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Auftritt in KölnLuke Mockridge – zwischen Comedy-Auftritt und Selbsthilfetreffen

Lesezeit 6 Minuten
Luke Mockridge

Luke Mockridge bei seinem Auftritt in der Lanxess Arena. 

Köln – Luke Mockridge sucht einen Weg zurück ins Glück. Das ist die Botschaft, mit der der 33 Jahre alte Comedian am Samstagabend in die Lanxess Arena gekommen ist. „A Way Back to Luckyland“ steht in großen Lettern im Hintergrund der Bühne, die von einem riesigen, eher bedrohlich als lustig wirkenden Clown überragt wird.

Wortspiele mit lucky und Luke finden sich immer wieder in den Titeln seiner Programme. Doch dieses Mal ist der Name mehr als das. Der Weg zurück ins Glück ist seine Mission.

Mehrfach musste die Tournee verschoben werden – wegen Corona, wie es in der Ankündigung des Veranstalters steht. Doch das ist natürlich nur die halbe Wahrheit. Luke Mockridge stand im vergangenen Jahr im Auge des Sturms, nachdem seine Ex-Freundin Ines Anioli ihm eine versuchte Vergewaltigung vorgeworfen und Anzeige erstattet hatte.

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Ermittlungen wurden eingestellt

Die Staatsanwaltschaft sah keinen hinreichenden Tatverdacht und stellte die Ermittlungen irgendwann ein. Juristisch ist der Fall damit beendet. Doch im Netz baute sich eine riesige Protestwelle auf, die Konsequenzen für einen der erfolgreichsten Comedians des Landes forderte. Es war eine der größten Social-Media-Schlachten des vergangenen Jahres.

Im September 2021 veröffentlichte dann der „Spiegel“ einen langen Artikel, in dem zahlreiche Frauen dem Wahlkölner Grenzüberschreitungen vorwarfen. Mockridge geht juristisch gegen die Berichterstattung vor. Das Magazin darf Teile des Artikels nicht mehr veröffentlichen. Abgeschlossen ist die juristische Auseinandersetzung noch nicht.

Die Stimmung ist fantastisch

Die 8000 Fans, die zur ersten von zwei Shows in die Arena gekommen sind, kennen diese Vorgeschichte. Und scheinen ihren Star mit besonders viel Liebe unterstützen zu wollen. Zwar sind gerade im Innenraum viele Stühle leer, die Stimmung ist dennoch fantastisch. Mockridge wird gefeiert. Und er genießt den Applaus sichtlich. Er habe lange überlegt, ob er auf die Bühne zurückkehren werde. Doch sie werde es ihm zeigen, sei er überzeugt gewesen. Die Antwort der Zuschauer ist eindeutig. Sie wollen ihn dort sehen.

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Immer wieder beschwört er die Einheit zwischen sich und seinem Publikum. „Menschen haben nur zwei Emotionen: Liebe und Angst. Und alles andere spaltet sich ab“, sagt er später am Abend. Hier, in der Arena, sehe er viel Liebe, draußen viel Angst. Die Botschaft ist eindeutig: Wer ihn unterstützt, steht im Licht. Und was ist mit denen, die ihn kritisieren?

Zu Beginn des Abends sieht es so aus, als habe sich Mockridge entschieden, den Skandal nicht zum Thema zu machen. Er redet über den Krieg in der Ukraine und über die Pandemie und ihre Folgen. Er spricht von der großen Langeweile, die uns alle heimsuchte, wobei Langeweile ja vermutlich nun gerade nicht sein größtes Problem war im vergangenen Jahr.

Er thematisiert den Skandal in einem Muscial-Song

Doch dann kündigt er eine Musical-Nummer im Disney-Stil an, in der mit viel Pathos (und auf Englisch) singt: „Kommt ihr noch zu meiner Show, auch wenn ich der Typ mit dem Sexskandal bin?“ Alle hätten sich von ihm abgewandt, außer Pietro Lombardi. Man habe versucht, ihn zu canceln. Doch er sei zurück, zurück im Luckyland. Der anschließende Applaus ist gewaltig.

Was dann folgt, ist eine merkwürdige Mischung aus harmlosen, lustigen Alltagsbeobachtungen – etwa über das Verhalten seiner Mutter im Familien-WhatsApp-Chat –, die er bestens aufgelegt vorträgt und einer unterschwelligen Wut, die immer wieder hervor zu blitzen scheint. Spricht er über Twitter, wo er besonders hart attackiert wurde, wird er emotional. Die Plattform bestehe nur aus Hass und Lügen. „Wir hören nicht mehr auf, wir haben Bock, Leute zu zerstören“, sagt er an anderer Stelle.

Ist das noch ein Comedy-Auftritt?

Immer wieder ertappt man sich bei dem Gedanken, ob das hier ein Comedy-Auftritt oder eine Selbsthilfegruppe ist. Männer steckten gerade in einer Identitätskrise, die Frauen seien gerade am Start. „Männer haben keine Vorbilder mehr. Wir wissen gar nicht mehr, was Männer sind.“ Ist das noch Comedy?

Und erzählt er diese oder jene Geschichte wirklich nur, weil er sie lustig findet? Oder geht es um mehr? Etwa wenn er über Streit spricht, „wo keiner ist, das ist ein Frauenspezialgebiet.“ Um dann in epischer Länge darüber berichtet, wie es sei, mit einer Frau abends im Bett zu liegen, die ohne Grund einen Streit vom Zaun bricht, obwohl der Mann nichts falsch gemacht hat.

Mockridge verkündet Verlobung

Eins steht fest: Er hat auch nach dem Skandal keinerlei Hemmungen, über Dating und Sex zu sprechen. Es geht um ein Dickpic, also ein Penis-Bild, das er vor Jahren mal an seine damalige Freundin verschickte, um Intimfrisuren und homoerotische Fantasien, denen er gar ein ganzes Lied widmet. Er habe sich im letzten Monat verlobt, verkündet er irgendwann, um nachzuschieben: „Also Girls, wir müssen uns bei euch treffen.“ Das Publikum amüsiert sich, befremdlich findet es offensichtlich niemand.

Für Mockridge und seine Fans ist klar: Er ist das Opfer. Ihm geschah Unrecht. Er hat nichts falsch gemacht. Aber gibt es nicht jenseits aller juristischen Fragen auch eine moralische Verantwortung? Ja, vieles was Mockridge an Hass im Netz entgegenbrandete, war falsch und kontraproduktiv.

Mischung aus Therapiestunde und Motivationsseminar

Aber sieht er wirklich keine Fehler bei sich, wenn offenbar viele Frauen Begegnungen mit ihm als problematisch empfanden? Wenn er die Bühne, die er hat, nutzt, um den Skandal zu thematisieren, hätte man sich doch zumindest einen Hauch von Selbstreflexion oder Selbstkritik gewünscht. Doch Mockridge und seine Fans sehen das offensichtlich anders.

Am Ende driftet die Show endgültig in eine Mischung aus Therapiestunde und Motivationsseminar ab. „Wenn du in dir stimmst, bist du auch nach draußen kein Arschloch“, verkündet Mockridge. Er habe sein Luckyland gefunden.

Aber neben all der Liebe ist da eben auch jede Menge Frust: „Mir ist alles scheißegal. Ich bin schon gecancelt. I don’t give a fuck, Alter“. Den größten Shitstorm habe er ja ohnehin schon erlebt. Am Ende des Tunnels habe es den Moment gegeben, in dem er merkte: „Jetzt kann ich jeden Gag machen.“ Im Übrigen funktioniere politisch korrekte Comedy ohnehin nicht. „Einer muss auf den Deckel kriegen“. Ist das seine Lehre aus den Ereignissen?

Reise in die Kindheit

Als Zugabe nimmt der gebürtige Bonner seine Fans mit auf die Reise in eine Zeit, in der er und die meisten im Publikum noch Kinder waren. Mockridge, Jahrgang 1989, spielt die größten Hits der 90er.

Als dann noch alle den Titelsong der Zeichentrickserie „Disneys Gummibärenbande“ grölen, ist der Ausflug in die Kindheit perfekt. Es ist die Sehnsucht nach einer Zeit der Unschuld, in der alles so viel leichter schien, in der es scheinbar einfache Antworten auf alle Fragen gab. Im Luckyland ist das offensichtlich noch immer so.