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Unsere jecken RoyalsWarum das Dreigestirn den Kölnern so heilig ist

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Volksnahe Regenten: Das Dreigestirn – hier das Trifolium 2019  – bei der Karnevals-Umfrage Jeck-Check.

  1. Warum lieben die Kölner ihr Dreigestirn so sehr?
  2. Brauchtumsexperte Wolfgang Oelsner, der die Ergebnisse unserer Karnevals-Umfrage „Jeck-Check” bewertet, hat dafür eine einfache Erklärung.
  3. Ganz ohne Risiken ist sie allerdings nicht.

Köln – Ist das zu verstehen? Da wurde in unserer Republik die Monarchie vor hundert Jahren abgeschafft, und Köln rühmt sich gar seit der Schlacht von Worringen, 1288, eine residenzfreie Stadt der Bürger zu sein. Und nun das: Jeck-Check, eine nicht repräsentative Umfrage unter rund 8000 Lesern des „Kölner Stadt-Anzeiger“ und Nutzern von ksta.de, hat ergeben, dass keine Traditionsform im Kölner Karneval in allen Altersgruppen konstant so hohe Zustimmungsraten findet wie jener Tross, der in einer Hofburg residiert und mit Zeremonienmeister (Prinzenführer), Wache und Hoffriseur Glanz in die bürgerlichen Säle bringt: das Kölner Dreigestirn.Logisch klingt das nicht. Eher psycho-logisch.

Heute erklärt die Psychologie, wovon Märchen einst kündeten: von der Sehnsucht nach dem guten Herrscher. Der weiß einfache Antworten auf die komplizierten Fragen des Lebens. Das Verständnis von Karneval als „Fest der verkehrten Welt“ meint auch die Vereinfachung der Welt. Prinz Karneval (Held oder König hieß er früher) ist eine idealtypische Projektionsfläche für den allzeit großzügigen und lebensfrohen Herrscher. Bauer und Jungfrau verkörpern die nicht minderen Werte Stärke, Standhaftigkeit und – na ja – auch Anmut.

Die Sehnsucht nach Leitfiguren ist verständlich, in der realen Welt aber nicht ungefährlich. Die Geschichte ist voll von Beispielen, wo Menschen sich mit „Kamelle un Strüßjer“ locken ließen und sich in langjähriger Knechtschaft wiederfanden. Im jecken Spiel hingegen ist die Sehnsucht nach der Lichtgestalt risikofrei. Sie erfreut, will aber nicht ernst genommen werden. Em nächste Johr jit et ’ne neue Prinz. Und im Gegensatz zu realen Königshäusern verschlingt der Hofstaat keine Steuergelder. Die „Herrscher auf Zeit“ bezahlen den Glanz aus eigener Tasche.

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Wolfgang Oelsner

Wie aber passt die hohe Akzeptanz des Dreigestirns zur durchgehend schlappen Wertschätzung der Prinzenproklamation? Um die 8,6 Prozent dümpelt ihre Zustimmung unter den befragten Kölnerinnen und Kölnern. Höher wird auch der Prozentsatz jener nicht sein, die je Gelegenheit hatten, eine Pripro zu erleben. Für die allermeisten bleibt sie ein „closed shop“. Das Dreigestirn hingegen bekommt jeder, der will, auch kostenfrei zu sehen.Die Umfrage bekräftigt eindrucksvoll: Karneval ist ein Fest des Mitmachens und der Gemeinschaft. Und Lieder sind sein wichtigstes Medium.

Singen rangiert vor allen anderen Aktivitäten als „das Schönste am Kölner Karneval“. Ähnlich belebend wie einst der Push durch die Bläck Fööss wirkt hier seit 20 Jahren der Impuls von „Loss mer singe“. Bei den unter 55-Jährigen gehört die Mitsing-Bewegung zu den am meisten genannten Aktivitäten bei der Einstimmung in den Karneval.

Hingegen scheinen alternative Formate junge Menschen weniger zu erreichen. Holten sie nach Gründung der Stunksitzung vor 36 Jahren viele zurück, die sonst „nit för Koche“ Karneval hier geblieben wären, so werden, laut Umfrage, sie und ihre Fans nun gemeinsam alt. Die 21- bis 35-Jährigen unter den Befragten entscheiden sich doppelt so häufig für traditionelle und Veedels-Formate. Die unter 21-Jährigen tun dies sogar rund dreimal öfter.

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Doch Vorsicht! Die Umfrage ist nicht repräsentativ. Die Prozentangaben sagen nur etwas über die Proportionen unter den Befragten, also nicht in der Bevölkerung insgesamt, aus. Teil nahm, wer teilnehmen wollte – und wer sich über das Medium Lokalpresse erreichen ließ. Vor allem von den nur 115 Rückmeldungen aus der Altersgruppe bis 21 (1,5 Prozent aller Befragten) lässt sich nichts verallgemeinern.Müssen wir uns öm d’r Zoch sorje?

Rosenmontagszug lediglich im Mittelfeld

Bei der Frage nach dem „Schönsten am Kölner Karneval“ rangiert der Rosenmontagszug lediglich im Mittelfeld, hinter den Stadtteilumzügen. Bei den 21- bis 55-Jährigen noch hinter dem Sitzungskarneval. Bei den Schull- un Veedelszöch sind die Ergebnisse noch magerer. Auch die Stimmen der Auswärtigen reißen da nichts nach oben. Über Vermittlung und Wahrnehmung lohnt hier nachzudenken. Als mal ein Karnevalsbuch für Touristen ins Englische übersetzt wurde, machten sich Profis viele Gedanken, wie denn „d’r Zoch kütt“ zu übersetzen sei. Heraus kam „the parade is coming“. Sprachlich brauchbar – doch „unsere Zoch“ eine „Parade“?

Mehrfach dokumentiert die Umfrage Generationenunterschiede. Aber auch Generationenwechsel? War es je anders, als dass Jüngere mehr tanzten und Ältere lieber zuhörten? Ältere feiern auch im Karneval verhaltener, besonnener, auch mahnender, Jüngere expansiver, draufgängerischer, gerne unbegrenzt („Sommerkarneval“) – das alte Spiel.

Als „Fest des kontrollierten Kontrollverlusts“ beschrieb die französische Deutschlandkorrespondentin Cécile Calla ihr hiesiges Karnevalserlebnis. Ein schmaler Grat. Ein Witz von Willibert Pauels trifft ihn so: „Kommt die Leidenschaft zur Tür herein, springt der Verstand aus dem Fenster.“ Und die Selbstkontrolle wird noch dünner, wenn Alkohol hinzukommt.

Kölner sind für Narrenfreiheit

Für solche Verletzbarkeiten des Fests wurde die Gesellschaft sensibler. Auch für die Verletzbarkeit des Einzelnen im Fest. „Saufexzesse“ beklagen alle ab 35 Jahren aufwärts gleich stark. Doch von den unter 21-Jährigen fühlt sich lediglich ein Drittel durch „betrunkene Kinder und Jugendliche genervt“. Trauen sie der eigenen Altersgruppe etwa so viel Suff nicht zu? Sicherlich haben sie andere Wahrnehmungen und Trennschärfen als Sechzigjährige, die nervt das zu 58 Prozent.Stabil und auch altersübergreifend auf hohem Niveau ist die Zustimmung zur Narrenfreiheit. Rund 80 Prozent wollen, dass Redner sie nutzen.

Und drei Viertel aller Befragten (Jüngere etwas weniger) wollen bei der Kostümwahl sich nicht von „political correctness“ leiten lassen. Übelwollendes lässt sich davon nicht ableiten, wenn Karneval für mehr als die Hälfte der unter Dreißigjährigen zugleich Ausdruck einer „bunten, kreativen und toleranten“ Stadt ist. Zwei Drittel aller Befragten sehen ihn als Imagegewinn für Köln.

Karnevals-Traditionen erhalten Zuspruch

Mit dem „Sommermärchen“ der Fußball-WM 2006 schwand der einstige Reflex, Deutschlandfähnchen-Schwenken als Hang zu nationalistischer Gesinnung zu interpretieren. Auch karnevalistische Traditionen, etwa klassische Sitzungen oder Korps, erhalten heute Zuspruch, der vor Jahren noch überrascht hätte. Heute steht der Zuspruch neben dem Bekenntnis zu Vielfalt und Buntheit.

Gegensätze nicht als Widerspruch zu begreifen, ist eine Chance der Brauchkultur. Sie kann integrieren. Für deren hässliche Nebenwirkungen sind die Feiernden nicht blind. Suff und Übergriffigkeit wird deutlich beklagt, und über den „Müll nach Karneval“ empören sich vor allem die Jungen. Ein Gespür für „gutes Benehmen“ ist da.

Allerdings verlockt das „Fest der verkehrten Welt“ zur Grenzüberschreitung. Und dann ist es mit unseren Idealen – von „kognitiver Diskrepanz“ spricht die Psychologie – wie mit der Straßenverkehrsordnung. Täglich verstoßen wir gegen sie. Aber wehe, wir hätten sie nicht!