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Judenfeindliche MotiveDie dunkle Seite des Kölner Doms

Lesezeit 3 Minuten

Zeugnis christlichen Antisemitismus': Am Kölner Dom findet sich diese Darstellung einer „Judensau“ an einem Chorpfeiler in 45 Metern Höhe in Form eines Wasserspeiers.

  1. Auf dem Kölner Dom befinden sich judenfeindliche Darstellungen: Eine besondere gibt es in 45 Metern Höhe.
  2. Domkapitel und Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit wollen sich dieser dunklen Seite stellen.
  3. Die Neuauflage des vor zehn Jahren veröffentlichten Domblatts beschreibt auf 260 Seiten die judenfeindlichen Darstellungen.

Köln-Innenstadt – Es sind zu Kunst und Stein gewordene Erinnerungen an den glühenden Hass der Christen auf Juden über Jahrhunderte. An zahlreichen Gotteshäusern finden sich antijüdische Darstellungen – und rund ein Dutzend am Dom. Zum Beispiel eine „Judensau“. Das Domkapitel und die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit wollen sich dieser dunklen Seite der Kirchengeschichte verstärkt stellen – gerade wegen des damit verbundenen Antisemitismus. Und mit Blick auf das Jahr 2021: Dann wird der 1700-jährigen Präsenz der Juden in Deutschland und nördlich der Alpen gedacht.

Als ersten Schritt präsentierten der Kölner Domkapitular und Weihbischof Rolf Steinhäuser, Jürgen Wilhelm als Vorsitzender der Kölnischen Gesellschaft sowie der Ehrenpräsident des Zentral-Dombau-Vereins, Michael H.G. Hoffmann, die Publikation „Der Dom und die Juden“. Die Neuauflage des vor zehn Jahren veröffentlichten Domblattes beschreibt auf 260 Seiten die judenfeindlichen Darstellungen an und in der Kathedrale. Denn diese könnten ja „nicht einfach mit Hammer oder Säge vernichtet werden“, sagte Steinhäuser.

Die Dokumentation stelle einen „Akt der heilenden Erinnerung“ dar und damit einen wichtigen Schritt auf die jüdische Gemeinde, so der Bischofsvikar für den interreligiösen Dialog. Er stellte klar, dass die katholische Kirche ihre Haltung zu den Juden beim Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) völlig revidiert habe.

Antjüdische Darstellungen in 45 Metern Höhe

Die antijüdischen Tendenzen der mittelalterlichen und späteren Darstellungen sind für den Laien kaum erkennbar. Das Motiv der „Judensau“, bei der Juden an einem als unrein geltenden Schwein saugen, ist noch am ehesten als diskriminierendes Artefakt auszumachen. Am Kölner Dom findet sich eine solche „Judensau“ an einem Chorpfeiler in 45 Metern Höhe in Form eines Wasserspeiers. Auch im Chorgestühl tauchen solche Darstellungen in zwei Reliefszenen auf.

Das Chorgestühl zeigt einen Juden, der sich an einer Sau labt.

Selbst an dem Herzstück der Kathedrale, dem 1225 vollendeten Dreikönigenschrein, lässt sich ein judenfeindliches Motiv entdecken. In einer Geißelungsszene tragen zwei Henkersknechte Judenhüte. Damit nicht genug. Auch ihre karikaturhaft verzerrten Gesichtszüge sollen sie als bösartige Gegner Christi abstempeln. Das jüngste antijudaistische Werk stammt aus dem Jahr 1880, eine Skulptur im Michaelsportal an der Nordseite des Doms.

Es benötigt schon viel Hintergrundwissen, um den gegen die Juden gerichteten Subtext zu verstehen. Die Figur zeigt den Märtyrer Werner von Oberwesel. Dessen Hand ruht auf einer überquellenden Winzerbütte, die nicht nur Wein und Blut symbolisiert, sondern auch den – nach damals verbreiteter Auffassung von Juden verschuldeten – blutigen Kreuzestod Christi. Eher ungeplant haben sich aus nationalsozialistischer Zeit Spuren an der Kathedrale festgemacht. Steinmetze haben sich laut Dombaumeister Peter Füssenich auf eigene Initiative hin mit fünf bis zehn Hakenkreuzen verewigt, die sie in Ersatzsteine eingearbeitet haben.

Weitere Maßnahmen geplant

Damit diese Geschichte nicht in Vergessenheit gerät, planen Domkapitel und Kölnische Gesellschaft weitere Maßnahmen. Über die vom Dombau-Verein finanzierte Dokumentation hinaus soll es demnächst spezielle Führungen zum Thema antijüdische Artefakte geben; die Domführer sollen dafür eine entsprechende Ausbildung erhalten. Weiter in Planung: ein Flyer und eine Ausstellung. Gerade in heutiger Zeit müssten die Zusammenhänge zwischen Antijudaismus und Antisemitismus offengelegt werden, so Wilhelm. Denn Judenfeindlichkeit sei „in erschreckender Weise“ wieder aktuell in der deutschen Gesellschaft.

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Einen besonderen Vorschlag machte der Theologe Bernd Wacker. Als früherer Leiter der Kölner Karl-Rahner-Akademie hatte er eine Tagung organisiert, die sich mit den antijüdischen Darstellungen am Dom befasste und Grundlage für die Publikation war. Aus seiner Sicht hat jedes Jahrhundert mit Kunst das Verhältnis zwischen Christentum und Judentum kommentiert. Nun sei es an der Zeit, 80 Jahre nach der Schoah wieder ein neues Werk zu entwickeln, um das – neue – Verhältnis zum Judentum zu beschreiben. (kna)