Gewerkschaften haben Kölner Eltern und Erzieherinnen befragt, wie sie die Lage in den Kitas wahrnehmen.
Kölner Kita-Report„Das System kollabiert gerade“ — Forderungen an die Stadt
Der Kölner Kita-Report 2023 zeichnet eine dramatische Zuspitzung der Lage in den städtischen Kitas. Die befragten Fachkräfte und Eltern von Kita-Kindern beschreiben einen Teufelskreis aus Überlastung, Erkrankung, Fluktuation und einer immer dünner werdenden Personaldecke. Mit gravierenden Folgen für Kinder und Eltern. „Es ist in den Kitas bereits mehr als 5 nach 12. Jetzt muss schnell gegengesteuert werden, um eine wirtschafts-, sozial- und gleichstellungspolitische Katastrophe zu verhindern“, konstatierte Judith Gövert, Geschäftsführerin des DGB Köln-Bonn. „Das System kollabiert gerade“, ergänzt Tjark Sauer, Geschäftsführer der Gewerkschaft Verdi.
Für den Report haben Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), Verdi, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und Jugendamtselternbeirat (JAEB) 233 Fachkräfte und 418 Elternbeiräte aus über 150 städtischen Kölner Kitas befragt. Das Ergebnis veranschaulicht das düstere Bild: Die Fachkräfte gaben an, dass in 72 Prozent der teilnehmenden Kitas nicht alle Planstellen besetzt seien. Bei über 40 Prozent bleiben derzeit zwei oder mehr Stellen unbesetzt. Knapp 40 Prozent bezeichneten die Fluktuation als hoch.
Reduzierung der Betreuungszeiten in über der Hälfte der Kitas
Der Personalmangel hat gravierende Auswirkungen: In über 62 Prozent der Kitas gaben die befragten Fachkräfte an, dass sie häufig oder oft allein in der Gruppe seien. Außerdem gaben von den Fachkräften 55 Prozent an, dass seit dem 1. Januar 2023 einzelne Gruppen geschlossen wurden. Von einer Reduzierung der Betreuungszeiten berichteten 53 Prozent. In fast 60 Prozent der Kitas gebe es bis zu zehn unplanmäßige Ausfalltage, gaben die Eltern an. 16 Prozent der Eltern berichteten von bis zu 20 Ausfalltagen. Bezüglich der Qualität gaben fast 40 Prozent der Fachkräfte ihrer eigenen Kita nur eine Note von ausreichend oder schlechter.
Der Mangel ist nicht neu, aber die Dimension: „Alle sind überfordert. Die Fachkräfte müssen Gruppen schließen und können ihrem Bildungsauftrag nicht gerecht werden. Sie wollen bilden und können nur verwahren. Das macht krank und unzufrieden“, berichtet Kita-Personalrätin Karina Mester. Und auch die Eltern verzweifeln an der unzureichenden Betreuung. Es gebe bei Betreuungseinschränkungen oft unschöne Szenen mit verzweifelten Eltern, die unter Druck stehen und nicht wissen, wie sie den Arbeitsalltag bewältigen sollen“, berichtet Erzieher und Personalrat Malte Kellermann.
Nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch mit Blick auf Chancengleichheit und Gleichberechtigung bedeute die Kita-Krise große Rückschritte, ergänzte Nina Gorges von der GEW Köln. Auf die Frage, wer in Notsituationen die Kinderbetreuung mehrheitlich übernimmt, gaben die Eltern an, dass es bei 75 Prozent der Ausfalltage die Mütter oder Großmütter sind, die einspringen. Die Väter und Opas kamen in Summe auf 14 Prozent.
Dabei sieht die Perspektive noch deutlich düsterer aus: Nach Angaben von Tjark Sauer wird bis 2030 ein Viertel der derzeitig beschäftigten Erzieherinnen und Erzieher in Köln in Rente gehen. „Und das sind nur die, wirklich bis zum regulären Rentenantritt bleiben“, berichtet Kita-Personalrätin Karina Mester. Viele überlegten derzeit wegen der ständigen Überforderung früher auszusteigen und ließen sich entsprechend beraten. Gleichzeitig kommen zu wenig Fachkräfte nach: Zwar gebe es in jeder städtischen Kölner Kita mindestens eine Auszubildende. Mehr als die Hälfte von ihnen verlasse den Beruf jedoch noch während der Ausbildung.
Um aus der Krise zu kommen, fordern die Experten von DGB, Verdi und GEW entschlossenes Handeln, um das Kita-System zu stabilisieren. Dazu gehöre zwingend, mehr Stellen für Fachkräfte in den Einrichtungen zu schaffen. „Es braucht mindestens eine zusätzliche Kraft pro Einrichtung“, so Tjark Sauer. Nur so könnten auch die anderen im Beruf gehalten werden. Die Fachkraft-Kind-Schlüssel des Kinderbildungsgesetzes müssten auch die hohen Ausfallzeiten von pädagogischem Personal anerkennen und refinanzieren, damit ausreichend Ersatzpersonal durch den Träger gestellt werden kann. Auch für die Praxisanleitung der Auszubildenden müssten mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um diese dann auch im Beruf zu halten.
Kölner Konzept wird gefordert
Konkrete Forderungen richten die Experten auch an die Stadt, die den Kitas eine höhere Priorität geben müsse. Ein Hebel sei – neben mehr Schulplätzen für Erzieherinnen und Erzieher - eine bessere Bezahlung. Weniger als die Hälfte der Erzieherinnen werden nach Angaben der Gewerkschaftler in Köln in der deutlich attraktiveren Entgeltgruppe S 8b entlohnt. Das müsse zur Regel werden. In Städten wie Leverkusen oder Düsseldorf würden alle Erzieherinnen mit 8b entlohnt. Auch das Gehalt für die Kinderpflegerinnen müsse angesichts der gestiegenen Anforderungen angehoben werden.
Außerdem fordern sie die Stadt auf, ein ganzheitliches „Kölner Konzept“ zu entwickeln, um für potenzielle Auszubildende attraktiv zu sein und diese dann als Fachkräfte an die Stadt zu binden. Dazu könnten etwa bezahlbare Wohnheime für Auszubildende, Jobtickets, Fahrausweise oder anderes gehören. „Wir müssen raus aus der Mängelverwaltung und in Köln endlich die Rahmenbedingungen schaffen, die sowohl die Kinder als auch die Fachkräfte verdienen“, fasst Nina Gorges von der GEW zusammen.