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Carolin Kebekus„Köln regieren will keiner so richtig – das ist wie beim FC-Vorstand“

Lesezeit 12 Minuten
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Carolin Kebekus

  1. Carolin Kebekus und Greta Thunberg haben gemeinsam, dass sie beide Hasskommentare und sogar Todesdrohungen erhalten.
  2. Die Kölner Komikerin erzählt im Interview, was an der Klimaschutz-Debatte aufregt, was sie Greta gerne sagen würde und welche ihrer Themen auf der Bühne die meisten Beschimpfungen in den sozialen Medien hervorrufen.
  3. Außerdem spricht sie über die erneute Kandidatur der Kölner OB Reker, den FC-Ausbau im Grüngürtel, Sexismus im Karneval und hässliche Ecken von Köln.
  4. „Der Barbarossaplatz ist so schlimm, dass er noch ein weiteres Lied vertragen könnte“, sagt sie in Anspielung auf den Hit der kölschen Band Querbeat, mit der sie in der Kölner Lanxess-Arena auftritt.

KölnFrau Kebekus, die Teenager von heute hängen auf Demos ab und bemalen zusammen Protestschilder. Welche Sorte Teenager waren Sie früher: politisch engagiert oder von der Knutsch-und-Feier-Fraktion?

Als Teenager haben wir eher über Politik diskutiert als auf die Straße zu gehen. Aber ich kann mich daran erinnern, dass ich als Kind für den Regenwald demonstriert habe und während des Golfkriegs auf die Straße gegangen bin, die Demo war von der Schule organisiert. Als ich hörte, dass der Rosenmontagszug ausfällt, wusste ich als Kölner Mädchen: Das muss schlimm sein. Gegen Rechte habe ich allerdings immer schon demonstriert, das macht man in Köln einfach. Wobei ich da im Laufe der Jahre bei den Demos immer mehr Schiss bekommen habe, weil ich die Nazis nicht mehr von den Linken unterscheiden konnte. Beide Lager waren irgendwann schwarz gekleidet, vermummt und mit Sonnenbrille. Da bekam ich Angst, aus Versehen mitten im falschen Block zu stehen.

Wofür oder wogegen haben Sie zuletzt demonstriert?

Alles zum Thema Carolin Kebekus

Das war auch gegen rechts. An der „Fridays for future“-Demo neulich hätte ich sehr gerne teilgenommen, musste an dem Tag aber für die „Heute Show“ arbeiten. Immerhin haben wir einen Beitrag über das Klima gedreht.

Was regt Sie am meisten auf angesichts der Klimaschutz-Debatte?

Dieses Gelaber, dass man zwar unbedingt etwas gegen den Klimawandel machen muss, aber bitte nur so, dass es angenehm ist. Klimaschutz muss Spaß machen und bürgernah sein, darf aber auf keinen Fall wehtun. Was für ein Schwachsinn. Jeder weiß, dass echte Maßnahmen für besseren Klimaschutz schmerzhaft sein müssen.

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Brauchen wir mehr Verbote?

Klar. Der Einzelne tut doch nicht genug. Jeder sagt doch: Soll der andere mal, ich hab doch nur meine zwei Pizzaschachteln, warum denn ich? Manche Dinge müssen auch einfach viel teurer werden. Und Billigfleisch aus Massentierhaltung, das geht gar nicht. Ich gehöre auch zu denjenigen, die vor zehn Jahren noch lustige Veganer-Witze gemacht haben. Die sind mir damals aber auch sowas von auf den Sack gegangen, diese Leute, die mir ihre Lebensphilosophie aufzwingen wollten. Aber die Realität sieht so aus, dass sich die Menschheit in den nächsten Jahren vom Fleisch abwenden muss, das geht gar nicht anders. Und auch auf Milch werden wir verzichten müssen. Ich probiere das bereits.

Sie sind also Vegetarierin?

Nein. Ich esse noch Fleisch, aber gucke schon meistens genau, wo es herkommt. Und Hafermilch finde ich gar nicht so schlecht.

Wo versagen Sie persönlich, wenn es um Klimaschutz geht?

Ich fliege zu viel und versuche deshalb, mehr mit der Bahn zu fahren. Das macht es mir aber ziemlich schwer, pünktlich zu Terminen zu kommen. Wenn ich Bahn fahre, geht leider immer etwas schief. Auf Tour haben wir auch einige Dinge geändert: Es gibt zum Beispiel keine Pappbecher mehr für die Crew, sondern jeder hat seine Tasse mit Namen drauf. Es ist total irre, wie selbstverständlich man sich früher einen Kaffee gemacht und den Pappbecher dann weggeschmissen hat anstatt auf die Idee zu kommen, den gleichen Becher noch einmal zu benutzen.

Angenommen, Sie wären einen Tag Bundeskanzlerin und könnten ohne Kompromisse durchregieren: Was würden Sie durchsetzen?

Hoffentlich hätte ich gute Berater, denn natürlich bin ich dafür, Inlandsflüge teurer zu machen und Unternehmen zur Kasse zu bitten, die viel Co2 produzieren. Aber wie man das am sinnvollsten angeht, das müssten Experten regeln. Als Laie würde man sicherlich auch Dinge vorschlagen, wo Fachleute dann zu Recht sagen: Hä? Deine Entscheidung hat doch die und die schlimmen Konsequenzen, du Blödkopp.

KASALLA_Carolin Kebekus6_Credit_Moritz Künster

Carolin Kebekus mit dem Kasalla-Sänger Bastian Campmann

Wie zuversichtlich sind Sie, dass wir die Welt noch retten werden?

Eigentlich bin ich ja ein positiver Mensch, obwohl ich gar nicht weiß, wo ich das hernehme beim Thema Klima. Denn wenn man sich mit Bauern oder Förstern unterhält, sagen die alle: Katastrophe. Egal, ob es der abgesunkene Grundwasserspiegel ist oder diese Borkenkäfer-Geschichte. Ich habe neulich in Overath gespielt: Wenn man im Bergischen rumfährt, sieht man nur Wälder, die alle braun sind und abgeholzt werden müssen. Es stirbt alles ab. Aber eigentlich muss man doch sagen: Wir schaffen das noch. Sonst wäre ab jetzt alles egal.

Niemand verkörpert den neuen Ernst der jungen Generation mehr als Greta Thunberg. Mit welchen Gefühlen betrachten Sie den Hass, der ihr entgegenschlägt?

Der Hass ist schlechtes Gewissen. Dieses Mädel hat sich vor einem Jahr alleine hingesetzt und gesagt: Ich gehe jetzt nicht mehr in die Schule wegen des Klimas. Da sagt natürlich jeder erst einmal hämisch: Das bringt doch einen Scheißdreck, wenn du das machst. Und jetzt sieht die Welt: Ne, das bringt was, wenn einer anfängt. Und jetzt sind ganz viele angepisst, dass ihnen ein kleines Mädchen zeigt, wie es geht. Die wollen keine einfache Lösung präsentiert bekommen. Ich fand es besonders krass, wie hart sie für ihre Rede vor der UN in New York angegangen worden ist. Eine Freundin von mir hat auf Facebook geschrieben, dass man Greta angesichts dieser Kommentare am liebsten sagen würde: Komm, lass es bleiben! Vielleicht ist es besser, wenn diese Menschheit mit ihrem ganzen Hass und ihrer Intoleranz untergeht. Das konnte ich ein Stück weit nachvollziehen. Jeder guckt doch nur noch auf seine eigene Nase, Empathie und Weitsicht sind gar nicht mehr vorhanden.

Was würden Sie Greta Thunberg sagen, wenn Sie vor Ihnen säße?

Dass sie weitermachen soll natürlich.

Gäbe es weniger Hass, wenn Greta Thunberg ein junger Mann wäre?

Vielleicht. Obwohl ich nicht hoffe, dass es so ist. Neulich habe ich einen Artikel über die neuen Helden unserer Zeit gelesen: Da waren die Männer allesamt Sportler, die Frauen waren Greta und diese Kapitänin Carola Rackete. Da dachte ich nur: Schon klar, dass Frauen immer etwas besonders Außergewöhnliches leisten müssen, um Heldinnen zu sein. Einfach nur gut im Sport zu sein, reicht da nicht.

Sie kennen sich mit Hasskommentaren ebenfalls ganz gut aus. Bekommen Sie mehr Anfeindungen als Ihre männlichen Kollegen?

Definitiv. Manchmal schicken mir Freunde abfotografierte Chats, obwohl ich das auf den Tod nicht leiden kann. Denn ich habe irgendwann aufgehört, mir den ganzen Mist durchzulesen. In der Kabarettsendung „Die Anstalt“ habe ich mal die These aufgestellt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen dem Frauenmangel und rechtem Gedankengut im deutschen Osten. Der Link zu dem Beitrag wurde in einem AfD-Forum gepostet, darunter ganz viele Kommentare mit Mord-Fantasien. Häufiger lese ich auch, dass man mich einfach mal so richtig durchbumsen müsste. Die denken wirklich: Man muss so eine nur mal richtig durchnehmen, und dann wacht die auf und sieht alles anders.

Bei welchen Themen neben der AfD ist Hass noch vorprogrammiert?

Bei allem, was mit Feminismus zu tun hat. Es gibt eine Urangst davor, Frauen zu viel Macht zu geben. Die sexuelle Energie einer Frau wird immer wahnsinnig verteufelt. Denn das ist ja die pure Sünde, die verhüllt und weggeschlossen werden muss. Irgendetwas ist ganz furchtbar daran. Deshalb ist es für mich immer doppelt schön, so richtig sexuell auf der Bühne zu sein, weil sich die Leute wahnsinnig aufregen über sexuelle Selbstbestimmtheit.

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Carolin Kebekus

Wer genau regt sich auf?

Mehrheitlich Männer. Oft kommt dann das Argument: Ihr Frauen habt doch schon alles. Ihr habt doch sogar mehr, zum Beispiel Frauenparkplätze. Das hat tatsächlich schon mal jemand geschrieben. Ich finde es so lustig, dass dieser Typ wirklich denkt, dass es Frauenparkplätze gibt, damit die Frauen schön einen Parkplatz haben, während er drei Stunden einen suchen muss. Dass ein Frauenparkplatz andere Gründe hat, reflektiert der gar nicht. Bei Glaubensfragen kommt logischerweise auch Hass. Und über Opel darf man sich nicht lustig machen, da habe ich auch schon Shitstorms abbekommen. Es gibt riesige Opel-Fanclubs, fast so viele wie Helene-Fischer-Fanclubs.

Drecksfotze, Stück Scheiße und Sondermüll: Das alles sind zulässige Meinungsäußerungen, wie die Politikerin Renate Künast von einem Richter bestätigt bekommen hat. Haben Sie schwere Beleidigungen auch schon angezeigt?

Dass Drecksfotze als sachliches Argument durchgeht, macht mich sprachlos. Hoffentlich kassieren die das Urteil wieder. Ich habe noch nie Beleidigungen angezeigt, denn da käme ich einfach nicht mehr hinterher. Obwohl ich es bewundernswert finde, dass Dunja Hayali (TV-Moderatorin, Anm. der Red.) jeden Hass-Kommentar konsequent verfolgen lässt. Für mich erledigen das offenbar andere Menschen. In zwei Fällen hat die Polizei wegen an mich gerichtete Todesdrohungen ermittelt, ohne dass ich da etwas angezeigt hätte.

Die Wörter „Pussy“ und „Bitch“ sind Bestandteil des frauenfeindlichen Kanons. Haben Sie Ihre Frauenband gerade deshalb „Beer Bitches“ genannt und Ihr aktuelles Programm „Pussy Nation“?

Genau. Indem ich diese Begriffe übernehme, entwaffne ich die Sexisten. Dann sind die Fronten klar.

Welche Abende machen Ihnen mehr Spaß – die mit den „Beer Bitches“ oder Ihre Solo-Auftritte?

Puh, das ist schwer zu vergleichen. Wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich meinen Egotrip wählen. Obwohl ich manchmal neidisch auf Leute bin, die immer mit einer Band auf Tour sind, weil die sich auch die Verantwortung aufteilen können. Ich stehe immer allein auf der Bühne. Damit hab ich den Abend zwar auch allein in der Hand, bin aber auch schuld, wenn es scheiße läuft. Für mich ist es aber auch eine supergeile Erfahrung, mit zwei Mädels zusammen vorne zu stehen, die guten und schlechten Momente miteinander zu teilen und sich gegenseitig zu unterstützen. Beruflich gibt es ja viel zu oft noch diese Konkurrenz unter Frauen. Frauen helfen sich nicht, weil sie immer das Gefühl haben: Es kann oben nur eine Frau geben, und das bin am besten ich.

„Köln regieren ist ein bisschen wie FC-Vorstand”

Bei der „Lachenden Köln-Arena“ in der vergangenen Session standen an manchen Abenden mindestens 150 Männer auf der Bühne, aber nur eine Frau, die Saxofonistin von Querbeat. Warum ist der Karneval so männlich dominiert?

Der traditionelle Karneval hat einfach einen langen Bart. Wie kann es sein, dass im Dreigestirn keine Frau vertreten ist und die einzige Frau im Dreigestirn dann auch noch ein Typ ist?

Werden die „Beer Bitches“ im Karneval akzeptiert?

Wir machen gar nichts im traditionellen Karneval und das ist auch nicht mein Bestreben. Aber natürlich müsste es viel mehr Frauen geben. Bei diesen Vorstellabenden beim Festkomitee kommt nie eine Frauenband durch. Die Irina (Sängerin bei den Beer Bitches, Anm. der Red.) hat eine kleine Band namens La Mäng, die ganz süße Karnevalsmusik macht. Da könnte man als Festkomitee doch mal sagen: Wir pushen euch Frauen jetzt mal da rein, damit ihr Routine bekommt und Vorbilder sein könnt für andere Frauen. Aber nein, da wird komplett abgewunken. Mit den „Beer Bitches“ habe ich gerade einen Song umgedichtet, wo es genau darum geht, warum es keine Frauen im Karneval gibt. Klar, es gibt Marie-Luise Nikuta und Fussich Julchen. Alle anderen weiblichen Größen wie Biggy Wanninger und Gaby Köster sind aus dem alternativen Karneval.

Das höchste Amt im Staat Köln wird seit gut drei Jahren von einer Frau bekleidet. Freut es Sie, dass Frau Reker für eine zweite Amtszeit kandidieren will?

Ja!

Weitere OB-Kandidaten sind neben Reker noch nicht in Sicht. Traut sich keiner, weil eine Stadt voller Jecken schwer zu regieren ist?

Köln regieren ist ein bisschen so wie FC-Vorstand: Das will dann doch keiner so richtig machen. Bei der „Wetten dass??“-Nachfolge, im FC-Vorstand und bei der Stadt Köln sagt doch jeder: Macht ihr mal lieber! Macht's einer? Okay, Gott sei Dank, wir sind raus.

Die Liste der Dinge, die in Köln angepackt werden müssten, ist lang. Was finden Sie am dringendsten?

Die Gentrifizierung sieht und spürt man deutlich in Köln. Ich habe richtig Angst, dass die alten Veedels-Strukturen kaputt gehen und sich jeder nur noch in bestimmten Kreisen bewegt. Wenn ich in der Südstadt ins „Treppchen“ gehe, treffe ich da noch Leute, die ich sonst nie kennenlernen würde. Das ist doch toll. Neulich habe ich in einem Newsletter einer Sparkasse ein Angebot gelesen für ein Haus in Müngersdorf: alter Schrott, neu saniert, 130 Quadratmeter, furchtbare Zimmeraufteilung, 1,2 Millionen Euro. Wer kann sich das denn bitte leisten? Und welche Miete musst du dafür nehmen, wenn du nicht selbst darin wohnen willst? Dafür wohnen Studenten in Köln auf dem Campingplatz, weil sie keine Wohnung kriegen.

Würden Sie sich für Köln einen Mietdeckel wünschen wie er für Berlin diskutiert wird?

Ja, das fände ich gut.

Der Ausbau von FC-Trainingsplätzen spaltet derzeit die Lager: Da stehen die FC-Fans gegen Anwohner und Grüne, die eine Flächenversiegelung im Grüngürtel kritisieren. Auf welcher Seite stehen Sie als FC-Fan?

Auf dem FC-Gelände habe ich mal gedreht. Für diese Fitness-Räume würde sich jedes halbwegs anständige Hotel in Grund und Boden schämen. Das war bizarr, neben dem ollen Spind von Timo Horn zu stehen. In meiner alten Schule sah es besser aus als da drin beim FC – und das war schon schlimm. Dass Köln so eine Art Bauerngroßstadt ist, hat ja manchmal seinen Charme. Aber wenn man Erstligist sein und bleiben will, muss man schon dringend etwas anders machen. Die Wiese können sie aber gerne stehen lassen.

Mit ihrem Hit „Guten Morgen Barbarossaplatz“ hat die Band Querbeat diesen tristen Platz ordentlich aufgewertet. Über welchen Ort in Köln würden Sie gerne mal ein Lied schreiben, um ihn zumindest singend ein bisschen schöner zu machen?

Der Ebertplatz wäre wahnsinnig prädestiniert dafür. Über den gibt es auch noch kein Lied. Aber ich überlege gerade: Wo ist es denn in Köln überhaupt schön? Jeder weiß, wie sehr ich Köln mag, aber es gibt so wahnsinnig viele hässliche Ecken. Der Barbarossaplatz ist so schlimm, dass er noch ein weiteres Lied vertragen könnte. Wenn ich dort eine Freundin besuchen gehe, zähle ich rundherum immer die Kotzflecke. Ich lande nie bei unter 13. Und wenn Karneval ist, brauche ich eine halbe Stunde länger zum Zählen.