Umjubelte Premiere der Puppensitzung 2023: Das Kölner Hänneschen-Theater registriert die Zeitenwende, vollzieht sie aber noch nicht komplett.
Kölner Hänneschen-TheaterPuppensitzung zwischen Gendern und Zeitenwende
Schon der Auftakt deutet auf Veränderung: Erstmals bei einer Puppensitzung zieht das Ensemble durch den Saal des Hänneschen-Theater ein, folgt seiner neuen Intendantin Mareike Marx, die bei der Begrüßung der Gäste betont, die Sitzung sei „zusammen im Team entstanden.“ Offenbar will man die Querelen der Vergangenheit vergessen machen.
Der Vorhang geht auf, und es gibt den ersten Applaus für das Bühnenbild, dass hinter einer Deutzer Kulisse aus Kneipe und Gründerzeithäusern den Blick freigibt auf ein minimal verändertes Kölner Panorama mit Dom und Altstadt, Deutzer Brücke und Musical-Dome sind aus ästhetischen Gründen geschlabbert worden. Hier beginnt der Rosenmontagszug zum 200. Geburtstag des organisierten Karnevals und die Knollendorfer singen „Schäl Sick“ von den Bläck Fööss: „Hey Kölle, pass op! Jetz ändert sich die Zick. Düx kütt üvver Kölle, jetz es et bahl esu wick.“
Der omnipräsente Ludwig Sebus darf singenderweise den Zugweg ablaufen („Lauf ens vun Düx noh Kölle,/ de Botteram em Sack./ Mer kummen an em Helle,/ doch sin de Fööss och platt.“), während Tünnes und Köbeschen auf dem „Köbeswääch“ (hochdeutsch Jakobsweg) von Brauhaus zu Brauhaus pilgern.
Der Zeitenwende beugen muss sich notgedrungen auch Sitzungspräsident Schäng Heukeshoven, der dem „Hellige Zinter Gender“ beim Begrüßen der Gäste Tribut zollt: „Leev Impfskeptiker und innen, leev intolerante Fußfetischisten, Atheisten und Veganer innen, leev muslimische Standardtänzer, leev katholische Brüder und innen im Nebel, liebe in Düsseldorf geborene und Flüchtlinge aus der Eifel, leev Lappeclowns met un ohne Migrationshintergrund…“ Der Szenenapplaus ist ihm sicher.
Richtig peppig geraten die Auftritte der Ajuja-Partei. Zänkmanns Kätt und Köbeschen im rosa Kleid ziehen mit einem Riesen-BH am Einkaufswagen als „Feministische Volksfront Knollendorf“ durch Deutz, rufen zum zivilen Ungehorsam gegen die Männer auf und lassen nicht mit sich diskutieren. Schäng: „Ävver Köbeschen, du bess doch ’ne Jung.“ Köbeschen: „Do häs m’r janix ze sage.“
Dann bitten sie ihre Wählerinnen im Saal um Unterstützung, sie sollen bei frauenfeindlichen Witzen laut „Buh“ rufen. Zänkmanns Kätt gibt ein Beispiel: „Wat zeich m’r ’ner Frau, die zwei Johr unfallfrei jefahre es? D’r zweite Gang.“ Die „Buh“-Rufe werden zum Running Gag des Abends.
Nur der Schäng zeigt sich unbeeindruckt und will nur einen „Memmefänger“ abgreifen. Er ist zwar durchaus politisch („Im Bundestag sitzen jede Menge Leute, die brauchen keine Laktose für Intoleranz.“), aber eher konservativ unterwegs, sein Humor ist oft altbacken und unemanzipiert. Solange der Schäng als betonender Kontrast etwa zur Ajuja-Partei benutzt wird, ist das nachvollziehbar und lustig, aber im zweiten Teil gerät dann die Sitzung doch sehr oft sehr zotig.
Die ollen Witze der Putschblos mag man durchgehen lassen, aber wenn dann auch noch die Fuzzies einen frühpubertären Furz-Song trällern, ist das genauso überflüssig wie die Rede von Manni, dem Kehrmännchen („Schlimm, ne!?“). Da weht der Muff der Sechziger durchs Theater und man wundert sich nicht, dass die Plätze des einzigen U30-Pärchens im Saal nach der Pause leer bleiben.
Sehr unterhaltsam auch für TV-Abstinenzler gerät die „Bares für Rares“-Persiflage, in der Röschen mal eben die Blootwoosch verhökern will. Da es sich um ein Original von 1802 handelt „mit Bissspuren von Ostermann und Millowitsch“, taxiert die „Expertöse“ die Flönz auf 1000 Euro. Frechheit siegt und das Röschen jubiliert. Vielleicht sollte das freche Ding den Schäng zum Jubiläum ablösen: 2024, wenn das Theater 222 Jahre alt wird, könnte ein gutes Jahr für die weibliche Revolution werden –Ajuja und Alaaf!
Weibliche Revolution 2024?
Eine Zeitenwende erkennt auch Scully, das Skelett. „Bangemache is jetz anjesaat“ schlottert es angesichts von Krieg und Energiekrise und wünscht sich eine WG-Partnerin für die Gruft, um nicht mehr allein zu sein mit ihrem „ärme Dier“. Die findet es in der Mumie Mimi und singt herzzerreißend „Wat dat jot deit“ nach dem Sonny&Cher-Song „I got you, babe“.
Überhaupt ist die live gespielte Musik der Hänneschen-Band ein unverzichtbarer Teil der Puppensitzung, egal ob beim wunderbaren, total defragmentierten Bläck-Föss-Medley, das dem mitsingwilligen Publikum erst beim Abschlussrefrain Erlösung schenkt, beim Tanz-Potpourri der Hellige Knäächte un Mägde oder Schmal&Stoppes „Kumm mer singe Alaaf“ nach. Alles in allem eine überzeugende Ensemble-Leistung, die das Publikum zu Recht feierte.
Puppensitzung 2023, Hänneschen-Theater, Eisenmarkt, Innenstadt, Termine bis 18. Februar. Es gibt noch Restkarten zu je 31 Euro. Mehr Informationen finden Sie auf unter www.haenneschen.de.