Lachende KölnarenaDie größte Sitzung der Welt findet wieder statt
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Köln – Auf den Augenblick freut sich Daniela Lenzhölzer jedes Mal, seit vier Jahren: „Wenn die Luftballons am Ende herunterkommen, das sieht so schön aus.“ Doch auf diesen Moment wird die Bonnerin noch einige Stunden warten müssen, denn noch sind die 4000 bunten Ballons in vier großen Netzen fest unter der Decke der ausverkauften Lanxess-Arena verankert, wo die Lachende Kölnarena am Wochenende in ihre 52. Session gestartet ist. Ob Piraten, Einhörner, einsame Jawas aus Star Wars oder eine Horde leuchtend-grüner Tinkerbells aus Peter Pan: Zehntausend Jecke aus ganz Deutschland sind nach Deutz geströmt, um gemeinsam zu feiern.
Daniela Lenzhölzer und ihre Bonner Connection haben sich als Schneeköniginnen verkleidet. Schnell ein paar Selfies und kontrollieren, ob die Vorräte aus Blätterteigschnecken, Frikadellen und Käsewürfeln stimmen. Die Kostüme sind selbstverständlich auch selbst gemacht: „Was Gekauftes wollen wir nicht.“ Seit September haben sich die Frauen, die sich alle bei der Arbeit in einem Bekleidungsgeschäft kennengelernt haben, dazu regelmäßig getroffen. Wo der filigrane silber-glitzernde Kopfschmuck herkommt? „Weihnachtsdeko“, lacht Lenzhölzer.
Mehr als 10.000 Pittermännchen
Während auf der Bühne das Programm losgeht und sich die Jecken warmschunkeln, kaufen die letzten noch schnell ein Pittermännchen. Guido Keimer und Thorsten Reusch ist die undankbare Aufgabe zugefallen, das 10-Liter-Fässchen zu holen: die Gruppe aus Herzogenrath wartet schon sehnsüchtig auf das Bier. Zumindest die Männer: „Die Frauen trinken etwas anderes“, meint Thorsten Reusch etwas abfällig, „Desperados.“ Würde er nie trinken. Lieber „echtes“ Bier.
So wie er denken viele Besucher – mehr als 10.000 Pittermännchen gehen bei allen 13 Veranstaltungen der Lachenden Kölnarena über die Theke. Hinzu kommen an die 4000 Flaschen Sekt und knapp 7000 Würstchen – für die, die sich nichts von zu Hause mitgebracht haben.
Trauma muss verarbeitet werden
Auf der Bühne reißt Bauchredner Klaus Rupprecht mit seiner Puppe Willi Witze. „Welche Stadt suche ich, wenn ich nach einem Gebetshaus für Sexsüchtige frage? Geilenkirchen.“ Das Publikum lacht. Auch Daniela Jaeger lacht mit, wenn auch etwas gezwungen. Die 30-Jährige kommt nämlich aus Geilenkirchen. Vor zehn Jahren ist sie nach Köln gezogen, hat dort ihre große Liebe Vanessa kennengelernt. Mittlerweile ist das Paar verheiratet und heute zum ersten Mal auf der größten Sitzung der Welt.
Die beiden Wahlkölnerinnen tun sich noch etwas schwer mit Karneval. „In meiner Heimat haben sie mir mal ein Karnevalszelt direkt vor die Haustür gestellt“, erzählt Daniela Jaeger, als Lieutenant Uhura aus Star Trek verkleidet – ihre bessere Hälfte geht als Mister Spock. Karnevalsmusik rund um die Uhr, „das war wie eine Anti-Therapie“. Das Trauma muss erst verarbeitet werden, die beiden Star-Trek-Fans geben sich redlich Mühe. Vielleicht hilft ja auch die Flasche Jägermeister, die sie im Korb dabeihaben.
Mahnende Worte trotz Ausgelassenheit
Micky Brühl Band, Domstürmer und eine Tanzgarde heizen den Jecken mächtig ein. Doch trotz aller Ausgelassenheit finden auch mahnende Worte Gehör. Bernd Stelter lässt sich ein politisches Statement nicht nehmen. Er habe ein Regal aus Schweden, er fahre gerne nach Holland und habe sich eine Schweizer Uhr gekauft, erklärt er. Seine Botschaft: „Das ist Europa. Ohne Grenzen.“ Am 24. September sei Bundestagswahl: „Für uns darf es keine Ausreden geben“, ruft er in die Arena, 10000 Menschen antworten mit Applaus in ohrenbetäubender Lautstärke.
Halbzeit: Der Boden ist mit Konfetti bedeckt und klebrig. Auch bei Petra Sieger-Milges und ihren Meerjungfrauen ist eine Flasche Sekt zu Bruch gegangen. Das ist der 46-Jährigen sehr unangenehm. „Passiert doch aber schon mal, oder?“, fragt sie peinlich berührt. Ihren Vorrat schmälert das kaum. Noch 19 Flaschen Sekt sind da, der selbst gebraute Rhabarberschnaps ist angebrochen.
Die 15 Mönchengladbacherinnen haben sich ordentlich was vorgenommen, schon nachmittags ging es los. Seit mehr als zehn Jahren wird zur ersten „Lachenden“ ein Bus gemietet, die Kostüme sind selbstverständlich selbst gemacht. Petra Sieger-Milges hat sie alle allein genäht, die Frauentruppe ist ihr unendlich dankbar. In die blauen Plüschschals sind Lichterketten eingenäht, auch vom anderen Ende der Arena ist die Gruppe deutlich zu erkennen. „Das ist ein toller Tag im Jahr für uns“, schwärmt die Gruppe. „Und dass man das Essen mitbringen kann, ist toll“, ergänzt Sieger-Milges. Das relativiere den Eintrittspreis ab 35 Euro aufwärts, findet die 46-jährige.
Extra aus Thüringen angereist
Eine Schar Pusteblumen sticht aus der Menge heraus. Da wurden Ikealampen in Einzelteile zerlegt und zu Perückenschmuck umfunktioniert. Ramona Sauer und Jeanette Uhlworm sind mit Freunden extra aus Thüringen angereist. Vor einem Jahr waren die Schwestern das erste Mal hier. „Das Ambiente, die Stimmung“, schwärmt Ramona Sauer. Und wenn man schon mal in Köln ist, nimmt man am nächsten Tag noch einen „Bodyguard“-Besuch mit.
Die Bläck Fööss stehen auf der Bühne: „Am Bickendorfer Büdche“, ein Klassiker. Das Publikum tobt. Die Lichterketten der Meerjungfrauen aus Mönchengladbach schwirren wie Glühwürmchen auf und ab, die Stimmung ist richtig gut. Ob der selbst gebraute Rhabarberschnaps schon alle ist? Als mit „Du bes die Stadt“ etwas fürs Herz kommt, sieht man die Lichterketten mit der Menge im Takt hin und her wiegen. Sie sind nicht nur Deko, sondern auch praktisch: „So findet man seine Gruppe immer schnell wieder“, verrät Ober-Meerjungfrau Petra Sieger-Milges schmunzelnd.
Die Sektflaschen leeren sich, die Stimmung steigt. Cat Ballou rocken die Halle, auch Kasalla, Räuber und Brings, die das Finale einläuten. Dann endlich: der Luftballon-Regen. Schneekönigin Daniela Lenzhölzer wird begeistert sein. Und vielleicht nächstes Jahr wiederkommen, mit Blätterteigschnecken, Käsewürfeln und Sekt.