Trotz voller Außengastronomien fordert die IG Kölner Gastro Wirtschaftshilfen. Ein Ökonom bewertet, ob das gerechtfertigt ist.
„Ein Kölsch müsste eigentlich 2,70 Euro kosten“IG Kölner Gastro beschwert sich bei Bundeskanzler Scholz
Wer aktuell über Kölns Straßen und Plätze geht, dem bietet sich folgendes Bild: Volle Terrassen, die Außengastronomien sind gut besucht. Als Gast hat man den Eindruck: Die Gastronomie hat die Krise überwunden. Trotzdem schlägt die IG Kölner Gastro Alarm – und hat sich jetzt sogar an Bundeskanzler Olaf Scholz, Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und Staatssekretärin Franziska Brantner gewandt. Der Betreff: „Hilfe, wir sterben aus!“
IG Kölner Gastro: Trotz voller Terrassen keine Möglichkeit, Gewinn zu machen
In dem von der IG als „Brandbrief“ betitelten Schreiben spricht der Verband von einem beispiellosen Niedergang einer Branche. Seit 2019 hätte jede vierte Kneipe oder Bar schließen müssen, das letzte Jahr sei da nicht mal mit einberechnet. Es brauche deshalb jetzt wirtschaftliche Unterstützung für die Gastronomie.
Doch passt das mit der aktuellen Gästezahl zusammen? „Die Terrassen der Betriebe sind voll. Es ist eine umsatzstarke Zeit, manche Betriebe sprechen sogar von Rekordumsätzen“, sagt Maike Block, Geschäftsführerin der IG Gastro. „Trotzdem wird gerade deutlich, dass kaum eine Möglichkeit besteht, Gewinne zu erzielen. Die Kassen sind voll, aber am Ende des Monats bleibt kein Gewinn übrig.“
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Gastronomen beklagen Bürokratie in Köln
Im Zuge der Inflation hätten die Wirte alles getan, die Preise wurden erhöht, was die Gäste bis jetzt mitgemacht hätten. Aber: „Irgendwann ist der Preis erreicht, den man nicht mehr für einen Aperol zahlen will“, so Block. Eigentlich müsste eine Stange Kölsch in der Kneipe mindestens 2,70 Euro kosten. Doch das sei den Gästen nicht plausibel zu erklären.
Der Verband fordert daher vier Dinge. Erstens: eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen und Getränke auf sieben Prozent. Im Zuge der Corona-Pandemie und nun der Energiekrise war der Steuersatz bereits abgesenkt worden, aktuell gilt das aber nur bis Ende des Jahres. Zweitens: ein Abbau der Bürokratie. Für Umbauten bräuchte es in Köln jedes Mal einen Bauantrag, der zwischen neun Monaten und drei Jahren dauern würde. Drittens: finanzielle Unterstützung bei der Digitalisierung, um den Fachkräftemangel abzufangen. Und viertens: den Schutz von Gastronomie als Kulturort, um sich gegen Lärmklagen aus der Nachbarschaft wehren zu können.
Kölner Ökonom sieht Forderungen gerechtfertigt
Zumindest die Forderungen nach der niedrigeren Mehrwertsteuer und dem Bürokratie-Abbau findet Christian Rusche, Ökonom beim Institut der deutschen Wirtschaft in Köln, gerechtfertigt. „Die Umsätze der Gastronomie in NRW sind nominal zwar über dem Vor-Corona-Niveau. Real sind die Umsätze wegen der Inflation aber geringer. Auch für Fachpersonal muss mehr Geld bezahlt werden, weil viele Mitarbeiter in der Pandemie in andere Branchen abgewandert sind“, sagt Rusche. „Es wäre deshalb angemessen, den Steuersatz nicht wieder zu erhöhen.“
Rusche findet es außerdem sinnvoll, die bürokratischen Abläufe für Gastronomen zu entschlacken, da die Belastung dadurch aktuell sehr hoch sei. „Eine Unterstützung für die Branche ist wichtig“, sagt Rusche. Auch, weil die Gastronomie eine wichtige Rolle für die Innenstädte spiele. „Man muss den Konsumenten erstmal wieder dazu bringen, die Jogginghose auszuziehen und in die Stadt zu gehen, um etwas zu kaufen. Die Gastronomie ist dafür ein zusätzlicher Anreiz.“
Maike Block von der IG Gastro sieht die Kölner Gastronomielandschaft allerdings bedroht. „Der Trend der Schließungen wird sich fortsetzen. Und die Frage wird auch sein: Kommen neue Betriebe nach? Wohl kaum.“ Die kleinen Kneipen gehörten zum kölschen Lebensgefühl, durch den Preisdruck blieben am Ende aber wohl nur noch große Ketten.