In Bergisch Gladbach bewahrt Familie Strünker die ausgedienten Ornate der Tollitäten auf. Das älteste stammt von 1966
KarnevalDie Heimat der Bergisch Gladbacher Ornate

Hier ist immer Karneval: Familie Strünker bewahrt Ornate für die Bergisch Gladbacher Dreigestirne auf: Heino und Margit Strünker mit ihren Töchtern Eva (helles Oberteil) und Viviana
Copyright: Guido Wagner
Von wegen, am Aschermittwoch ist alles vorbei. Bei Familie Strünker in Bergisch Gladbach-Hand ist der Glanz des Karnevals das gesamte Jahr über zu Hause und die Session erst wirklich zu Ende, wenn die Tollitäten ihr prunkvolles Ornat zurückbringen – im Fall des Dreigestirns der zurückliegenden Session ist das an diesem Montag (31. März).
Denn im Hause von Heino und Margit Strünker ruhen mehr als 50 Ornate von Bergisch Gladbacher Prinzen, Bauern und Jungfrauen und warten auf einen möglichen weiteren Einsatz – soweit dies die teils historischen Stoffe und Gestaltungen der prunkvollen „Amtsbekleidungen“ noch zulassen.
Liebevoll bewahren und pflegen der Prinz des Jahres 1993 und die Jungfrau von 2007 mit ihren Töchtern Eva und Viviane Ornate, deren älteste aus dem Jahr 1958 stammen. „Damals war noch das alte Bergisch Gladbacher Stadtwappen darauf“, sagt Heino Strünker und zeigt auf dem Jungfrauen-Ornat aus dem Jahr 1958 die Papierrolle im unteren Teil des Stadtwappens.
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Das veränderte Wappen
Mit der Gründung der neuen Stadt Bergisch Gladbach aus den vormals selbstständigen Städten Bergisch Gladbach und Bensberg im Jahr 1975 trat an die Stelle der Gladbacher Papierrolle der Hirschkopf aus dem vormaligen Bensberger Wappen, die Zinnen wanderten vom Wappenhaupt in die Mitte und auch der Löwe im oberen Wappenschild veränderte sein Aussehen. „Ja, die Ornate erzählen auch eine ganze Menge über die Stadtgeschichte“, sagt Heino Strünker. Vor rund 20 Jahren haben er und seine Frau Margit die Aufgabe der Ornatshüter von seinem Onkel Ernst Strünker übernommen.
Viele Tollitäten in der Familie
Die Strünkers sind eine regelrechte Tollitäten-Familie. 1954, da war Heino Strünker gerade mal vier Jahre alt, war sein Onkel Willi Prinz im Bergisch Gladbacher Dreigestirn, 1970 Onkel Ernst, von dem er später die Ornatesammlung übernahm. 1993 folgte Heino Strünker selbst als Bergisch Gladbacher Prinz, 2007 Margit Strünker als Jungfrau im Gladbacher Trifolium. „Seitdem Michael Hiltscher 2006 Prinzenführer wurde, wurde jedes Jahr ein Ornat angeschafft“, erzählt Strünker.
Als Zweitornat für den Notfall oder etwa für einen Karnevalszug bei schlechtem Wetter, wird seitdem stets ein Ornat aus dem Fundus auf die neuen Tollitäten angepasst. Am Montagabend kommen in einer kleinen Feier auch die kunstvoll neu gefertigten „Amtskleider“ von Prinz Christian I. (Althaus), Bauer Michael (Schlaeger) und Jungfrau Steffi (Stephanie Müller) ins Strünkersche Ornate-Magazin.
„Die meisten Ornate haben wir von Jungfrauen“, sagt Margit. Das liege daran, dass diese genauestens auf die jeweilige Figur zugeschnitten werden müssten und sich nicht so leicht auf eine andere Figur anpassen ließen, erklärt Viviane. Das aufwendigste Ornat ist das des Bauern, das der Amtsinhaber der zurückliegenden Session daher auch schonmal vorab zur Präsentation in den Strünkerschen-Ornateschatz gebracht hat.
Die Last des Bauern
„Das sind auch schon einige Kilo, die der Bauer inklusive dem schweren Hut mit den Pfauenfedern zu tragen hat“, sagt Margit Strünker anerkennend und erläutert die einzelnen Ornatteile des Bauern: vom gleichwohl nicht mehr aus Metall bestehenden Kettenhemd, übers besondere Beinkleid, das an den Schuhen festgeklettet wird, bis zu Oberteil, breitem Gürtel mit Tasche und dem Dreschflegel, der nicht als Arbeitswerkzeug, sondern durchaus als Verteidigungswaffe und Ausdruck der Wehrhaftigkeit des Bauern zu sehen ist.
Eine Session ist bei Strünkers erst dann zu Ende, wenn auch die Ornate des traditionell an Veilchendienstag entkleideten Dreigestirns in den Fundus eingegliedert sind, was im Fall des in der vergangenen Session amtierenden Trifoliums am heutigen Montag im Rahmen einer kleinen Feier vollzogen wird. „Erst dann verschwindet auch dieser Kleiderständer wieder aus dem Wohnzimmer“, sagt Heino Strünker und schaut die ordentlich auf Bügeln ruhenden Ornate an der Kleiderstange hinunter.
Im Zwirn an der Haustür
Dabei war Heino Strünker Anfang der 90er Jahre fürs höchste Karnevalistenamt der Kreisstadt gefragt worden, obwohl er zuvor gar nicht im organisierten Karneval zu Hause gewesen sei, erinnert er sich. Er habe lediglich den damaligen Prinzenführer Gerd Kombüchen vom Bauen gekannt, und Prinzengardist Menno Keppel aus dem Kegelclub. „Aber dann standen die beiden eines Tags in feinem Zwirn vor der Tür“, erinnert sich Strünker.
Und dann unterstützte auch noch Heinos Frau Margit das Anliegen der beiden – und alle Faktoren stimmten. „Familie, Große Gladbacher und mein Berufspartner, mit dem ich damals eine Expertenagentur leitete, waren dafür – nur ich war dagegen“, erinnert sich Heino Strünker schmunzelnd, wie daraufhin auch noch Brauchtumsvater Franz Heinrich Krey und Peter Müller von der Großen Gladbacher bei ihm aufliefen und ihn zu überzeugen versuchten.
„Franz Heinrich sagte mir: Du bist unverbraucht und du kannst Kölsch sprechen.“ Dass er am Ende „ja“ sagte und mit Bauer Jürgen Arnold und Jungfrau Erna Klum eine faszinierende Session gestaltete und erlebte, hat er nie bereut.
Und dass er durch die Ornate jedem Dreigestirn besonders verbunden sein dürfte, sei auch eine besondere Ehre, sagt er, und freut sich nicht nur auf das Treffen an diesem Montagabend, sondern auch schon darauf, wenn in einigen Wochen die nächsten angehenden Tollitäten zum Anprobieren ihrer Zweitornate vorbeikommen. Bei Strünkers gilt eben stets auf ganz besondere Weise: Nach der Session – ist vor der Session.
„Ein Ornat ist eine festliche Amtstracht, die von kirchlichen oder weltlichen Herrschern getragen wird“, erläutert Heino Strünker den grundlegenden Unterschied zu einem „Kostüm“. Insofern erkennt man in der Session direkt, wer die närrischen Oberhäupter einer Stadt sind. „Aber es heißt ja auch immer: Dreigestirn ist man nicht nur eine Session, sonder bleibt man ein Leben lang“, sagt Heino Strünker.

Die Abzeichen für die Dreigestirne werden beim Fischessen am Aschermittwoch überreicht
Copyright: Guido Wagner
„Und woran erkennt man das?“ Seit Heino Strünkers Amtszeit 1993 an einer kleinen vergoldeten Nadel, die der Bergisch Gladbacher den scheidenden Tollitäten traditionell beim Fischessen der Großen Gladbacher KG am Aschermittwoch überreicht. Eine Tradition, die heute nicht mehr wegzudenken ist aus dem Karneval. Beim diesjährigen Fischessen verlieh Heino Strünker mit seiner Familie die goldenen Nadeln – wegen Amtsausfällen in der Golfkriegs- sowie der Corona-Zeit – an das 30. Dreigestirn und freut sich, welch hohes Ansehen das dezente Abzeichen hat. „Ein Ornat kann man nur einmal tragen“, sagt er, „die Nadel aber bis ans Lebensende.“