AboAbonnieren

Streik in der Uniklinik„Wenn sich nichts ändert, fährt die Pflege gegen die Wand“

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt (14)

Stefanie Börgener, Anna Baumeister und Lisa Frye im Protestcamp der Mitarbeitenden der Unikliniken

  1. Die Mitarbeitenden der Uniklinik sind seit dem 4. Mai im Streik
  2. Beschäftigte berichten von permanenter Überlastung in der Arbeit.
  3. Der Streik wirkt sich auch auf Patientinnen und Patienten aus: Die Klinik muss bis auf weiteres nicht dringende Operationen verschieben.

Köln – Es vergeht kaum ein Tag, an dem Anna Baumeister nicht mit einem schlechten Gewissen nach Hause geht. Die 26-Jährige ist Krankenschwester auf der Viszeralchirurgie (Bauchchirurgie) in der Uniklinik Köln und fühlt sich fast jeden Tag überfordert. 64 Betten befinden sich auf ihrer Station, in der Frühschicht gibt es sieben Mitarbeitende, in der Spätschicht sechs und nachts nur vier. „Ich brauche alleine zwei Stunden um alle Patienten in der Schicht einmal gesehen zu haben, sagt sie. Damit sich die Arbeitsbedingungen verbessert, streiken die Mitarbeitenden von sechs Unikliniken in NRW seit dem 4. Mai.

Körperpflege und Visite, Infusionen und Dokumentationen, Verbands- und Katheterwechel gehören zu den zahlreichen Aufgaben im Alltag von Baumeister. Wenn aber Patienten oft klingeln, wenn es Notfälle gibt oder auch nur ein CT oder Röntgenbild angeordnet wird, dann gerät der ohnehin sehr enge Takt im Arbeitsalltag schnell durcheinander. Und Zeit, um Patienten intensiv zu betreuen, fehlt meist. Einmal habe es auf Baumeisters Station einen Covid-Patienten gegeben, der plötzlich Blut erbrochen habe. Er habe sich nicht gemeldet, das Personal aber auch keine Zeit gehabt, engmaschig nach ihm zu schauen. „Gefunden hat ihn eher zufällig die Putzfrau. Er wäre sonst verblutet“, sagt Baumeister.

Das könnte Sie auch interessieren:

Solche Geschichten können viele Krankenschwestern und Pfleger erzählen. Lisa Frye (28) zum Beispiel arbeitet seit 2016 auf einer Station für Dermatologie in der Uniklinik (Hautklinik) und berichtet davon, dass einmal eine ältere Patientin auf ihrer Station gelegen habe, von der klar war, dass sie in absehbarer Zeit sterben musste. „Einmal hat sie über Stunden unter Panikattacken gelitten und hat sich nicht gemeldet, weil sie gewusst hat, dass wir keine Zeit haben“, erzählt die 28-Jährige unter Tränen.

„Die haben richtig Angst”

Auch Intensivpflegerin Stefanie Börgener (58) kennt etwa Patienten, die nach einer Operation aufwachen und sich desorientiert fühlen. „Die haben richtige Angst. Es gibt Situationen, da muss man auch mal eine Hand halten. Wir haben aber keine Zeit dafür.“ Stattdessen würden Patienten Medikamente verabreicht, auch um sie ruhig zu stellen. Im schlechtesten Fall würden auf ärztliche Anordnung Gitter an die Patientenbetten angebracht, damit die Patienten nicht eigenmächtig die Station verließen und sich dadurch gefährdeten. „Manche klettern da aber einfach drüber und fallen umso tiefer.“

Neuer Inhalt (12)

Das Bettenhaus der Uniklinik

Die ständige Überforderung hat für das Personal Folgen. Börgener erzählt, dass ihr durch den Stress auf der Arbeit ein fast verhängnisvoller Fehler unterlaufen sei. Vor lauter Arbeit habe sie, vor Jahren in einem kleineren Krankenhaus außerhalb von Köln, einen Medikamenten-Perfusor falsch eingestellt. Der Apparat gab in der Folge das Medikament viel zu schnell an den Patienten ab, der fast daran verstorben sei. Börgener wäre fast aus dem Job ausgestiegen. „Ich habe zwei Jahre gebraucht, um darüber zu sprechen.“Burnout sei unter den Kollegen ein großes Thema, der Krankenstand durch die permanente Überlastung hoch, berichten Baumeister, Börgerner und Frye. „Wer es sich irgendwie leisten kann, geht in Teilzeit“, sagt Börgerner.

Viele Pflegende geben auf

Andere gäben den Beruf schließlich ganz auf. Im Schnitt bleiben Pflegekräfte nur sieben Jahren im Beruf. Laut einer Umfrage der Alice-Salomon-Hochschule in Berlin denken 40 Prozent der Krankenpflegenden darüber nach, den Beruf zu wechseln. Und die Deutsche Krankenhausgesellschaft berichtet, dass es derzeit 22.000 unbesetzte Stellen in den Hospitälern gebe – dreimal so viele wie 2016.

Kernforderung der Streikenden ist daher nicht etwa mehr Gehalt, sondern eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen, sagt Börgener. Auf den Stationen müsse es mehr Personal geben, Arbeitgeber sollten hohe Strafen zahlen, wenn sie zu wenig Personal beschäftigten. Zudem müsse ein Belastungspunkte-System eingeführt werden, durch das die Mitarbeitenden mehr freie Tage für stressige Schichten erhielten. „Wenn sich jetzt nichts ändert, dann fährt die Pflege gegen die Wand“, sagt Börgener. Der Streik soll zunächst weitergeführt werden, bis es ein Verhandlungsergebnis mit den Kliniken gebe. Für den morgigen Dienstag sowie für Mittwoch und Dienstag kommender Woche seien Gespräche geplant.

Die Uniklinik Köln hat Patienten vor weiteren Einschränkungen durch den bis zum 26. Mai verlängerten Uniklinikstreik in Nordrhein-Westfalen gewarnt. Die Auswirkungen seien weiter groß, so die Klinik. Die Klinik habe das OP-Programm drastisch reduziert, es gebe weiter erhebliche Verzögerungen bei terminierten und bei ambulanten Behandlungen.