200 Jahre Kölner Karneval - 200 Jahre Frohsinn pur? Mitnichten: Hier kommen die größten Skandale, Pleiten und Pannen aus dem Fastelovend.
200 Jahre nicht nur FrohsinnZoten, Zoff und „Sieg heil“ – Die größten Skandale im Kölner Karneval
Die Session ist im vollen Gange, Kölns Jecke sind glücklich, endlich wieder ohne Beschränkungen feiern zu können. Es läuft einfach – auch das Dreigestirn macht eine gute Figur. Aber das war nicht immer so: Manchmal ist selbst im Kölner Karneval Schluss mit lustig. Wir haben mal im Archiv geschaut und die größten Skandale sowie Pleiten, Pech und Pannen aus 200 Jahren zusammengetragen.
Dass im Kölner Karneval nicht alles rund läuft, mussten die Jecken schon im 19. Jahrhundert erfahren. Gleich mehrmals fiel der Rosenmontagszug nach Gründung des Festkomitees (FK) 1823 aus.
Zum Beispiel 1833: Grabenkämpfe innerhalb des FK sorgen dafür, dass der Rosenmontagszug abgesagt wird. 1842 ist der interne Knatsch erneut so groß, dass der Zoch ausfällt. Die Uneinigkeit im Festkomitee eskaliert, sodass 1844 und 1845 zwei parallel laufende Züge stattfinden. Erst 1846 findet wieder ein gemeinsamer Zug statt.
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Karneval in Köln: Saalpublikum ruft „Sieg heil“
1851: Die immer schärferen preußischen Vereins- und Versammlungsgesetze führen dazu, dass die Verantwortlichen den Karneval 1851 vorsichtshalber ausfallen lassen; auch 1852 fällt der Zug „wegen anormalischer und in polizeilicher Hinsicht nicht unbedenklicher Lustbarkeit“ der preußischen Zensur zum Opfer.
Der Erste Weltkrieg und die Weltwirtschaftskrise, gefolgt vom Zweiten Weltkrieg, lähmen oder bringen das jecke Treiben ganz zum Erliegen. Dass der Nationalsozialismus auch knapp 30 Jahre nach Kriegsende in vielen Köpfen noch verankert ist, zeigt sich 1973.
Kabarettist Jonny Buchardt, der Onkel der Schauspieler Ben und Meret Becker steigt in die Bütt und lässt das Publikum Sprüche vollenden: Erst „Zicke-zacke-zicke-zacke: hoi, hoi, hoi!“ Dann: „Hipp, hipp - hurra! Und auf „Sieg“ brüllt der Saal „heil“. Burchardt hat es geschafft, jene Jecken auflaufen zu lassen, die das braune Gedankengut offenbar noch immer in sich tragen. Buchardts Mutter ist übrigens die Schauspielerin Claire Schlichting, die im Krieg in der Widerstandsbewegung tätig war.
1983: Drei Tage vor der Proklamation macht der designierte Prinz Rudi I. einen Rückzieher. Ihm wurden falsche Abrechnungen bei Kurzzeitarbeitern in seinem Unternehmen vorgeworfen.
1986: Helmut Lengert ist erst wenige Tage als „Jungfrau Helmi“ im Amt, als es zu Handgreiflichkeiten mit einem Pressefotografen kommt. Wenig später muss er zurücktreten.
Köln-Rodenkirchen: Schwule Jungfrau muss zurücktreten
Der Kölner Stadtteil Rodenkirchen hat ein eigenes Dreigestirn. 1996 stellt sich heraus, dass die Jungfrau Männer liebt. Es brodelt im Veedel. Das Festkomitee versucht zu vermitteln – vergeblich, die schwule Jungfrau muss ihren Hut nehmen. Heute unvorstellbar.
Für gleich mehrere Skandale haben die Jecken der Stunksitzung gesorgt: 1992 nennt Kabarettist Jürgen Becker den Kölner Kardinal Meisner ein „Arschloch“. Bei der Ausstrahlung der Aufzeichnung im WDR wird das Wort elektronisch übertönt.
1993 gibt es eine Anzeige, weil in einer Stunksitzung ein Kruzifix mit der Aufschrift „Tünnes“ gezeigt wird. Es folgen weitere Anzeigen, der WDR übt mehrfach Selbstzensur, indem er bei Fernsehübertragungen der Stunksitzung bestimmt Inhalte nicht gesendet hat. Zum Beispiel den Sketch „Ratze und Meise“: 2006 werden Papst Benedikt XVI. und Kardinal Joachim Meisner als Schwule im Bett dargestellt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt sogar zeitweise.
1999: Das Reiterkorps Jan von Werth soll das Dreigestirn stellen (Günter Clotten als Prinz, Rüdiger Becker als Bauer und Heinz Wittemann als Jungfrau). Kurz nach Bekanntgabe werden Betrugsvorwürfe gegen Clotten öffentlich. Er verzichtet daraufhin auf sein Amt, seine Mitstreiter zeigen sich solidarisch und ziehen ihre Kandidatur ebenfalls zurück. Die Vorwürfe gegen Clotten stellen sich einige Monate später als falsch heraus.
Karneval in Köln: Prinz Karneval muss sich Unterleibs-Operation unterziehen
An seine Stelle tritt Kurt Richter von der KG Uhu. Doch mitten in der Session fällt er plötzlich für mehrere Wochen aus. Grund ist ein nicht näher erläutertes Problem mit der Strumpfhose. Richter hat so heftige Schmerzen, dass er sich in der Urologie des Krankenhauses Holweider einer Unterleibs-Operation unterziehen muss.
2004: Das Festkomitee Kölner Karneval verbietet den Kölsch-Rockern von Brings, den Song „Poppe, kaate, danze“ auf seinen offiziellen Sitzungen zu spielen. Offizielle Begründung: Sexismus. Die Empörung ist nicht nur unter den Musikern groß, denn viele Herrensitzungen sind voll mit sexistischen Inhalten – an denen sich das Festkomitee nicht stört.
Karnevalssongs von Brings, Höhnern und Bläck Fööss sorgen für Ärger
Ebenfalls 2004 veröffentlichen die Höhner das Lied „Kutt erop“: Kutt erop, kutt erop! Dä Palm dä hätt en Pief jestopp, en Pief su jross wie en Bloomevaas – met Jras.“ Drogen im Karneval? Auch das geht einigen Brauchtumshütern zu weit. Und ein weiterer Zoff entzündet sich 2004: Die Bläck Fööss laden mit ihrem „Kradechor“ alle Krade in die schönste Stadt am Rhein ein. Das treibt dem damaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma die Sorgenfalten auf die Stirn: Auf der Prinzenproklamation bittet er den Bauern, ihn bei der Verteidigung gegen die Krade zu unterstützen. Schramma versteht unter dem Wort Krade „Pöbel“ – für die Fööss ist es ein Kosename für einen echten Kölschen.
2005 probiert sich Schauspielerin Isabel Varell als Rednerin im Karneval. Der Versuch endet im Eklat: „Meine Freundin hat sich die Lippen aufspritzen lassen, jetzt kriegt sie keine Hose mehr zu.“ Nach diesem Satz wird sie vom damaligen Chef der Ehrengarde, Reiner Benner, von der Bühne katapultiert. Varells Manager sagt später: „Sie wird im Fasteleer jetzt definitiv nicht mehr auftreten. Sie hat das unterschätzt. Die Anforderungen sind ganz andere als im Showgeschäft.“
Noch mal die Stunksitzung: 2012 fährt Jesus in einem Sketch auf einem Elektroroller mit einem Kreuz auf der Schulter grinsend zu seiner Kreuzigung. Dazu läuft der Song „Always look on the bright side of life“. Die Katholische Kirche spricht von einem Skandal, wenn Kabarettisten die zentrale Glaubensgestalt der Christen „in sinnfreien Klamauk“ einbeziehen. Auch der Katholikenausschuss der Stadt Köln übt heftige Kritik. Der WDR streicht die Nummer aus der Aufzeichnung.
2022: Nach den Restriktionen während der Corona-Pandemie ist der Besucherandrang am 11.11. im Kölner Uni-Viertel so groß wie wohl nie zuvor. Die Stadt sperrt das Veedel weitläufig ab, es gibt nur wenige Zugänge. An einem dieser entsteht das spätere Skandal-Video: Zu sehen ist ein Ordner, der die Feiernden gegen Eintritt passieren lässt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.