„Muss aufpassen, was ich sag“Ines Anioli spielt nach Mockridge-Anzeige in Köln
Köln – Comedy-Shows enden selten mit ernsten Momenten. Meist wird kurz vor Schluss nochmal das Frivolste rausgeholt, was das Programm zu bieten hat. Bei Ines Anioli war es am Samstagabend im Kölner E-Werk genau umgekehrt. Nachdem es der rund zweistündigen Show an derben Witzen nicht gemangelt hatte, zieht Anioli in den letzten Minuten ihre Schuhe aus, setzt sich auf die Treppe auf der Bühne, wird noch einmal ganz ruhig.
„Meine Anwältin hat mir davon abgeraten, diese Anzeige zu stellen. Ines, du kannst das nicht gewinnen, hat sie gesagt. Aber ich konnte irgendwann nicht mehr leise sein. Weil man es nicht hinnehmen muss, wenn einem etwas Schlechtes passiert“, sagt sie.
Das Publikum erhebt sich. Auf welche Anzeige Anioli sich hier bezieht, ist den rund 1000 Menschen im ausverkauften E-Werk klar: 2021 wurde öffentlich, dass Anioli ihren Ex-Freund, den bekannten Kölner Comedian Luke Mockridge, wegen versuchter Vergewaltigung angezeigt hatte.
Fall Ines Anioli und Luke Mockridge: Rechtsstreit über Spiegel-Artikel
Nachdem der Hashtag „konsequenzenfürluke“ bereits in den sozialen Medien getrendet hatte, sprach Anioli in einem großen „Spiegel“-Artikel über ihre toxische Beziehung zu Mockridge. Auch weitere, anonymisierte Frauen, berichteten von übergriffigem Verhalten des Comedians. Der streitet bis heute alles ab, das Verfahren nach Aniolis Anzeige wurde eingestellt. Mockridge befindet sich seit Monaten mit dem „Spiegel“ in einem Rechtsstreit, will die Verbreitung einzelner Passagen verbieten lassen. „Ich muss ein bisschen aufpassen, was ich sage – ich weiß nicht, ob die Hälfte des Publikums aus den Anwälten meines Ex-Freundes besteht“, sagt Anioli während der Show. Und spricht dann doch erstaunlich offen darüber, was die Situation mit ihr gemacht hat. Ohne auch nur einmal den Namen Mockridge zu erwähnen.
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Nach dem Artikel im letzten Jahr habe sie sich „hauptberuflich im Internet anschreien lassen, ich hätte das alles nur für Aufmerksamkeit gemacht“. Dabei wüsste sie kein Opfer von sexualisierter Gewalt, das danach die große Karriere gestartet hätte. Und Konsequenzen für die Beschuldigten gebe es sowieso kaum. Mockridge spielte erst Anfang des Monats eine ausverkaufte Show in der Lanxess-Arena. Der Sender Sat1 plant neue, abendfüllende Shows mit ihm.
Sie selbst habe „Angst davor gehabt, wieder auf Tour zu gehen.“ Sie wolle nicht nur mit dieser Sache in Verbindung gebracht werden, habe sich viele Gedanken darüber gemacht, was es heiße, „kein perfektes Opfer“ zu sein. „Humor hat mir in der Zeit geholfen. Nach all dem, was passiert ist, will ich auch wieder lustig sein können“, so Anioli. Das wird die Show dann auch.
Anioli gelingt eine ausgewogene Mischung. Zum einen berührenden Plädoyers für Solidarität mit Frauen und Me-Too-Betroffenen – zum Beispiel, als sie der Youtuberin Joyce Ilg attestiert, nach ihrem Witz über die Ofer von K.O-Tropfen sei „ihre Würde ganz weit unten gelandet“. Ilg hatte sich in einem Instagram-Post mit Mockridge gezeigt, die Bildunterschrift lautete „Hat hier irgendwer von euch Eier gefunden? Ich hab nur ein paar K.O. Tropfen bekommen.“
Show von Ines Anioli in Köln: Berührende Plädoyers und leichte Kost
Zum anderen gibt es aber auch reichlich leichte Kost, die sich ausführlich mit dem weiblichen Geschlechtsorgan oder Fürzen in gläsernen Hotelzimmern beschäftigt. Anioli war 2016 mit dem erfolgreichen Podcast „Besser als Sex“ bekannt geworden, sprach darin mit ihrer Kollegin Leila Lowfire über „die schönste Nebensache“ der Welt.
Zu ihrem derben Humor findet Anioli in ihrem Programm nun zurück. Um über Sex zu sprechen scheint es für Anioli zwar noch zu früh zu sein. Doch das älteste Comedy-Thema der Welt, die Unterschiede zwischen Mann und Frau, vermag Anioli in originellen Anekdoten und Vergleichen unterhaltsam aufzubereiten. Elementarer Bestandteil ihrer Shows sind dabei auch ihre ekstatischen Tanzeinlagen – die vom Publikum ebenso umjubelt werden wie die emotionalen Worte zum Schluss der Show.