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Neues Kölner MuseumSo soll das Museum Selma aussehen – Hallen Kalk sollen sich Stadtteil öffnen

Lesezeit 4 Minuten
Der Eingangsbereich des neuen Museum Selma soll offen gestaltet sein: Die Industriehalle bleibt erhalten, neue Elemente ergänzen in Holzbauweise den Innenraum.

Der Eingangsbereich des neuen Museum Selma soll offen gestaltet sein: Die Industriehalle bleibt erhalten, neue Elemente ergänzen in Holzbauweise den Innenraum.

In der Halle 70 in Kalk soll das neue Museum Selma voraussichtlich 2029 öffnen. Die Siegerentwürfe stehen nun fest.

Eine orangene Plastikwanne diente einem eingewanderten griechisch-orthodoxen Priester als mobile Taufwanne, weil es noch keine Kirche gab. Ein selbst genähtes Kleid steht für die Flucht einer aus Togo stammenden Frau.

Diese und weitere Dinge aus der rund 150.000 Objekte umfassenden Sammlung des Domids (Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland) sollen bald ein neues Zuhause in der Halle 70 auf dem ehemaligen Werksgelände der Klöckner-Humboldt-Deutz AG im Rechtsrheinischen bekommen.

Und dieses Zuhause wird nun sehr konkret: Am Donnerstag präsentierte Domid zusammen mit dem Architektenbüro Atelier Brückner aus Stuttgart die Siegerentwürfe. Visualisierungen zeigen, wie die Hallen 70a und 70b zu einem Ort der Erinnerung und Begegnung verwandelt werden sollen. Die Architekten haben sich mit ihrer Idee nach einem europaweiten Vergabeverfahren gegenüber zwölf weiteren Wettbewerbern durchgesetzt.

Museum Selma in Köln-Kalk soll 2029 öffnen

Die Jury hatte als Vorgaben die Öffnung zum Stadtteil, Nachhaltigkeit, Partizipation und Digitalität genannt. Der Architektenwettbewerb wurde im vergangenen Jahr ausgelobt. „Wenn alles nach Plan verläuft, kann der Bau 2027 beginnen“, sagt Sprecher Timo Glatz. Die Eröffnung sei für 2029 geplant.

Derzeit befinde man sich noch in der Entwurfsplanung, die zum Ende des Jahres abgeschlossen sein soll. Dann erst wird es einen Kostenplan geben. Nun beginne die Arbeit zwischen dem Generalplanungsteam und den Kuratoren.

44 Millionen Euro Kosten geplant

Das Museum wird zu gleichen Teilen vom Bund und vom Land NRW finanziert. Die Investitionskosten gab Domid zuletzt mit rund 44 Millionen Euro an.

Damit es nun weitergehen kann, war auch der Beschluss des Stadtrates von Anfang April notwendig: Drei der Hallen sollen teilweise abgerissen und zu Freilufthallen geöffnet werden (wir berichteten). „Das ist eine wichtige Entscheidung gewesen, da an der Halle 71 der Eingangsbereich entstehen soll“, sagt Glatz. Die Planung zur Umgestaltung der Halle 71 und deren Finanzierung übernimmt die Stadt Köln.

Die Entwürfe von Atelier Brückner sind da.

Die Entwürfe von Atelier Brückner sind da.

Ökologische Bauweise in der Halle 70

Die 1913 bis 1916 errichteten Hallen Kalk erzählen Industriegeschichte: Hier wurden Motoren produziert. Diese Vergangenheit dient als Ausgangspunkt für den Entwurf. So viel wie möglich zu erhalten sei aber auch nachhaltig.

Heißt: Indem Außenwände und Kranbahnen etwa in die Umgestaltung mit einbezogen werden, spare man Energie, die ökologisch bewusste Bauweise sei eine Denkweise, sagt Michel Casertano von Atelier Brückner. Die Architekten richten sich nach den städtischen Leitlinien zum Klimaschatz bei Bauvorhaben.

Die Entscheidung, ob man für das Heizen letztlich auf Solarenergie oder Fernwärme zurückgreift, werde erst in den kommenden Phasen entschieden. Durch die Dämmung des Dachs sowie transparente Trenn-Elemente zwischen den Bereichen, sollen einzelne Räume besser temperiert werden können, erklärt Casertano. Denn die Grundeigenschaft des Museums Selma sollen Offenheit und Luftigkeit sein.

Es soll eine öffentliche, durchlässige Passage durch die beiden Hallen (70 und 71) geben. Auch der Eingangsbereich des Museums soll offen gestaltet sein. Auf Treppenstufen soll man verweilen können, es gibt Raum für Veranstaltungen.

Im Zusammenspiel mit der Halle 71 sollen so viele Flächen entstehen, die nicht dem Konsum unterworfen sind. Menschen aus dem Veedel können hier einfach verweilen, im Sinne der Idee des Museums als „Dritten Ort“ – ganz ohne Ticket.

Museum Selma: Dauerausstellung mit Chronologie und Konzepträumen

Der Kern der Dauerausstellung besteht dabei aus einer kreisförmigen Präsentation, die in Dekaden unterteilt ist und chronologisch die Geschichte der Migration seit 1945 erzählt. Von diesem Kreis aus geht es zu sechs sogenannten Konzepträumen, die Metathemen wie Liebe, Objekte oder Alltag behandeln.

Am Beispiel Liebe zeigt Atelier Brückner, wie das konkret mit dem Aspekt der Migration verknüpft werden soll. Es gibt eine Station zu binationale Ehen, Stichwort bürokratische Hürden, zu Liebe auf Distanz: Gastarbeiter mussten auch schonmal ohne ihre Kinder in ein anderes Land ziehen, die Kinder wurden später geholt. Oder zur queeren Liebe. Die gesamte Ausstellung ist partizipativ ausgerichtet und lädt zum Mitmachen ein.

Daueraustellung: Chronologie der Migrationsgeschichte seit 1945 in einem Kreis nach Jahrzehnten gegliert.

Daueraustellung: Chronologie der Migrationsgeschichte seit 1945 in einem Kreis nach Jahrzehnten gegliert.

Wohlfühlort im Konzeptraum Liebe mit Sofas und Pusteblumen-Installation

Wohlfühlort im Konzeptraum Liebe Pusteblumen-Installation

Dieses Museum sei angesichts der dauerhaft erhitzten und problemzentrierten Debatte um Migration notwendig, sagte Domid-Geschäftsführer Robert Fuchs. „Wir machen hier kein Museum für Migrantinnen und Migranten, sondern für alle.“

In der deutschen Erinnerungskultur seien Stimmen und Perspektiven von vielen Menschen außen vor gelassen worden; ein multiperspektivisches Geschichtsbild solle die starre Gegenüberstellung von „Wir“ und „Die“ aufbrechen. „Wir sind de facto eine Einwanderungsgesellschaft und das Museum Selma soll zum friedlichen Zusammenleben beitragen.“