Die alternative Karnevalsveranstaltung „Deine Sitzung“ feierte in Köln Premiere. Es begann mäßig, bis sich das Ensemble richtig heiß lief – und auch über Frauen im Dreigestirn sprach.
Premiere von „Deine Sitzung“Mirja Boes über weibliches Dreigestirn: „Das ist für mich wie Nutella im Mett!“
Beim Blick in den Klettenberger Brunosaal fühlte man sich am Freitagabend in eine andere Zeit versetzt. „Deine Sitzung“ feierte unter dem Motto „Das Mett der 20er“ Premiere – und das Publikum hatte sich kostümtechnisch entsprechend angepasst. Männer – und Frauen! – erschienen mit Hosenträgern, Schiebermützen oder Zylindern, Frauen – und Männer! – in paillettenbesetzten Kleidern, mit Federn im Haar. Zusammen begab man sich auf eine Zeitreise, gespickt mit traditionell viel Mett, gut aufgelegten Gästen und einem Ensemble, das sich im Laufe des Abends warm spielte.
Erste Nummer des Abends zündet nicht richtig
Sollten Sie noch einen Besuch bei „Deine Sitzung“ planen, holen Sie am besten in den ersten 15 Minuten nochmal eine Runde Kölsch, gehen nochmal eine rauchen, stellen sich nochmal kurz an der Toilette an. Sie werden (noch!) nicht viel verpassen – nach dem ersten Viertel der Sitzung werden Sie den Saal allerdings nicht mehr verlassen wollen.
Im ersten Stück des Abends begeben sich Sitzungspräsident Ebasa, der Meister, und Sitzungspräsidentin Mirja Boes im Jahr 1923 auf die Suche nach dem neuen Star am Sitzungshimmel und schaffen einen Gründungsmythos für „Deine Sitzung“. Das Fundament ist – klar, Brötchen, Zwiebel und Mett – doch braucht es auch noch das geeignete Personal auf der Bühne.
Zum Casting geladen werden daher Persönlichkeiten wie Albert Einstein, Bertolt Brecht oder Josephine Baker, aber auch Adolf Hitler. Das zündet nicht wirklich, und wenn man über alles und alle Witze machen will, braucht es bissigere Pointen. Josephine Baker sei für eine Schwarze Tänzerin „blass“, Adolf Hitler sehe aus wie der Bruder von Charlie Chaplin und wird lediglich mit einem „Hau ab“ abgelehnt. Naja.
Dann geht es aber erst so richtig los, und „Ebasa Lindbergh“ und „Marlene Boes“ begrüßen das Publikum.
„Deine Sitzung“ beschäftigt sich mit Frauen im Dreigestirn
Alles gehe gerade den Bach runter, was kann da helfen? „Der Karneval! Wer lacht, baut keine Scheiße – oder hat den Putin schon mal jemand lachen gesehen?“, fragt Ebasa. Von Spott verschont die alternative Sitzung den Karneval deshalb trotzdem nicht. Und widmet sich einem Thema, das aktuell wieder an Schwung gewonnen hat: dem weiblichen Dreigestirn.
Die Roten Funken hätten eine weibliche Beteiligung ja ins Gespräch gebracht (wir berichteten) – und doch stellten sie in diesem Jahr das Dreigestirn, ganz ohne Frau. „Ist das etwa nur ein Schamlippenbekenntnis gewesen?“, scherzte Boes. „Haben die Angst, dass Frauen am Zoch ihre Rosenmontage bekommen?“ Selbst zeigte Boes sich nicht als Verfechterin eines diversen Dreigestirns. „Ich bin dagegen. Das ist für mich wie Nutella im Mett!“
„Warum darf niemals nie 'ne Frau ins Dreigestirn?“
Die Rolle der Frau im Karneval zieht sich trotzdem durch den Abend, auch in der Rede von Ebasa, dem Meister. Da die Menschen in Scharen aus der Kirche austreten würden, leide die Gesellschaft an religiöser Unterversorgung. In diese Lücke müsse „Deine Sitzung“ treten – schließlich habe man bereits eine Prozession (Rosenmontagszug), Heilige (Dreigestirn), ein Osterfeuer (den Nubbel), und Frauen hätten im Karneval auch nichts zu sagen.
Und ob Boes Frauen im Dreigestirn tatsächlich für Nutella im Mett hält, wird spätestens im hervorragenden „Zukunfts-Mettley“ fraglich. So singt sie dort: „Ach dürft' ich nur ein einzigmal, Prinzessin sein im Karneval, warum darf niemals nie ne Frau, ins Dreigestirn, das wär doch schlau. Das wär so wunder- wunderschön…“
„Deine Sitzung“ nimmt nach der ersten Dreiviertelstunde so richtig Fahrt auf. Dafür sorgen Gäste wie Ralf Senkel und Jan van Weyde, der von einer denkwürdigen Weiberfastnacht von 2002 erzählt – derb, originell, urkomisch – oder der fantastische Krätzjersänger Philipp Oebel, der den kompletten Saal zum Schunkeln und Mitsingen bringt. Und auch die männliche Cheerleader-Gruppe Pink Poms begeistert.
Im zweiten Teil der Sitzung folgt ein Highlight auf das nächste. Mirja Boes referiert über unerfüllbare Schönheitsideale für Frauen. Spray Tan sei „eine Autolackiererei für Frauen“. Und warum man beim Brazilian Waxing einen Landing Strip, „eine Pommes“, stehen lässt, versteht sie auch nicht. „Wenn es bei dir zugeht wie am Flughafen brauchst du den vielleicht, aber sonst?“
Boes, Ebasa und das „Orchester der Liebe“ mit Udo Schild und Till Kersting wissen auch musikalisch zu überzeugen. Das bereits erwähnte „Zukunfts-Mettley“ sticht heraus, Kersting steht als „Mett Guy“ (Bad Guy/Billie Eilish) nur in Morgenmantel und Unterhose auf der Bühne und Schild gibt die „Mett Machine“ (Sex Machine/James Brown). Die beste Nummer des Abends kommt aber von Ebasa, dem Meister, selbst. Auf dem Alphorn spielt er, mitten aus dem Saal heraus, „Nie mehr Fastelovend“ – so etwas gibt es nur bei „Deine Sitzung“. Eine Premiere, die sich nach lauem Start heiß spielte – und wieder zu überzeugen wusste.
Karten für „Deine Sitzung“ gibt es im Brunosaal noch für den 15. und 22. Januar, für die Sitzungen in den Balloni-Hallen noch für den 2. Februar (mit Jürgen Becker als Gastpräsident), den 3. und den 5. Februar. www.deine-sitzung.de.