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Interview mit Komiker Johann König„Mit uns kam der Kindersegen nach Köln-Nippes”

Lesezeit 14 Minuten
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Johann König findet fast alles an Köln ziemlich gut – von Kölsch bis Karneval. Aber es gibt dann doch ein paar Dinge, mit denen er nicht einverstanden ist.

  1. Der Komiker Johann König lebt seit fast 30 Jahren in Köln. Mit seiner Frau, einer Katze und drei Kindern wohnt er in Nippes.
  2. Im Interview spricht er darüber, warum er als Karnevals-Redner untauglich ist, mit welchem Trick er die die knallharte Aufnahmeprüfung an der Kölner Sporthochschule bestand und von den Hänseleien, die er als Schüler ertragen musste.
  3. Er sagt aber auch seine Meinung zu den „ekligen” Kölner Schultoiletten, den Greta-Thunberg-Äußerungen seines Kollegen Dieter Nuhr und erklärt, warum er keine Witze über Behinderte mehr macht.
  4. Im Club Volta startet er ab Dienstag, 17. Dezember seine erste eigene Show: den Königsclub.

KölnHerr König, nach 22 Jahren auf unzähligen Gastbühnen starten Sie mit dem Königsclub Ihre erste eigene Show. In Köln. Endlich können Sie mehr Witze über die Stadt machen. Was drängt sich auf?

Ich mache eigentlich immer die gleichen Witze. Über das Stadtarchiv. Oder über die Sprache. Ich liebe Kölsch und spreche das mit meiner Tochter, die das in ihrer Schule in der Kölsch-AG lernt. Aber meine Frau hasst es. Wenn ich die auf Kölsch frage, was es abends zu essen gibt, kriege ich meistens gar nichts zu essen.

Keine Witze über den 1. FC Köln?

Nein. Da wird man müde, weil das ja leider ein immerwährendes Trauerspiel ist, auch wenn der FC jetzt zum Glück gerade gegen Leverkusen gewonnen hat.

Sind Sie emotional involviert?

Ich bin FC-Fan, wenn auch nicht mit ganzer Inbrunst dabei, weil ich ja aus Soest komme und schon lange BVB-Fan bin. Wenn der BVB gegen Köln spielt, ist das immer schwierig.

Macht eine eigene Show mehr Spaß als ein Fernsehauftritt?

Klar. Ich kann zwei Stunden lang machen, was ich will. Im Fernsehen ist es immer nur ein Viereinhalb-Minuten-Auftritt. Drei Wochen vorher muss ich meinen Text hinschicken und dann oft umschreiben, weil andere Gäste auch schon etwas übers Klima machen. Dann sitze ich mit einer Stoppuhr zuhause, damit die Redaktion nicht schimpfen muss, dass ich fünf Minuten gebraucht habe. Dann gibt es eine Probe und eine Generalprobe. Ein unfassbarer Aufwand. Wenn ich einmal auf der Bühne stehe, ist’s okay, aber dieses Drumherum macht beim Fernsehen eher weniger Spaß.

Was ist die Idee hinter dem Königsclub?

Ich bin immer eingeladen worden früher, und das war total wichtig für mich. Jetzt möchte ich etwas zurückgeben und anderen tollen Leuten eine Bühne bieten. Außerdem ist das ständige Sololeben einsam. Ich hatte 80 Soloauftritte in diesem Jahr.

Hat sich das Komiker-Geschäft verändert?

Es gibt heute deutlich mehr Komiker als früher und für alle ist etwas dabei – von Rainald Grebe bis Mario Barth. Ein bisschen bedauere ich aber, dass so richtig irre Typen wie Helge Schneider oder Kurt Krömer nicht mehr nachwachsen. Eine Zeitlang haben mich auch einige junge Kollegen gelangweilt, die einzig und allein ihren Migrationshintergrund in den Vordergrund gestellt haben. Die haben immer nur erklärt, dass sie für Terroristen gehalten werden und sie jeder nach ihrer Herkunft fragt. Ich finde es zwar total berechtigt, das zu thematisieren, aber irgendwann müssen die auch andere Themen entwickeln.

Welches Klischee über Köln stimmt nicht?

Dass die Kölner keinen alleine lassen, sich immer zu einem setzen und einen vollquatschen. Das stimmt mal, aber nicht immer. Ich sitze ja sehr oft stundenlang in Cafés rum und werde nicht vollgelabert.

Und welches Klischee stimmt?

Da muss ich nachdenken. Welche gibt es denn noch?

Köln ist tolerant.

Das unterschreibe ich total. Ich konnte hier immer alles ohne Probleme machen. Ich bin zwar kein Freak, aber ein bisschen komisch definitiv. Ein Grund, weshalb einer meiner vielen Vermieter in Köln, ein feiner Herr aus Lindenthal, wohl lieber vorsichtshalber noch bei meiner Mutter angerufen hat, um zu fragen, ob das mit der Elternbürgschaft stimmt. Dem war ich nicht ganz geheuer. Aber tolerant war er am Ende trotzdem: Ich habe die Wohnung bekommen.

Ihr Lieblings-Veedel?

Nippes. Da bin ich 2006 hingezogen, als alles noch richtig günstig war. Damals war es auch noch kein Familienviertel. Wir sind da also hin, hatten noch keine Kinder und haben dann was initiiert. Mit uns kam der Kindersegen nach Nippes.

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Sind die Kölner ein dankbares Publikum? Dankbarer als in Westfalen?

Da ich aus Westfalen komme, habe ich es dort auch sehr leicht. Aber in Köln ist es auch leicht. Ich wohne ja schon Ewigkeiten hier. Ich kenne mich aus, die Leute kennen mich. Wir kennen uns alle. Ohne Köln mit seinen vielen Theatern stünde ich heute nicht auf der Bühne. Was Frank Elstner bei Thomas Gottschalk für die Karriere war, das war Köln für mich.

Drei gute Gründe, um in Köln zu leben?

Der Karneval. Und dass der Karneval auch wieder vorbei ist irgendwann. Ich liebe den Karneval. Ich feiere immer mit und darf zuhause bleiben, während meine Frau meistens flüchtet.

Einige Ihrer Kölner Kollegen verdienen gutes Geld im Karneval. Verlockend?

Die Redner haben es so schwer. Ich bin ja auch eher ein leiser Typ und nicht so ein Hau-Drauf-Comedian. Einmal bin ich Karneval im Deutzer Tanzbrunnen aufgetreten. Keiner hat zugehört, bis ich mein Lied gesungen habe – und das war dann der Knaller. Ich bräuchte also viel mehr Lieder. Aber eigentlich will ich Karneval lieber frei haben und feiern.

Karneval ist der Gradmesser dafür, wie assimiliert jemand in Köln ist.

Eben. Ich feiere immer durch. Im Kostümchen. Das Tolle am Karneval ist für mich ja auch, dass ich nicht erkannt werde. Dann lerne ich Leute kennen, die nicht wissen, wer ich bin und lasse irgendwann die Maske fallen.

Jenseits des Karnevals werden Sie sicher oft erkannt. Können Sie einigermaßen unbehelligt durch die Stadt laufen?

In Nippes interessiere ich die Leute nicht mehr. Die sagen nur: Tach, Herr König. In Ehrenfeld oder in der Innenstadt ist das anders. Da fragen sich viele: Was läuft denn der König hier rum? Die meisten wissen gar nicht, dass ich in Köln wohne. Letztes Jahr habe ich Wilfried Schmickler in einer Hotelbar getroffen, der mich irgendwann fragte, wo ich eigentlich wohne. Fand ich verblüffend, dass er nicht wusste, dass ich Kölner bin. Ab wann ist man denn eigentlich Kölner? Wenn man seit 25 Jahren hier wohnt wie ich?

Was war die lustigste Fan-Ansprache, die Sie erlebt haben?

Neulich auf der Neusser Straße vor dem Metzger hat mir ein Herr in breitem Kölsch gesagt: „Na, Herr Könisch, im Fernsehen sin se ävver jeschmink, oder? Dat han ich mir jedach, denn su wie hück jeit et nit.“ Das fand ich gut. Der hat gar nicht gemerkt, dass sein Spruch eigentlich verletzend ist.

„Meine Kinder finden die Schul-Klos eklig”

Ist Köln eine gute Stadt für Kinder?

Insgesamt schon. Schlimm ist nur, dass unsere Kinder immer als Erstes auf die Toilette rennen, wenn sie von der Schule nach Hause kommen. Die wollen in ihren Schulen nicht aufs Klo gehen, weil die Klos so eklig sind. Ich finde es krass, das jeden Tag mit ansehen zu müssen. Es ist doch ein Grundbedürfnis, auf Toilette zu gehen. Wie soll man in der Schule vernünftig lernen, wenn das nicht geht?

Man könnte es als Ironie des Schicksals bezeichnen, dass Sie als Schüler für Ihre Stimme, die später Ihr Markenzeichen wurde, gehänselt worden sind.

Das war keine schöne Zeit. Ich wurde damals gehänselt, weil ich sehr spät in den Stimmbruch kam. Ich war der Einzige mit Fiepsstimme. Das Fiepsige war später weg, aber wenn man sich alte Auftritt-Videos von mir anguckt, bin ich da immer total nervös und habe darum so eine komische Stimme. Ich habe meine Stimme nie als Markenzeichen entwickelt, die war einfach so.

Ironie des Schicksals ist auch, dass Sie wegen eines drei Zentimeter zu kurzen Beins ausgemustert worden sind, um anschließend erfolgreich Sport auf Lehramt zu studieren.

Ja, das war ein Schock.

Wollten Sie unbedingt zur Bundeswehr?

Nein, zum Zivildienst natürlich, wie alle meine Freunde auch. Dann habe eine Ausbildung zum Krankenpfleger gemacht. Mein Vater hat gesagt: Lern erst einmal was Richtiges. Der hat mir das mit dem Studium auch nicht zugetraut.

Die Aufnahmeprüfung an der Kölner Sporthochschule gilt als hart. Welche Sportarten konnten Sie gut und welche nicht?

Es gibt ja vier Disziplinen: Ballsport, Schwimmen, Turnen und Leichtathletik. Bei den beiden letzten fallen die meisten durch. Ich konnte vor allem gut lesen und habe darum das Kleingedruckte gelesen in den Unterlagen. Da stand, dass Lehramts-Studenten keine Aufnahmeprüfung in Turnen und Leichtathletik machen müssen, wenn sie das deutsche Sportabzeichen in Bronze haben. Also habe ich in einem Sportclub in Lippstadt das Abzeichen gemacht. Das war ein Witz! Ich musste einen Ball schleudern und ein alter Hausmeister hat gesagt: Ja, passt schon. Der war froh, dass überhaupt noch jemand ein Sportabzeichen macht. Am Ende habe ich für die Prüfung drei Minuten Fußball gespielt und bin eine Minute lang Brust geschwommen.

Das war’s?

Ja. Einige Kommilitonen hatten das Kleingedruckte nicht gelesen und mich später gefragt: Wie hast du eigentlich bestanden? Am Kippaufschwung scheitern ja alle. Das ist das, wo man unter der Reckstange durchrennen muss, dann ein Klappmesser macht, die Beine nach oben und dann in den Stütz. Ich musste den im Studium lernen und habe ihn auch geschafft. Ein einziges Mal. Danach war ich so stolz und bin rumgelaufen, als könnte mir keiner was. Obwohl es ja total sinnlos ist, das zu können.

Sie tanzen öfters auf der Bühne. War Tanz auch Bestandteil des Studiums?

Ja. Ich habe ein Seilkür mit einem langen Seil gemacht auf so einer Art Parkplatz – und zwar gut. Ich habe eine Zwei dafür bekommen.

Eine Idee für Ihr nächstes Programm?

Definitiv. Ich mache ja in meinem aktuellen Programm Hula Hoop auf der Bühne und habe eine Hula-Hoop-Trainerin. Eine Seilkür oder einen Radschlag habe ich aber auch mal vor. Ein bisschen Sport auf der Tour schadet ja nicht.

Gab es den einen Moment, in dem klar war, dass Sie Komiker und nicht Lehrer werden?

Ich hatte an der Sporthochschule die letzte große mündliche Prüfung, danach hätte ich mich für das erste Staatsexamen anmelden können. Ich habe vor drei Prüfern rumgestottert, bis die mir eine Vier gaben und fragten, warum ich so nervös sei. Ich habe erzählt, dass ich abends einen Auftritt in der Harald-Schmidt-Show habe. Deren Reaktion war: Herr König, Sie können nicht abends auftreten und vormittags was Richtiges machen! Dann dachte ich: Oh Gott, ich will aber beides machen. Das eine ist doch nur Quatsch. Meiner Frau habe ich immer gesagt, dass ich Quatsch machen gehe, wenn ich eine Show hatte. Aber an dem Tag wusste ich, ich muss mich entscheiden und habe mich exmatrikulieren lassen.

Ab wann haben Sie den Quatsch Arbeit genannt?

Irgendwann war das erste Kind da und konnte langsam verstehen, was wir so reden. Dann meinte meine Frau: Sag mal nicht immer zu deinem Kind, dass du Quatsch machst. Sag mal, dass du arbeiten gehst.

Eine weitere Ironie des Schicksals: Sie hätten niemals eine Bühne betreten, wenn sie nicht 1997von ihrer damaligen Freundin im alten Kölner Literaturcafé Zapzarap dazu genötigt worden wären. Ihr Gedicht war ernst gemeint, aber alle haben gelacht. Können Sie das Gedicht noch?

Klar. Es beginnt mit: „Es saßen zwei Hasen und fraßen den Rasen.“

Das soll ein ernstes Gedicht sein?

Der Inhalt war nicht total ernst gemeint, aber er war auch nicht zum Schreien komisch. Jedenfalls hatte ich nicht geplant, dass das Publikum schon bei der ersten Zeile lacht. Dass sie es getan haben, lag auch nicht an der unglaublich lustigen Zeile, sondern ich betrunken war und gezittert und gestottert habe. Die Form hat den Inhalt besiegt.

Auftritte kosten Sie bis heute Überwindung. Gab es eine Zeit, in der Sie sich mit ein bis fünf Kölsch locker gemacht haben?

Nee. Mein Timing ist viel besser, wenn ich nüchtern bin.

Ironie des Schicksals war es wohl auch, dass Sie ein Spaß-Lied über Burnout gemacht haben, wofür es einen Sturm der Entrüstung gab. 2015 mussten Sie dann selbst ein Jahr Pause wegen drohenden Burnouts machen. War das ein langweiliges Jahr?

Ich stand Zuhause erst einmal viel im Weg rum. Meine Frau musste sich auch daran gewöhnen, dass ich immer da bin. Ich bin dann viel in den Wald gefahren, habe Pilze gesucht und mir das Pilze-Bestimmen beigebracht. Seitdem probiere ich jedes Jahr einen neuen Pilz, den ich vorher noch nie gegessen habe.

Welcher war es diesen Herbst?

Der netzstielige Hexenröhrling. Er sieht giftig aus, weil er einen roten Stiel hat, aber er ist essbar. Wenn man sich bei Pilzen vertut, kann da ja furchtbar schiefgehen. Deshalb hängt in unserem Wochenend-Häuschen in Oberbergischen auch eine Notfallnummer. Ansonsten gilt die Regel: Ich probiere den Pilz und wenn ich ihn vertrage, können die Kindern auch etwas davon haben.

Haben Sie sich noch weitere Hobbys zugelegt?

Ich habe ein Baumhaus und eine Seilbahn gebaut. Und ich habe einen Baum gefällt, eine große Eiche. Alle haben gesagt, ich soll doch lieber erst mal einen Kurs machen. Aber ich hatte so viele Youtube-Videos geguckt, ich wusste genau, wie man den fällt. Meine Frau hat den Baum danach komplett zerhackt. Wenn ich dann alleine in unserem Häuschen war, habe ich durch das Holz ein bisschen Wärme von ihr gehabt.

Viele Künstler fallen in ein Applaus-Loch, wenn Sie von Ihrer Tour nach Hause kommen. Sie auch?

Nein. Ich habe im November 20 Abende Soloprogramm gespielt. Erst denke ich immer, dass das kein Problem ist, weil es ja nur diese zwei Stunden abends sind und ich meinen Text kenne. Aber jedes Mal ziehen die Leute dann doch sehr viel Energie aus mir raus. Dann trinke ich noch zwei bis drei Kölsch nach den Auftritten, obwohl ich eigentlich früh ins Bett gehen sollte. Ich freue mich, dass ich gerade applausfreie Zeit habe.

Die Zeiten werden politischer. Macht Sie das auch politischer in Ihrem Programm?

Ich rede mit meinen Kindern viel über Klimapolitik. Wir fliegen nicht nach Ägypten mit den Nachbarn und meine Töchter essen kein Fleisch mehr. So etwas interessiert mich. Aber Tagespolitik hat kein Potential für meinen Humor. Ich würde nie die Haltung annehmen, dass Politiker alle korrupte Idioten sind. So eine überhebliche Attitüde finde ich nicht lustig. Ich will auch nicht sagen, dass Nazis dumm sind, nur damit alle klatschen. Das ist mir zu einfach.

Ihr Kollege Dieter Nuhr ist kritisiert worden für seine Sprüche über Greta Thunberg. Ist Greta ein Thema für Sie?

Ich nenne ihren Namen in meinem Programm. Ich sage: Es gibt Erwachsene, die aus Umweltgründen auf Kinder verzichten und es gibt Kinder, die aus Umweltgründen auf die Schule verzichten. Und dann rede ich 20 Minuten übers Klima. Aber ich würde nie auf der Bühne sagen, wie großartig ich die Debatte finde, die sie angestoßen hat, um Applaus zu kriegen. Das ist zwar so, aber eben nicht mein Humor. Ich habe mit Dieter Nuhr viel über den Ärger gesprochen, den er wegen seiner Äußerungen über Greta hatte. Während er im Internet als Blödmann beschimpft wird, kommen auf der Straße wahnsinnig viele Leute auf ihn zu und danken ihm, dass endlich mal einer etwas gegen Greta sagt.

Ist Dank von Greta-Hassern erstrebenswert?

Er findet doch gut, was Greta angestoßen hat. Das betont er immer wieder. Ihm geht es um die hysterischen Züge, die diese Verehrung annimmt. Wie die Leute auf Greta abgehen. Und wenn er dann auf der Bühne fragt, was Greta im Winter macht, weil sie ja nicht heizen kann, ist das natürlich lustig, weil ja klar ist, dass sie heizen wird. Nuhr deckt die große Spaltung in der Gesellschaft auf: Alle sind fürs Klima, aber niemand will seinen Lebensstandard einschränken. Sagt doch mal den Kindern auf den Freitags-Demos, dass sie keinen Strom mehr für ihre Handys benutzen dürfen. Niemand will, dass ein Windrad auf seinem Grundstück steht. Klima ist ein tolles Konfliktthema.

Haben Sie beruflich schon mal etwas gesagt, dass Sie heute bereuen?

Nach dem Zugunglück in Eschede habe ich mal auf der Bühne gesagt: In Eschede sitzt der Stock tief. Stock statt Schock. Da hat der Moderator mich nachher zusammengeschissen, ich solle niemals Witze über Unglücke machen. Das war mir eine Lehre. Suizid ist auch ein Tabu-Thema. Ich habe mal böse Post von einem Suizidverein bekommen, nachdem ich in einem Programm zwei wahre Statistiken genannt habe, wonach drei Viertel aller Therapiesitzungen von Frauen besucht werden und drei Viertel aller Suizide von Männern begangen werden. Und früher dachte ich auch, dass ich als studierter Sonderschullehrer Witze über Behinderte machen darf.

Was ist für Sie ein guter Witz über Behinderung?

Vorurteile sind immer ein großes Thema für mich. Wenn ich in einem Café ein Kind sehe, das Down-Syndrom hat, dann denke ich: Hoffentlich denkt die Mutter nicht, dass ich ihr Kind nur anlächele, weil es Down-Syndrom hat. Anderes Beispiel für Vorurteile: Wenn ich in der U-Bahn einen schwarzen Mann sehe und wir gucken uns an, denke ich immer sofort, dass er denkt, dass ihn nur angucke, weil er schwarz ist. Dabei hätte ich ihn auch so angeguckt. Ich habe auf der Bühne mal einen Witz darüber gemacht, dass ich in der U-Bahn einen Schwarzen angelächelt habe, aber nicht, weil er schwarz ist, sondern weil er auch noch das Down-Syndrom hatte. Diese satirische Überspitzung fand ich lustig. Aber ich habe gemerkt, dass vielen im Publikum das Lachen im Hals stecken bleibt. Seitdem lasse ich so etwas.

Das Gespräch führten Sarah Brasack und Anne Burgmer