AboAbonnieren

Kölner ComedienneCarolin Kebekus übers Muttersein: „Holy shit, das ist eine ganz neue Welt“

Lesezeit 9 Minuten
Carolin Kebekus, Kölner Comedienne.

Carolin Kebekus, Kölner Comedienne.

Carolin Kebekus ist zurück aus der Babypause und spricht über die Bewertung von Müttern, die Aufteilung von Care-Arbeit und die Sorge, nur noch langweilige Witze machen zu können.

Sie ist eine der bekanntesten Comediennes Deutschlands, gewann schon achtmal den Deutschen Comedypreis: Doch in diesem Jahr war Carolin Kebekus, mit einer Ausnahme für die Aktion „#KINDERstören“, nicht im Fernsehen zu sehen. Der Grund: Die 44-Jährige ist Mutter geworden, nahm sich eine Babypause. Nun aber kehrt Kebekus mit ihrer „Carolin Kebekus Show“ zurück ins Fernsehen. Die Sendung ist ab Donnerstag, 24. Oktober, jeweils donnerstags ab 20.15 Uhr in der ARD-Mediathek und ab 23.35 Uhr im Ersten zu sehen. Im Januar starten außerdem die nächsten Shows ihrer neuen Comedy-Tour „Shesus“, mit der sie bereits im September und im Oktober auftrat.

Frau Kebekus, nach Ihrer Babypause kehren Sie nun mit neuer Tour und mit neuen Folgen der „Carolin Kebekus Show“ ins TV zurück. Warum war jetzt der richtige Zeitpunkt?

Carolin Kebekus Mir macht beides riesigen Spaß und es tut mir einfach gut. Und was gut für mich ist, ist auch gut fürs Baby. Und mit Blick auf die Tour dachte ich auch, dass ich bis dahin abgestillt habe, der Vater aufpasst und es dann total easy ist.

Alles zum Thema Carolin Kebekus

Aber es kam anders?

Ja, ich habe nicht damit gerechnet, dass das Kind keine Flasche nimmt. (lacht) Aber es hat trotzdem gut geklappt, auch wenn es wahnsinnig anstrengend war. Nachts schlafe ich ja trotzdem nicht. Aber meine Crew ist eingesprungen, wenn es mal Betreuungsengpässe gab, und es war cool zu sehen, dass die Hälfte von denen Familienväter sind. Früher habe ich mit denen im Tourbus gesoffen, da waren sie schon cool, und jetzt sehe ich sie noch mal anders. Einige sind bestimmt nach Hause gegangen und haben zu ihrer Frau gesagt: „Wir könnten noch eins.“ (lacht)

Sie haben sich über die „Mütter-Bewertungs-Maschine“ beklagt und gesagt, dass Sie regelmäßig Kommentare bekommen, was Sie alles falsch machen. Warum können auch Sie als selbstbewusste Feministin sich davon nicht freimachen?

Ich nehme diese Kommentare nicht ernst, aber ich bin da schon unvorbereitet reingelaufen. Ich habe keine Ahnung gehabt von dem Druck, der auf Frauen ausgeübt wird, wenn sie Mutter werden oder es vorhaben. Das ist total abgefahren, wie viele Leute sagen: „Die soll abtreiben.“ Und wie viele Leute dazu eine Meinung haben, die vor allem darin besteht, dass auf keinen Fall die Frau selbst die Entscheidung treffen kann.

Wie erklären Sie sich das?

Es gibt bei manchen offenbar eine tief verwurzelte Angst vor der Macht einer Frau, Leben erschaffen zu können. Das ist wie in der Steinzeit, als Männer nicht wussten, wie sie daran beteiligt sind, dass dieses Kind auf die Welt kommt. Das ist natürlich gruselig, als wäre die Frau eine Gottheit, die aus dem Nichts Leben erschafft.

Kommen die Kommentare vor allem von Männern oder auch von Frauen?

Beides, aber es sind mehr Männer, die wirklich sauer werden. Aber wenn ich mir das Leben vorstelle von diesen Leuten, denke ich immer: Wer bist denn du? Du sitzt zu Hause in deiner Unterhose und schreibst einer schwangeren Frau, sie soll zu Hause bleiben? Die kümmert sich gerade um deine Rente. Irgendwann wird es lustig.

Machen Sie sich mit Blick auf diese „Mütter-Bewertungs-Maschine“ Gedanken, dass Ihre Rückkehr sieben Monate nach der Geburt andere Mütter unter Druck setzen könnte?

Warum wird das überhaupt bewertet, wie ich das mache? Es ist natürlich ein totales Privileg, dass ich arbeiten kann. Die meisten können so früh nicht wieder arbeiten, weil der Mann arbeiten geht und sie zu Hause bleiben müssen.


Es herrscht kurz Stille, als wäre die Verbindung unterbrochen, dann hört man Babyschreien. Carolin Kebekus entschuldigt sich, sie müsse kurz nach ihrem Baby schauen. Dann hört man sie in Babysprache ihrem Kind zureden, bevor sie wieder da ist. „Das war es wohl mit schlafen“, sagt sie lachend, bevor sie ihre Antwort fortsetzt.


Alles, was man als Mutter macht, wird bewertet, als hätte man ein Produkt für die Gesellschaft geschaffen und muss jetzt so agieren, wie es alle gern hätten. Das muss jeder selbst entscheiden. Mir würde es nicht gut gehen, wenn ich nicht das, was mir passiert ist im Wochenbett und bei der Geburt, im Programm hätte verarbeiten können.

Mit Blick auf Ihren Partner und Ihr Kind achten Sie sehr auf Privatsphäre, gleichzeitig speist sich Ihre Comedy natürlich aus privaten Erlebnissen. Wie entscheiden Sie, was Sie komödiantisch aufgreifen und was zu privat ist?

Es gibt klare Grenzen, dass ich etwa nicht über meine Beziehung spreche, keine Bilder vom Kind zeige oder das Geschlecht nicht verrate. Die Geschichten, die ich erzähle, könnten viele stillende Mütter erzählen. Das ist relativ übertragbar. Und wenn ich sage, wie ich im Wochenbett herumgelaufen bin, ist es trotzdem verpackt in eine Bühnengeschichte. Es ist zwar sehr intim, was ich erzähle, aber es weiß trotzdem jeder, dass es keine Selbstöffnung für mein Privatleben ist.

Wie viel private Carolin Kebekus sehen die Zuschauerinnen und Zuschauer also auf der Bühne?

Das bin immer ich, aber ich bin auf der Bühne ein bisschen selbstbewusster als im echten Leben. (lacht) Wobei ich jetzt meinen Zustand im Wochenbett schon sehr authentisch dargestellt habe, für viele vielleicht ein bisschen zu authentisch.

Was meinen Sie mit zu authentisch?

Ich rede über den Wochenfluss, über die riesigen Binden, die man bekommt, die Schmerzen, und wie schlecht es einem geht. Auf dem Weg zum Krankenhaus hat mir Hazel Brugger Bescheid gesagt, dass man nach der Geburt einen krassen Hormonabfall hat, von dem ich vorher noch nie was gehört hatte. Mir ging es richtig mies am Anfang.

Es ist doch aber gut, wenn jemand das auch mal anspricht.

Ja, es ist ein Widerspruch. Ich will niemandem Angst machen. Aber ich merke immer mehr, was andere Frauen ausgehalten haben, ohne darüber zu reden. Ich sehe auch meine Mutter mit anderen Augen, jetzt, wo ich weiß, dass man mit so einem Säugling froh ist, wenn man es schafft, sich eine Hose anzuziehen. Die tolle Fähigkeit von Frauen, alles aushalten zu können, könnte man auch mal durchbrechen. Aber die Gesellschaft erwartet von uns Frauen, dass wir das alles aushalten und Familien und die Gesellschaft zusammenhalten.

Immer wieder passiert es, dass Paare, die bis dahin eine gleichberechtigte Beziehung geführt und etwa den Haushalt fifty-fifty aufgeteilt haben, sich mit dem ersten Kind wieder Richtung alter Rollenbilder bewegen, weil es etwa doch einfacher ist, wenn der besserverdienende Mann mehr arbeitet als die Frau.

Der Staat macht das auch lukrativer. Und wir Frauen sind so erzogen, dass wir alles schaffen und können müssen. Man muss als Frau auch die Verantwortung abgeben können, wenn man sich die Care-Arbeit teilen will. Wie oft habe ich gehört: „Mein Mann packt einfach die Wickeltasche immer falsch.“ Dann macht er es halt falsch oder auf seine Weise, das muss man zulassen. Aber wenn man stillt, kann man sich mit seinen feministischen Idealen noch so auf den Kopf stellen, das Kind lässt sich dann nicht fifty-fifty händeln. Der Mann kann andere Aufgaben übernehmen, aber unsere Gesellschaft macht es einem noch ganz schön schwer.

Ist es auch Ziel Ihrer Comedy, die Menschen auf solche veralteten gesellschaftlichen Erwartungen aufmerksam zu machen?

Der feministische Faden zieht sich durch all meine Programme. Ich denke oft: Jetzt habe ich doch alles schon mal gesagt. Und dann werde ich Mutter und merke: Holy shit, das ist eine ganz neue Welt, wie bei einem Videospiel, wenn man eine neue Welt freischaltet. Das ist next level. Da ist es auch egal, wie bessergestellt man ist. Man kriegt es trotzdem mit und auch in einer privilegierten Beziehung fällt es einem schwer, alles gleich aufzuteilen.

Haben sich Ihre Comedy und Ihr Humor durchs Mutterwerden verändert?

Von den Themen her auf jeden Fall, aber beim Humor bin ich mir treu geblieben. Ich hatte Angst, dass ich aus hormonellen Gründen nur noch langweilige Jokes machen kann. Aber das geht noch alles. (lacht)

Wie wirkt sich das Muttersein auf die neue Staffel der „Carolin Kebekus Show“ aus?

Ich fühle mich jetzt tatsächlich gar nicht so sehr wie ein anderer Mensch als vorher. Wir werden wie gewohnt aktuelle Themen verarbeiten und meine ganz besondere Sicht darauf in den Fokus stellen.

Was im Spektrum des Mutterseins gibt für Sie am meisten Comedystoff her?

Stillen an sich ist total abgefahren und wie man auch als Mutter behandelt wird, wenn man öffentlich stillt. Ich dachte, das wäre ein Märchen aus den Siebzigern, dass Leute das scheiße finden.

Haben Sie das selbst erlebt?

Ja, vor einer Weile habe ich im Park gestillt und dann gehen Leute vorbei und machen so Geräusche. (macht empörte Geräusche nach) Das fand ich krass. Interessant ist auch, wie schnell man eine schlechte Mutter und wie wahnsinnig leicht man ein guter Vater ist. Ich habe einen ganz tollen Vater für dieses Kind, aber wenn meine Nachbarin mir sagt, dass er so ein toller Vater ist, weil sie ihn mit dem Kind spazieren gehen sieht, frage ich mich schon, warum Renate das daran festmacht. Gleichzeitig sagt dir als Mutter niemand ins Gesicht, dass man dem Kind eine Mütze anziehen sollte, sondern man sagt zum Kind: „Wer hat denn da keine Mütze an?“ Und ich werde dauernd gefragt, wo das Baby gerade ist, und wenn ich sage, dass es beim Vater ist, heißt es: „Du bist ja krass, dass du dich das traust.“ Moment mal, ich denke, das ist so ein toller Vater?

Das klingt skurril.

Es ist ja neu, dass Väter sich so kümmern. In meiner Generation waren die Väter noch anders. Mein Vater hat gearbeitet, den haben wir am Wochenende gesehen. Und wenn ich manchmal noch abends wach war, durfte ich noch mit ihm „Tagesschau“ gucken und habe voll gefremdelt. Das war selten, wenn der Vater mal gespielt hat mit den Kindern, vielleicht mal Fußball mit dem Sohn, aber dass sich einer mit seiner Tochter hingesetzt und Puppe gespielt hat – im Leben nicht.

Schon vor Ihrer TV-Rückkehr jetzt haben Sie die Babypause für die ARD-Aktion „#KINDERstören“ einmal unterbrochen. Was hat die Aktion gebracht?

Ich war total überrascht, dass „#KINDERstören“ so viel Anklang gefunden hat. Wir haben überwiegend positive Nachrichten bekommen, aber viele waren auch sauer, dass ihr „Tatort“ später losging. Das Thema an sich war nicht neu. Die Kindergrundsicherung, die wieder nicht geklappt hat, ist schon Teil des Koalitionsvertrags gewesen. Dass sich da nicht schon viel mehr Leute aufregen, ist verrückt. Das ist so ein krasses Versagen. Wir haben das Thema wieder ins Gespräch gebracht, aber geändert hat sich bisher nichts. Ich weiß nicht, ob die jetzige Regierung bis zu ihrem Ende noch was hinbekommt. Ich glaube es eher nicht.

Hat sich nach der Aktion niemand aus der Politik bei Ihnen gemeldet?

Nein. Ich habe gehört, dass manche es gelikt oder es eine „super Aktion“ genannt haben, aber es hat sich niemand gemeldet und gesagt: „Dann machen wir da jetzt mal was.“