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Beschuldigte äußern sich beim Prozess15-Jähriger im Mülheimer Hafen erstochen – plötzlich neue Tatversion

Lesezeit 4 Minuten
Ein Blumenmeer am Tatort im Mülheimer Hafen. Hier wurde der 15-jährige Dara K. erstochen.

Ein Blumenmeer am Tatort im Mülheimer Hafen. Hier wurde der 15-jährige Dara K. erstochen.

Den vier Angeklagten wird gemeinschaftlicher Mord vorgeworfen. Angehörige reagieren emotional zu Beginn der Verhandlung.

Mit hochemotionalen Szenen begann am Dienstagmorgen der Strafprozess um den getöteten 15-jährigen Dara K. aus Mülheim vor dem Kölner Landgericht. Als einer der mutmaßlichen Mörder in Saal 210 geführt wurde, schrie sich die Mutter des Getöteten in Rage und schlug immer wieder mit den Fäusten auf den Tisch vor ihr. Im Publikum randalierte eine Verwandte des Toten. Alarmierte Wachtmeister mussten die Situation beruhigen, auf Anweisung des Richters räumten sie den Saal.

Köln: Opfer wollte laut Anwalt aus Drogenhandel aussteigen

„So etwas hatte ich auch noch nicht erlebt“, stellte der Vorsitzende Richter Ansgar Meimberg fest. Die Verteidiger echauffierten sich, dass ein Prozessauftakt unter diesen Umständen keinen Sinn ergebe. Doch nach einer kurzen Pause beruhigten sich vorerst die Gemüter. Insgesamt vier Angeklagten, drei Heranwachsenden unter 21 Jahren und dem 27-jährigen Ahmet Y., wird gemeinschaftlicher Mord aus niederen Beweggründen vorgeworfen. Die Anklage spricht von einer Abrechnung im Drogenmilieu.

Ermittler im März 2024 bei der Spurensicherung am Tatort im Mülheimer Hafen.

Ermittler im März 2024 bei der Spurensicherung am Tatort im Mülheimer Hafen.

Als sogenannter Läufer soll das spätere Todesopfer für den ältesten Angeklagten im Bereich des Mülheimer Stadtgartens kleinere Drogengeschäfte erledigt haben. Laut Opfer-Anwalt Jan-Victor Khatib wollte der 15-Jährige aus dem Drogenhandel aussteigen. Bei einem gegen ihn geführten Strafprozess am Amtsgericht hatte der Teenager zumindest die Vornamen zweier Dealerkollegen benannt, so eine mildere Bestrafung erreicht. Das soll letztlich sein Todesurteil bedeutet haben.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Köln: Anklage spricht von wuchtigen Messerstichen in den Oberkörper

Unter dem Vorhalt von Schusswaffen sollen Ahmet Y. und ein weiterer Beschuldigter den Jugendlichen im März dieses Jahres vor einer Gaststätte in Mülheim bedroht und entführt haben. Ein im Gerichtssaal abgespieltes Überwachungsvideo zeigt, wie das Opfer offensichtlich gegen seinen Willen an einer Kirche vorbeigezogen und dabei beschimpft wurde. Ziel war laut Anklage der nahegelegene Hafen. Über die sogenannte Katzenbuckelbrücke ging es zur Mülheimer Insel.

Spätestens dort seien zwei weitere Beschuldigte hinzugestoßen, darunter ein weiterer Mann, den der Jugendliche beim Amtsgericht „verpfiffen“ haben soll. Einem gemeinschaftlichen Tatplan folgend sei Dara K. danach getötet worden, nach Treffern in den linken Oberschenkel, insbesondere durch vier wuchtige Messerstiche in den Oberkörper. Lunge und Leber des Jungen wurden getroffen, ein erheblicher Blutverlust war die Folge. Binnen kürzester Zeit verstarb der 15-Jährige am Tatort.

Köln: Erwachsenem Täter droht lebenslange Haftstrafe

Bis auf die Unterhose sollen die Angeklagten ihr Opfer entkleidet haben. „Sie nahmen dessen Kleidung mit, um sie anschließend zur Spurenbeseitigung zu verbrennen“, so der Staatsanwalt. Neben der Rache für dessen belastende Aussagen beim Gerichtsprozess nennt die Anklageschrift auch die Wut darüber als Mordmotiv, dass Dara K. angeblich Schulden in Höhe von 700 Euro nicht beglichen habe, die offenbar noch aus den gemeinsam getätigten Drogengeschäften herrührten.

Die vier Angeklagten mit ihren Verteidigern in Saal 210 des Kölner Landgerichts

Die vier Angeklagten mit ihren Verteidigern in Saal 210 des Kölner Landgerichts

Während für drei der Angeklagten als Heranwachsende die Anwendung des vergleichsweise milden Jugendstrafrechts in Betracht kommt, droht dem 27-jährigen Ahmet Y. eine lebenslange Freiheitsstrafe und womöglich die Verhängung der besonderen Schwere der Schuld. Dann müsste der Angeklagte wohl mindestens 20 Jahre hinter Gittern verbringen. Doch an der Tötung von Dara K. sei Y. nicht direkt beteiligt, wie dessen Verteidiger Ingmar Rosentreter beim Prozessauftakt erklärte.

Messerstecher habe gesagt: „Dara hat das verdient“

Der Angeklagte räumte zwar ein, den Jugendlichen vor der Gaststätte mit einer Schrotflinte bedroht zu haben. „Es ging mir darum, Stärke zu zeigen“, so der 27-Jährige. Und zwar vor konkurrierenden Dealern, denen sich Dara K. mittlerweile zugewandt habe und die zuvor Drohungen ausgesprochen hätten. Der Tod des Jungen allerdings habe nie im Raum gestanden, auch wenn er gesagt habe: „Den werdet ihr nicht mehr wiedersehen.“ Der Mitangeklagte Joshua M. sei es gewesen, der am Hafen plötzlich ein Messer gezogen habe.

Der Angeklagte Joshua M. (19) mit seiner Verteidigerin Pantea Farahzadi im Kölner Landgericht

Der Angeklagte Joshua M. (19) mit seiner Verteidigerin Pantea Farahzadi im Kölner Landgericht

Der 15-Jährige habe eine Beleidigung ausgesprochen, woraufhin der Mittäter zugestochen habe. „Ich wollte einen Krankenwagen rufen und dann abhauen“, heißt es in der Einlassung weiter, doch Joshua M. sei ausgerastet. Am Bein getroffen, sei das Opfer dann geflüchtet, doch der 19-Jährige habe ihn verfolgt. Er habe nicht verhindern können, dass M. mit dem Messer weiter auf den Teenager einwirkte, ihm die Klinge in die Brust rammte. „Dara hat das verdient“, habe M. gesagt.

Köln: Mutmaßlicher Haupttäter schweigt vor Gericht

Die beiden weiteren Angeklagten seien nicht am Tatort gewesen. Man habe sich lediglich danach an einer Tankstelle in der Nähe getroffen. Die Verteidiger Bernhard Scholz und Markus Haupt stritten für ihre Mandanten den Vorwurf des gemeinsamen Mordplans ab. Allerdings sollen zwei der Beschuldigten zuvor dem Vater des Getöteten die Tat als Vergeltung angekündigt haben. Der schwer belastete Joshua M. schwieg, Verteidigerin Pantea Farahzadi kündigte eine mögliche Einlassung an.

Der Verhandlungstag endete am Mittag so turbulent, wie er begonnen hatte. Die Mutter des Getöteten erlitt einen Zusammenbruch, soll auch in Richtung des nun Hauptbeschuldigten gespuckt haben. Anwesend als Nebenklägerin war auch die jüngere Schwester des Getöteten, die sich während der Verhandlung immer wieder an ihre Mutter geklammert hatte. Der Prozess geht mit einer Vielzahl von Zeugen weiter. Mit einem Urteil wird frühestens Mitte Januar gerechnet.