Er gilt als einer der besten Redner im Kölner Karneval: „Blötschkopp“ Marc Metzger. Nach einem Corona-Break ist er zurück in den jecken Sälen der Stadt. Wir haben mit dem 49-Jährigen gesprochen.
Kölner Karnevalsstar„Blötschkopp“ Marc Metzger ist wieder da
Herr Metzger, Sie waren rund zweieinhalb Jahre weg von der Bühne…
Marc Metzger: Ja, nicht ganz weg, aber es war sehr marginal. Ich hatte drei Auftritte in dieser Zeit.
Wie geht es Ihnen damit?
Das war nicht schön. Man fängt schon an, an sich zu zweifeln: Ist das relevant, was ich da mache? Die Kollegen und ich, wir waren ja nicht systemrelevant, auch wenn ich denke, dass wir das sind. Ich spüre das jetzt, die Leute brauchen uns und nehmen das an. Wir geben ihnen die Chance zur Flucht aus dem Alltag ohne selbst die Augen zu verschließen vor dem, was um uns herum passiert. Das war schon immer so. Die Menschen wollen sich ablenken.
Aber wenn du so runtergefahren wirst von täglich auftreten auf null, dann fragst du dich schon, ob das alles so richtig ist mit deinem Beruf. Da fehlen jetzt zweieinhalb Jahre im Lebenslauf – allen. Ob dass die jungen Leute sind, die ihre Pubertät und die Partys verpassen, oder die älteren, die keinen Zugang zur Öffentlichkeit mehr hatten. Eine schlimme Zeit.
Wird man da lethargisch?
Anfangs habe ich gedacht, du hast ja jetzt Zeit. Die Tour fällt aus, dann schreibst du, machst die Platte fertig. In der Straße, wo ich wohne, leben viele Künstler. Also nicht aus dem Karneval, die machen ganz andere Dinge. Aber alle hatten irgendwann das gleiche Problem: Wofür? Es wurde immer schlimmer, es war kein Ziel mehr in Sicht. Dann schreibst du nicht, sondern machst so ein Dauerchillen. Ich habe sämtliche Hobbys ausgeübt, die ich habe.
Zum Beispiel?
Ich baue leidenschaftlich gerne Weihnachtskrippen. Dann bin ich der Kartenzauberei verfallen. Aus Langeweile. Meine Frau hat mir einen Kartentrick geschenkt, und das ist exzessiv geworden. Ich bin jetzt im Besitz mehrerer hundert Kartentricks. Ich setze das jetzt auch auf der Bühne ein, also nicht im Karneval, aber es wurde sozusagen eine Fortbildung. Dann habe ich viel im Tonstudio gehangen, das hab ich ja auch mal studiert, aber so nach einem Jahr kommt auch da der Punkt, dass du denkst, das wolltest du doch eigentlich als Rentner machen. Das ist unbefriedigend. Ein komisches Gefühl: Jeden Tag Sonntag, und du kannst tun und lassen, was du willst, verlierst aber die Lust daran, weil es eigentlich eine Freizeitbeschäftigung ist. Der Grat war schmal.
Jetzt sind Sie vor Weihnachten als Gast bei den Weihnachtskonzerten der Paveier aufgetreten, die Zuschauer haben Sie gefeiert.
Ja, das tut gut. Das tut mir gut, den Kollegen gut und auch den Zuschauern gut. Natürlich bleiben Stühle leer, weil es Menschen gibt, die sich nicht trauen, zu kommen. Aber man merkt, wie lebenserfüllend unser Job ist. Das war schon sehr leise zwischendurch.
Und ausgerechnet vor Weihnachten wurde es wieder laut…
Schön! Ich habe ja Weihnachten immer etwas gemacht. Das hat unheimlich viel Spaß gemacht, wieder rauszukommen und zu spielen. In Hallen, Sälen, Theatern, Kirchen. Man merkt, der Beruf ist doch nicht so verkehrt. Das war schön, wieder rein zu kommen in die Geschichte.
Man hat das Gefühl, dass die Menschen, die vor Ort sind, auch besonders euphorisch sind.
Wer jetzt rausgeht, der will. Der hat’s vermisst und will. Wie gesagt, ich verstehe auch die, die zu Hause bleiben. Ich habe ja auch vermieden, was zu vermeiden war. Wenn du in unserem Beruf nicht kommst, kriegst du auch kein Geld, das kenne ich gut genug. Wenn du dir als Freiberufler was fängst, ist das doof. Ich war schon immer vorsichtig die letzten zehn Jahre, das kennt man ja. Händeschütteln sowieso nicht, das soll nicht unhöflich sein, aber die Hauptarbeitszeit ist eben die, wo ansteckungsmäßig alles rumgeht. Jedes Jahr. Im Winter werden die Leute krank, ich bin einfach vorsichtig.
„Political Correctness“ wird in der Öffentlichkeit immer wichtiger. Man kann nicht mehr alles sagen. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Ein spannendes Thema, mit dem ich mich schon lange auseinandersetze. Es ist ein zweischneidiges Schwert. Ich bin eigentlich der Clown mit dem Spiegel, der Narr. Das ist die Rolle, die der „Blötschkopp“ verkörpert. Ich mache ja keine politischen Themen, ich mache Blödsinn. Ich werde jetzt 50 und habe 50 Jahre gesprochen, ohne jemandem weh zu tun, und bekomme jetzt aus tausend Ecken gesagt: „Das war aber falsch.“ „Das kann nicht sein.“ „Das geht gar nicht.“ Klar hat sich die Zeit verändert, und ein paar Sachen akzeptiere ich, aber es ist doch die Aufgabe von Kabarett und Humor, manche Sachen zu überspitzen. Man muss das differenzieren.
Hätten Sie ein Beispiel?
Wenn ich als Krippenbauer an die Sternsinger denke, war Melchior für mich immer ein edler Mann, der zum Gratulieren nach Bethlehem gekommen ist. Ein edler schwarzer Mann. Und das stellen die Kinder voller Wertschätzung dar. Das sollte man ihnen nicht verbieten, denn es hat mit Black Facing nichts zu tun. Beim Black Facing werden auch Gesichter geschwärzt, aber oft grotesk überzeichnet. Es geht zurück auf die US-amerikanischen „Minstrel Shows“ des 18. und 19. Jahrhunderts, in denen weiße Menschen auf der Bühne eine Figur mit dunkler Haut darstellten und sie dadurch abwerteten – das ist rassistisch.
Die Session steht an. Wie viele Auftritte haben Sie?
Das geht in die Hunderte. Ich gucke gar nicht. Wenn man sich das Terminbuch ansieht und feststellt, was vor einem liegt, bekommt man zu viel Respekt vor der Aufgabe (lacht). Ich feiere diese Jahr Jubiläum: 33. plus anderthalb, aber die Streichjahre zählen nicht.
Also Ihre Rede steht?
(lacht) Nee, nee, die Rede steht nie. Die entsteht traditionell erst nach Weihnachten. Das Material liegt hier, aber ich kann da erst später ran. Das nennt man Prokrastination (wissenschaftliche Bezeichnung für pathologisches Aufschiebeverhalten, Anm. der Red.) Ich hatte auch für letztes Jahr eine Rede, die habe ich mir gerade noch mal durchgelesen. Schon krass, was seitdem alles passiert ist. Wie die Welt noch vor einem Jahr war und wie sie jetzt ist.
Kann man denn davon noch etwas benutzen?
Natürlich gibt es Sprüche und Gags, die immer noch funktionieren, aber beim Lesen dachte ich, irgendwie war das letztes Jahr. Fangen wir doch noch mal von vorne an. Ich bin so ein Zetteltyp. Notizen auf Einkaufszettel, wenn mir gerade was einfällt. Wenn ich das noch lesen kann – meine Sauklaue hat mich schon den einen oder anderen Gag gekostet.
Wann ist der erste Auftritt?
Am PriPro-Wochenende. Wenn wir einen Prinz haben, ist Karneval. Bei der Proklamation bin ich diesmal nicht dabei. Ich habe das gefühlt die letzten 20 Jahre gemacht. Da muss auch mal Abwechslung rein. Die PriPro ist ja die am heißesten diskutierte Veranstaltung überhaupt in Köln. Ich habe da ein paar schöne Erfolge gefeiert.