung. Landesweit wurde bei jedem dritten der insgesamt 160.000 kommenden Erstklässlern Auffälligkeiten in der Sprachentwicklung festgestellt. Hinzu kam, dass zehn Prozent der kommenden Erstklässler Auffälligkeiten bei der Merkfähigkeit hatten und knapp zehn Prozent Probleme bei der Körperkoordination.

Bei der verpflichtenden Schuleingangsuntersuchung schauen sich Ärzte in den Gesundheitsämtern die Kinder an, die im August in die Schule kommen sollen. Dabei untersuchen sie die körperliche Verfassung, aber auch Sprache, Motorik und Körperkoordination. Von der Untersuchung hängt dann ab, ob die Kinder im kommenden Sommer in die Schule kommen. Über eine Zurückstellung entscheidet auf der Grundlage des erstellten amtsärztlichen Gutachtens die Schulleitung nach Rücksprache mit den Eltern. Es ist aber seit einigen Jahren auch möglich, dass Eltern selbst die Initiative ergreifen und fachärztliche Stellungnahmen beibringen – etwa wenn sie ihr Kind noch für zu jung für die Schule halten. Schulpflichtig werden in Nordrhein-Westfalen alle Kinder, die vor dem 30. September geboren wurden.

Zu diesem Trend vermehrter Zurückstellungen kommt noch ein weiterer Trend in den Grundschulen: Denn auch die Zahl der Kölner Erstklässler, die am Ende der ersten Klasse zurückgestellt werden, steigt seit einigen Jahren stetig. Inzwischen liegt der Anteil der Kinder, die nach dem ersten Schuljahr die Klasse wiederholen, in Köln bei 8,5 Prozent. Es gibt Kölner Grundschulen, in denen der Anteil der wiederholenden Kinder sogar bei 20 Prozent liegt.

Immer weniger Kinder mit Migrationshintergrund gehen in die Kita

Angesichts ohnehin knapper Kita- und Grundschulplätze ist diese Entwicklung auch für die Stadt Köln problematisch. Hauptgrund für die Entwicklung sind wohl die mangelnden Sprachkenntnisse von immer mehr Kindern. Laut dem gerade veröffentlichten Bildungsmonitor 2024 des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) haben 40 Prozent der zugewanderten Kinder keinen Elternteil mit guten deutschen Sprachkenntnissen. Gleichzeitig besuchen immer weniger Kinder mit Migrationshintergrund eine Kita. Wie die Studie zutage beförderte, sank der Anteil der Drei- bis Sechsjährigen mit Migrationshintergrund, die eine Kita besuchen, in den vergangenen zehn Jahren von 87 auf 69 Prozent. Außer fehlenden Sprachkenntnissen beobachten Grundschulleitungen immer mehr Kinder, denen die so genannten Vorläuferfähigkeiten fehlen. Das sind etwa die Fähigkeit, einen Stift zu halten oder sich zu konzentrieren.

Das nordrhein-westfälische Schulministerium wird daher in diesem Herbst erstmals nach einem neu entwickelten standardisierten Verfahren alle künftigen Erstklässler testen, um den Förderbedarf zu ermitteln. „Wir wollen systematisch den Sprachstand aller Kinder erfassen, um Probleme schon vor der Einschulung zu identifizieren“, hatte Schulministerin Dorothee Feller (CDU) zu Beginn des Schuljahres erklärt. Das in diesem Jahr noch analoge Verfahren soll im kommenden Jahr durch ein digitales Screening-Verfahren ersetzt werden. Die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ayla Celik, begrüßte ein solches Sprachstand-Screening. Es laufe jedoch ins Leere, da es in den Schulen und Kitas kein Personal gebe, das die Defizite korrigieren könne.