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„Kölsche Sprache stirbt langsam aus“Wicky Junggeburth präsentiert elfte Staffel seiner Zeitreise durch Kölner Nachkriegskarneval

Lesezeit 3 Minuten
Wicky Junggeburth beim Singen auf der Bühne

Seit seiner Zeit als Prinz Karneval ist Wicky Junggeburth (hier im Januar 2023) auf der Bühne zu Hause.

Im Herbst startet bereist die elfte Staffel der Vortragsreihe „Der kölsche Fastelovend der Nachkriegszeit“ im Brauhaus Sion.

Mit seiner „Wickymedia“ könne er problemlos noch jahrzehntelang sein Programm weiterführen. 5800 Stunden kölschen Fastelovend habe Wicky Junggeburth in seiner privaten Sammlung: von „D’r Verdötschte“ Karl Küpper, der als einer der wenigen Karnevalisten gilt, der sich offen gegen die Nationalsozialisten stellte, über Hans Hachenberg als „Doof Noss“ und „Vier Botze“ bis Toni Geller als Politiker der „Blauen Partei“. „Da ist mit einem Mausklick die ganze Geschichte des Kölner Karnevals abrufbar“ – zumindest die der Nachkriegszeit.

Mit „Der kölsche Fastelovend der Nachkriegszeit“ geht Wicky Junggeburth in diesem Herbst in seine elfte Staffel. Der Prinz von 1993, „Eimol Prinz zo sin“-Sänger und bis 2023 jahrelanger Kommentator des Rosenmontagszugs für den WDR stellt für seine Vortragsreihe im Brauhaus Sion in jeder Staffel neue Aufnahmen von Büttenreden und Liedern aus den Jahren 1949 bis 1980 zusammen. „Im Grunde genommen ist das eine Zeitreise“, sagt der 72-Jährige.

Zeitreise durch Kölner Karneval

Wie auch heute besprachen die Büttenredner damals bei ihren Auftritten die Themen, die seinerzeit eben die Bürgerinnen und Bürger beschäftigten. In den Reden der 50er-Jahre ging es etwa um die kontrovers diskutierte sogenannte Wiederbewaffnung Deutschlands, den Start des sowjetischen Satelliten Sputnik 1 oder die erste Ampelanlage Kölns. Bevor Junggeburths Ehefrau Catherine den Abspielknopf drückt, klärt der Moderator „auf humorige Art und Weise“ über die historischen Hintergründe auf, wie Junggeburth sagt. So können auch später Geborene inhaltlich folgen.

Wicky Junggeburth sitzt an einem Schreibtisch mit Tonbandgeräten.

Wicky Junggeburth beherbergt bei sich zu Hause ein großes Tonarchiv. Das Foto stammt aus 2018.

Nicht nur Büttenreden gehören zum Programm, auch Musik zählt dazu. Einen kleinen Abschnitt des Abends widme Junggeburth mittlerweile Liedern mit zotigen, nicht-jugendfreien Texten, die damals bei Herrensitzungen oder „Scheunenbällen“ gesungen wurden. „Da sind Texte dabei, die haben es in sich“, sagt Junggeburth. Die Nachfrage danach sei – insbesondere beim weiblichen Publikum – hoch.

Die Audio-Sammlung Junggeburths ist auf seinen Vater zurückzuführen. 1949 habe er, der ein Elektro-Geschäft in der Südstadt führte, angefangen, alles im Kölner Karneval aufzunehmen, was gesendet wurde. Als Junggeburth zehn Jahre alt war, also 1961, setzte er diese Sammlung selbstständig fort. Die Digitalisierung der unzähligen Bänder und Schallplatten, mit der er vor rund 25 Jahren begann, sei eine „Lebensaufgabe“.

Büttenredner sprechen heute kaum noch Kölsch

Zu dem Fundus, der zu rund einem Viertel auch aus Videos bestehe, gehören laut Junggeburth nicht nur Aufnahmen aus dem Rundfunk: Viele Präsidenten hätten bei Sitzungen damals ihr Tonbandgerät mitlaufen lassen, so sei Junggeburth auch in Besitz „hochexklusiver“ Aufnahmen gekommen.

Sein Brauhaus-Publikum – zu 90 Prozent seien es Wiederholungstäter – komme, um die Büttenredner von früher zu hören. Die, die noch richtig Kölsch gesprochen haben – das würde heute kaum noch einer tun. „Die kölsche Sprache hat auf der Bühne gelitten. Vor allem in der Bütt, da gibt es ja nur noch Comedy“, sagt Junggeburth. Es gebe nur noch sehr wenige, die richtiges Kölsch sprechen, als Beispiel nennt Junggeburth den von ihm sehr geschätzten „Nubbel“ Michael Hehn.

Er habe es erst nicht wahrhaben wollen, könne es aber mittlerweile nicht mehr leugnen: „Die kölsche Sprache stirbt langsam aus.“ Nicht nur in der Bütt. In seiner Familie habe er sich größte Mühe gegeben, das Kölsch weiterzugeben. Seine Tochter kann es, spricht es aber im Alltag nicht, und auch seine Enkel (neun und elf Jahre alt) müssten immer wieder nachfragen, was der Großvater da eigentlich erzählt.

„Der kölsche Fastelovend der Nachkriegszeit“ ist eine Veranstaltung, in der die alten Rednertypen und die kölsche Sproch wieder im Vordergrund stehen. Die Vortragsreihe wolle Junggeburth so lange fortführen, „wie es die Gesundheit zulässt“. Die Termine der elften Staffel sind zu großen Teilen bereits ausverkauft, nur im Februar gibt es noch Restkarten für den unveränderten Preis von 18 Euro. Reservierungen sind ausschließlich direkt über Wicky Junggeburth per E-Mail an nostalgie@wicky-j.de oder telefonisch unter 02206/2970 oder 0171/3017872 möglich.