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Wagen im RosenmontagszugDer Zug vor dem Zug fuhr im Morgengrauen durch Köln

Lesezeit 4 Minuten
03.03.2025
Köln:
Rosenmontagszug:
Am frühen Morgen transportiert das Festkomitee Kölner Karneval alle Fahrzeuge des Rosenmontagszugs aus der Wagenhalle des Haus des Karnevals  in die Südstadt. Reportage über den „Zug vor dem Zug“.
Foto: Martina Goyert

Die Persiflage-Wagen warten in der Wagenhalle am Maarweg auf ihren Einsatz.

Damit der Rosenmontagszug um 10 Uhr an der Severinstorburg starten kann, muss in der Nacht ein Rädchen ins andere greifen.

Am Bonner Wall, wo sich zwei Stunden später die Wagen des Rosenmontagszugs aufstellen, werden um 4.30 Uhr im Akkord Autos abgeschleppt. Taxi-Fahrer Hakan berichtet auf dem Weg zum Haus des Kölner Karnevals am Maarweg von einer ruhigen Nacht. „Donnerstag Katastrophe, heute Nacht nix los“, sagt er. „Heute Abend wieder Katastrophe.“

In der Wagenhalle steht um 4.50 Uhr in Jeans und Warnweste Zugleiter Marc Michelske. Gemeinsam mit Hallenchef Harald Michael koordiniert er wie ein Tetris-Profi die Abfahrt der Mottowagen Richtung Südstadt. Es riecht nach Diesel, die Traktoren manövrieren die Persiflage-Wagen in festgelegter Reihenfolge auf den Maarweg, wo eine Motorradflotte der Polizei die Wagen Richtung Südstadt eskortiert. Der Zug vor dem Rosenmontagszug gleitet fast ungesehen durch die Nacht.

Nach all den Strapazen, die unsere Gesellschaft durchgemacht hat, wollen wir heute einfach friedlich und ausgelassen feiern
Zugleiter Marc Michelske

Michelske und Michael sind bei Minus zwei Grad cool und entspannt. „Die Schull- und Veedelszöch waren überwältigend und so soll es heute weitergehen, alles ist angerichtet“, sagt Michelske, der 2019 Prinz Karneval war und als Zugleiter jetzt „mehr Verantwortung, aber die gleiche Freude“ spürt. „Nach all den Strapazen, die unsere Gesellschaft durchgemacht hat, wollen wir heute einfach friedlich und ausgelassen feiern.“

03.03.2025
Köln:
Rosenmontagszug:
Am frühen Morgen transportiert das Festkomitee Kölner Karneval alle Fahrzeuge des Rosenmontagszugs aus der Wagenhalle des Haus des Karnevals  in die Südstadt. Reportage über den „Zug vor dem Zug“.
Foto: Martina Goyert

Ein Zoch im Morgengrauen.

Dafür muss schon vor Sonnenaufgang am Maarweg ein Rädchen ins andere greifen. Um 5.10 Uhr ist der Ablauf leicht in Verzug – einer von 50 Traktorfahrern hat sich verspätet, „er ist aber jetzt da, es gibt keine Probleme“, sagt der 76-jährige Harald Michael, der wie ein Fels in der Halle steht, die Wagenliste abarbeitet, beim Ankuppeln der Wagen hilft, telefoniert, funkt, funktioniert. „In meinen 19 Jahren als Leiter der Halle ist ein einziges Mal ein Traktor stehengeblieben – und das war zum Glück auf dem Rückweg vom Zug.“

03.03.2025
Köln:
Rosenmontagszug:
Am frühen Morgen transportiert das Festkomitee Kölner Karneval alle Fahrzeuge des Rosenmontagszugs aus der Wagenhalle des Haus des Karnevals  in die Südstadt. Reportage über den „Zug vor dem Zug“.
Zugleiter Marc Michelske und 
Harald Michael ,Wagenhallen- Leiter
Foto: Martina Goyert

Zugleiter Marc Michelske und Wagenhallen-Leiter Harald Michael koordinieren die Ausfahrt der Persiflage-Wagen.

Rosenmontagszug in Köln: Traktoren mit Liebesbotschaften

Die Traktoren, die draußen Schlange stehen, bilden einen Demonstrationszug der Liebe – getreu dem Sessionsmotto „FasteLOVEnd – wenn Dräum widder blöhe“ haben sie Liebesbotschaften plakatiert – Sandkastenliebe, Liebesentzug, Liebesgrüße aus Moskau, Jesus loves you  – oder, im Fall von Thorsten Hunolds Traktor: Bye Bye my Love. Passender Weise hängt Harald Michael ihm den Persiflage-Wagen der im Herbst scheidenden Oberbürgermeisterin Henriette Reker an. Die grüßende OB, die nicht bewältigte Großprojekte wie Oper, Schulen, Großmarkt oder historische Mitte im Schlepptau hat, hinter ihr Schäl, der nicht durchblickt.

Früher hat mein Vater hier die Fahrzeugeinteilung gemacht, ich fahre seit 30 Jahren Traktor im Rosenmontagszug
Thorsten Hunold (50)

„Früher hat mein Vater hier die Fahrzeugeinteilung gemacht“, sagt der 50-jährige Thorsten Hunold, „ich fahre seit 30 Jahren einen Traktor des Rosenmontagszugs – und gehe natürlich nicht am Abend vorher feiern.“ Alkohol ist für alle Fahrer strikt untersagt. „Versteht sich von selbst.“

Um 7.15 Uhr steht Hunold mit seiner Reker-Zugmaschine schlotternd vor dem Chlodwigplatz. „Frieren gehört dazu“, sagt er tapfer. „Die Sonne kommt hoffentlich bald.“

03.03.2025
Köln:
Rosenmontagszug:
Am frühen Morgen transportiert das Festkomitee Kölner Karneval alle Fahrzeuge des Rosenmontagszugs aus der Wagenhalle des Haus des Karnevals  in die Südstadt. Reportage über den „Zug vor dem Zug“.
Thorsten Hunold 1.Wagenfahrer
Foto: Martina Goyert

Thorsten Hunold zieht seit 30 Jahren mit seinem Traktor einen Wagen.

Marc Michelske hat um 8 Uhr die Narrenkappe aufgezogen und gibt erste Interviews vor der Severinstorburg. Studentinnen und Studenten der Sporthochschule bauen ihre Big-Jeck-Puppen mit Konterfeis der großen Karnevalsgesellschaften auf, die seit zwei Jahren auf dem Rosenmontagszug für Entzücken sorgen. Die Funkentöter, die traditionell die Vorhut des Zugs mit seinen rund 12.500 Teilnehmern bilden, trudeln ein, an der Severinstraße werden die ersten Fässchen angeschlagen.

03.03.2025
Köln:
Rosenmontagszug:
Am frühen Morgen transportiert das Festkomitee Kölner Karneval alle Fahrzeuge des Rosenmontagszugs aus der Wagenhalle des Haus des Karnevals  in die Südstadt. Reportage über den „Zug vor dem Zug“.
Christoph Kuhl im Wagen Der Zoch kütt
Foto: Martina Goyert

Christoph Kuhl fährt den Wagen „D'r Zoch kütt“. Ein Karnevalsjeck ist er nicht.

Christoph Kuhl, der den D’r-Zoch-kütt-Traktor am Anfang des Zugs steuert, ist als einer der ersten an der Severinstorburg gewesen. Der gelernte Schlosser, der in einem Autohaus arbeitet, war schon vor 3 Uhr am Maarweg, wo wenige Stunden zuvor der letzte Persiflage-Wagen mit Friedrich Merz fertiggestellt worden war.

Als Marc Michelske den Zug für eröffnet erklärt, fährt Kuhl als Erster durch die Torburg. Wenn das Spektakel vorbei ist, wird er am Abend wieder zum Haus des Karnevals fahren, um die Persiflage-Wagen zentimetergenau an ihre Plätze in der Halle zu navigieren. Die Halle verlassen wird er als Letzter. „An selber feiern ist an so einem Tag also nicht zu denken“, sagt Kuhl, der seit 15 Jahren im Rosenmontagszug mitfährt. „Für mich ist das aber ok: Ich bin zum Glück kein Karnevalsjeck!“