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„So schlimm war es noch nie“Wie ein Polizist die Karnevalseinsätze in Köln erlebt hat

Lesezeit 4 Minuten
Polizei Weiberfastnacht Zülpiche

Polizei ist an Weiberfastnacht auf der Zülpicher Straße im Einsatz.

KölnDer Kontrast könnte schärfer kaum sein: Tagsüber demonstrieren an Rosenmontag 250.000 Menschen friedlich gegen den Krieg in der Ukraine, viele sind kostümiert oder tragen die Korpsuniformen der Karnevalsgesellschaften. Und abends ziehen – wie offenbar schon an den vergangenen Tagen auch – junge Männer auf die Zülpicher Straße, um sich dort zu betrinken und Feiernde und Polizisten anzugreifen. Ein Beamter einer Hundertschaft, die nicht aus Köln kommt, berichtet, in diesem Ausmaß habe er das zuvor noch nicht erlebt.

Ich habe in den letzten Jahren ungezählte Karnevalseinsätze als Beamter bei der Hundertschaft mitgemacht – aber so schlimm wie in den vergangenen Tagen im Zülpicher Viertel war es noch nie. Ich habe das jetzt an den Karnevalstagen fast täglich gemacht, und ich sage es mal ganz deutlich: Das hat mit Karneval feiern nichts mehr zu tun, das ist teilweise nur noch asozial. Ein einziges Saufgelage. Und mit steigendem Alkoholpegel steigt die Gewaltbereitschaft.

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Feiernde Jugendliche im Kwartier Latäng.

Polizei als Sittenaufseher

Als Polizist bist du im Grunde nur noch dazu da, die Jugendlichen und jungen Erwachsenen beim Trinken zu betreuen und ihnen klar zu machen, was sie dürfen und was nicht. Das Problem ist: Die meisten interessiert das überhaupt nicht. Im Gegenteil: Die pinkeln vor deinen Augen in Hauseingänge, klettern auf Ampelmasten, rempeln dich an, und wenn du mal einen zur Seite schiebst, weil du durch musst, kriegst du zu hören: „Ey, fass mich nicht an!“

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Polizist mit abgebrochenem Flaschenhals angegriffen

Einen jungen Mann, der an ein Einsatzfahrzeug gepinkelt hat, konnten die Kollegen stellen. An einem anderen Polizeifahrzeug wurde offensichtlich der Seitenspiegel beschädigt. An der Ecke Roonstraße/Zülpicher Straße ist jemand mit einem abgebrochenen Flaschenhals auf einen Kollegen losgegangen. Der Kollege konnte zum Glück im letzten Moment schützend seinen Arm heben, sonst hätte er die Flasche im Hals gehabt.

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Die Angriffe kommen für uns oft aus heiterem Himmel. Teilweise hatten wir vorher gar keinen Kontakt zu den Leuten, trotzdem wirft einer plötzlich eine Flasche oder volle Dose auf uns – völlig grundlos, ohne jeden Anlass. Ein paar Kollegen waren pitschnass, weil sie von Bierbechern getroffen wurden. Wenn wir Personalien feststellen wollen, brauchst du immer mehrere Beamte dafür, weil sofort Gaffer dazu kommen und uns bedrängen.

Schutz vor Gewalt wie sonst bei Fußballspielen

Ich habe gestern Kollegen gesehen, die sind mit Helmen über die Zülpicher Straße gelaufen. Klar, einen Helm zieht man grundsätzlich auf, wenn es brenzlig wird. Im Karneval habe ich das aber noch nie gemacht, da ist die Hemmschwelle irgendwie höher. Wir sind ja nicht beim G20-Gipfel oder bei einem Fußballeinsatz. Aber ich habe mich schon sehr unwohl gefühlt auf der Zülpicher Straße. Für das nächste Jahr überlege ich mir, den Helm auch im Karneval mitzuführen.

Jugendliche und junge Männer, die mit Karneval nichts zu tun haben

Wer diese Leute sind? Nach meinem Eindruck vor allem Jugendliche und junge Männer, die mit Karneval nichts am Hut haben, die sich besinnungslos besaufen und Stress machen wollen. Sonst nichts. Viele sind nicht verkleidet und wenn doch, dann als SWAT-Team oder etwas in diese Richtung. Aber es sind eben nicht nur ein paar wenige, sondern es sind nach meinem Eindruck schon sehr viele. Das ist eine neue Dimension – oder eine neue Generation?

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Am meisten tun mir die Anwohner auf der Zülpicher Straße und in den Seitenstraßen leid. Eine ältere Frau kam auf mich zu und sagte: „Die pinkeln alle in meinen Hauseingang und haben eben eine Scheibe kaputtgeschlagen.“ Die war vollkommen hilflos. In der Heinsbergstraße habe ich es selbst gesehen: Da stehen mobile Toiletten, aber das kümmert die wenigsten. Die stellen sich einfach an Hauswände und Haustüren, egal ob Männlein oder Weiblein.

Einige Anwohner hatten selbst gebastelte Schilder aufgehängt oder die Hauseingänge mit Pappe zugeklebt, um das zu verhindern. Trotzdem lief gestern Nacht aus vielen Eingängen Urin in den Rinnstein. Die Pappen wurden einfach abgerissen. Aus den oberen Stockwerken kippten Leute Wasser auf die Wildpinkler, um sie zu vertreiben.

Auch Müll wird achtlos auf die Straße geworfen oder aus den Kneipen einfach auf den Gehweg gekehrt. Man denkt sich wohl: Egal, nicht mein Problem, die AWB macht das ja weg. Die ganze Zülpicher Straße klebt. Es ist einfach nur ekelhaft. Und ich weiß, ich wiederhole mich: Aber mit Karneval hat das alles nichts mehr zu tun. Gar nichts.