Die Stadt vermeldet die erfolgreiche Schaffung neuer Kita-Plätze. Dennoch ist die Not weiterhin groß. Das hat verschiedene Gründe.
Beruf der Erzieher in der KriseMehr Kita-Plätze in Köln, aber keine Entspannung
Ideen hat Johannes Segerath einige. Aber keine Räume. Deshalb könnte er nicht mehr Erzieherinnen und Erzieher ausbilden, selbst wenn er mehr junge Menschen in den Beruf locken könnte. Segerath ist seit elf Jahren Schulleiter am Berufskolleg Ehrenfeld. Es habe Zeiten gegeben, erzählt er, da musste er rund 150 Bewerberinnen und Bewerber für die Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher ablehnen. Heute bekommt er seine Klassen kaum noch voll, so schlecht ist das Image des Berufs.
Wie anders könnte es heute auf dem leer gefegten Fachkräfte-Markt für die Kölner Kitas aussehen, wenn all die damaligen Interessenten ihren Wunschberuf hätten erlernen können. Der Gedanke ist für Segerath schwer auszuhalten. Die Stadt Köln plane seit 2012 eine räumliche Erweiterung für die pädagogischen Ausbildungsgänge am Berufskolleg Ehrenfeld, sagt er. Herausgekommen ist dabei bislang ein einziger zusätzlicher Raum. „Die berufliche Bildung muss in der Verwaltung der Stadt Köln einen ganz anderen Stellenwert erhalten. Dies gilt insbesondere, aber nicht nur für die sozialpädagogischen Berufe.“
Plädoyer für den Beruf
Der Schulleiter ist selbst gelernter Erzieher und ein Fan des eigenen Berufs. Da geht es ihm wie Sonja de Günther, seit 25 Jahren Leiterin einer Quäker-Kita in der Kölner Innenstadt. Seit Anfang des Jahres ist sie zudem verantwortlich für die neue Einrichtung „Quäker Pänz“ im mit Kitaplätzen am schlechtesten versorgten Kölner Stadtteil Chorweiler. „Ich brenne für diesen Beruf“, sagt de Günther.
Warum? „Weil die frühkindliche Arbeit die Grundlage für alles ist. Weil man Einfluss hat. Weil man Kinder zu mündigen Bürgern erziehen kann. Weil man Spuren in den Leben der Kinder hinterlässt.“
Wirklich? „Ja!“ De Günther sagt das mit voller Überzeugung. Und schiebt hinterher: „Da muss man sich sicher sein. Sonst verzweifelt man.“ Die Krise macht ihr genauso zu schaffen wie vielen Eltern in der Stadt.
Die Stadt Köln vermeldete zuletzt Erfolge bei der Aufstockung ihrer Kita-Plätze. Im Kindergartenjahr 2023/2024 seien 146 neue Plätze für unter dreijährige Kinder (U3) und 334 neue Plätze für über dreijährige Kinder (Ü3) geschaffen worden. Demnach stehen in Köln 14.898 Betreuungsplätze für unter Dreijährige und 32.332 Betreuungsplätze für über Dreijährige zur Verfügung.
Stadt Köln meldet bessere Quoten
Im laufenden Kindergartenjahr 2024/2025 sei die Eröffnung von fünf weiteren Kindertageseinrichtungen und drei Erweiterungen bereits bestehender Kindertagesstätten geplant. Am Ende des Kindergartenjahrs könne eine gesamtstädtische Versorgungsquote von 51,2 Prozent für den U3-Bereich und 101,3 Prozent für den Ü3-Bereich erreicht werden. Für unter Dreijährige mit Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz (Ein- bis Zweijährige) läge die Quote dann bei 74 Prozent.
Die Angaben sind stadtteilübergreifend. Für Chorweiler, seit Jahren das Schlusslicht in der Statistik, liegt die geplante Versorgung bei mageren sieben Prozent im U3- und 80 Prozent im Ü3-Bereich. Neue Kindertageseinrichtungen sind bis 2035 nicht geplant.
Die Stadt gesteht in ihrer Mitteilung mit den gut klingenden Zahlen auch ein: „Gleichwohl bleibt die Betreuungssituation angespannt.“ Das ist ein nüchterner Satz, der die Not vieler Familien nicht widerspiegelt, deren Kitas wegen Personalmangels um frühzeitige Abholung bitten oder gleich ganz in einen Notbetreuungs-Modus wechseln und täglich nur einen Teil der Kinder zur Betreuung annehmen. Auf Anfrage teilte die Stadt mit, dass aktuell in 70 ihrer 212 Kitas reduzierte Betreuungszeiten vorlägen. 300 Stellen sind in den städtischen Kölner Kitas vakant - das betrifft aber alle Bereiche, nicht nur den der Erzieherinnen und Erzieher.
Auch in Sachen Fachkräftemangel bemüht sich die Stadt, ein positives Bild zu zeichnen. Zum Start des Kita-Jahres 2024/2025 seien 259 Auszubildende in den Kölner Kitas beschäftigt gewesen, 84 mehr als noch vor drei Jahren und damit „so viele wie noch nie“. Man habe „neue Wege der Ausbildung geschaffen“, heißt es. Dazu zähle die praxisintegrierte Ausbildung für Erzieherinnen und Erzieher, für die am Berufskolleg Ehrenfeld nun eine zusätzliche Klasse eingerichtet worden sei.
Ausbildungszahlen rückläufig
Das bestätigt Schulleiter Segerath. Entspannung beim Mangel an Fachkräften sei deshalb aber nicht in Sicht. Die Zahl der Auszubildenden insgesamt sei seit Jahren rückläufig, betont Segerath. Nicht nur in Ehrenfeld, wo die städtische Ausbildung stattfindet. Sondern auch bei der katholischen und bei der evangelischen Ausbildungsstätte in Köln.
Die zusätzliche Klasse spiegele nur wider, dass die praxisintegrierte Ausbildung beliebter sei bei angehenden Erzieherinnen und Erziehern. Das ist verständlich, denn hier bekommen die Auszubildenden von Beginn an ein kleines Gehalt, da sie von Anfang an neben der Schule auch regelmäßig in einer Einrichtung arbeiten. Der klassische Weg in den Beruf sieht fünf Jahre Ausbildung vor (zwei Jahre Kinderpflege, Fachabitur oder einschlägige Berufserfahrungen plus drei Jahre Ausbildung), in denen es lediglich im Praxisjahr am Ende etwas Geld gibt. „Das muss man sich erstmal leisten können und wollen“, sagt Segerath.
„Die Klassen in der normalen Ausbildung bekommen wir gar nicht mehr voll“, sagt der Schulleiter und wünscht sich: „Die Stadt müsste überlegen, wie sie den Beruf attraktiver gestalten und dafür Werbung machen könnte.“ Sein Geheimtipp ist das „Berufliche Gymnasium Erzieher/in“. Dabei kann in einer dreijährigen schulischen Ausbildung plus einem einjährigen Berufspraktikum eine Doppelqualifizierung erreicht werden: das Abitur und die Ausbildung als staatlich anerkannter Erzieher.
Anlässlich des Kölner Kita-Reports, den der der Deutsche Gewerkschaftsbund mit Partnern herausgegeben hat, sagte Judith Gövert, die Geschäftsführerin des DGB Köln-Bonn zuletzt: „Es muss schnell gegengesteuert werden, um eine wirtschafts-, sozial- und gleichstellungspolitische Katastrophe zu verhindern.“ Denn ein „dysfunktionales Kita-System“ sei verheerend sowohl für den Fachkräftemarkt (wer seine Kinder nicht gut betreut weiß, kann nicht arbeiten) und die Gleichstellung der Geschlechter (oft sind es dann die Frauen, die nicht oder in Teilzeit arbeiten).
Doch der Beruf Erzieherin/Erzieher wird immer unattraktiver und damit verschärft sich die Krise. Sonja de Günter macht das traurig: „Unsere Kinder haben es so verdient, dass man ihnen Weltwissen beibringt.“