„Mietwohnung zweckentfremdet“Kirche droht Kölner Tagesmutter mit Kündigung

Tagesmütter betreuen meistens Kinder im Alter von 0 bis 3 Jahren.
Copyright: dpa
Köln – Sandra Spreinat liebt ihren Job. Sie ist Mutter von zwei Kindern und weiß aus Erfahrung, wie schwer es ist, Arbeit und Kinder unter einen Hut zu bringen. Mit ihrer Tätigkeit als Tagesmutter ermöglicht sie Eltern von kleinen Kindern zwischen einem und drei Jahren genau das: Job und Familie miteinander zu vereinbaren. „Ich wollte immer schon mit Kindern arbeiten“, sagt die gelernte pharmazeutisch-kaufmännische Angestellte zu ihrem Entschluss, eine Umschulung zur Tagesmutter zu machen. In ihrer privaten Mietwohnung in Zollstock betreut sie fünf Tageskinder, während ihre neun und 13 Jahre alten Kinder in der Schule sind. Doch damit soll Ende März Schluss sein, wenn es nach dem Willen der Kirchengemeinde St. Pius geht. Denn diese ist Vermieterin der Wohnung.
In einem Brief vom 31. Januar teilt der Anwalt, der die Kirchengemeinde vertritt, mit: „Sollte über den 31.3.2022 hinaus, als letzte angemessene Frist, weiterhin die ausschließlich zu Wohnzwecken vermietete Mietwohnung zweckentfremdet werden, behält sich meine Mandantin ausdrücklich eine fristlose Kündigung des Mietvertrags“ vor. Der Brief liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor. „Ich verstehe das nicht. Wir wohnen seit 2014 in der rund 100 Quadratmeter großen Wohnung und haben uns noch nie etwas zu Schulden kommen lassen“, sagt Sandra Spreinat. Auch von den übrigen Mietern des Vier-Parteien-Hauses habe sich nie jemand bei ihr beschwert.
Kirche lehnt betriebliche Nutzung der Mietwohnung ab

Tagesmutter Sandra Spreinat
Copyright: Sandra Spreinat
Der Anwalt beruft sich in seinem Schreiben darauf, dass die Kirchengemeinde eine „einmalige Sondergenehmigung zur Betreuung bis zu drei Kindern“ erteilt habe – zeitlich befristet bis Ende 2021. Zudem handele es sich um einen erheblichen Vertrauensbruch gegenüber der Gemeinde, da Frau Spreinat „entgegen der Abmachung“ zwei Kinder mehr betreut habe. Eine ausschließlich zum Wohnzweck vermietete Wohnung dürfe keinem betrieblichen Zweck dienen. Eine solche „betriebliche Nutzung“ müsse untersagt werden, um eine „unkontrollierte Anzahl von Nachahmern“ zu verhindern, heißt es weiter.
Das könnte Sie auch interessieren:
Ausgangspunkt des Streits ist Spreinat zufolge ein Missverständnis über die Anzahl der betreuten Kinder: Bevor die 38-Jährige im Sommer 2020 mit ihrer Tätigkeit als Tagesmutter beginnen konnte, waren einige behördliche Angelegenheiten zu klären. Das Jugendamt erteilte die Erlaubnis zur Kindertagespflege „und hat auch unsere Wohnräume als sicher und geeignet für die Betreuung von fünf Kindern abgenommen“.
Kirchengemeinde bewilligte nur drei Tageskinder
Wer sich neu als Tagesmutter selbstständig macht und auf diese Weise Betreuungsplätze für Kinder unter drei Jahren schafft, hat Anspruch auf Fördermittel für Investitionen etwa in Umbau oder Ausstattung der Räume. Diese Fördermittel habe sie zunächst nur für drei Kinder beantragt. Und die Kirchengemeinde als Vermieterin habe vermutlich daher ihr Einverständnis nur für drei Kinder gegeben. „Aber ich habe der Kirche von Anfang an mitgeteilt, dass ich voraussichtlich fünf Kinder betreuen werde“, sagt Spreinat. Eine entsprechende E-Mail bestätigt diese Aussage. Bei der Stadt habe man Spreinat beruhigt, dass es nicht Sache des Vermieters sei, über die Anzahl der zu betreuenden Kinder zu entscheiden, sondern die des Jugendamts.
Im Gespräch mit dieser Zeitung bezeichnet Christoph Schykowski, Mitglied des Kirchenvorstands der Kirchengemeinde St. Pius, die Tagespflege als „Belastung für die übrigen Mieter“. „Wir halten die Wohnung für nicht geeignet, dort dauerhaft fünf Kinder zu betreuen. Wir haben Frau Spreinat von Anfang an gesagt, dass sie nur drei Kinder betreuen darf und dass sie sich langfristig andere Räumlichkeiten für ihr Gewerbe suchen soll“, sagt Schykowski.
„Es ist nicht so einfach, geeignete Räume in Zollstock zu finden“, sagt Sandra Spreinat. Doch nach langer Suche ist sie fündig geworden: Sie hofft, dass sie ihre Tageskinder künftig in leerstehenden Büroräumen in der Nähe betreuen kann. Doch bis alles in trockenen Tüchern ist, kann es dauern. „Das Bauamt muss die Nutzungsänderung genehmigen und das Jugendamt muss die neuen Räume abnehmen. Ich glaube nicht, dass das alles bis Ende März klappt.“ Sandra Spreinat hofft, dass sie ihren geliebten Job auch künftig weiter machen und fünf Kleinkindern eine Betreuungsmöglichkeit bieten kann.