Die 95-jährige Klara Wind wurde in einem Einzelgrab beigesetzt statt im Doppelgrab bei ihrem Mann. Die Trauergesellschaft war bestürzt.
Strenge FriedhofsregelnWarum eine Kölnerin nicht neben ihrem Mann begraben werden durfte
Es war eine sehr kleine Trauergesellschaft, die dem Sarg von Klara Wind auf dem Südfriedhof folgte. Die alte Dame war in einem Seniorenheim im Alter von 95 gestorben. Der Zollstocker Ulli Bock hatte sich ehrenamtlich um Frau Wind gekümmert, sie besucht und Geschichten aus ihrem Leben gelauscht. Nun ging er mit ihr den letzten Weg. „Wir waren bei der Beerdigung fest davon ausgegangen, dass Frau Wind im Doppelgrab bei ihrem Mann begraben wird“, sagt er in der Rückschau. „Doch dann gingen wir an der Grabstätte vorbei.“
Klara Wind wurde nicht wie von ihr gewünscht und geplant im Doppelgrab beigesetzt, sondern allein in einem einfachen Reihengrab auf einer Rasenfläche ohne Gehwege. Das Grab ist mit einer Betonplatte bedeckt und damit „pflegefrei“. Drumherum wird lediglich gemäht.
Kölner Friedhofsverwaltung besteht auf Grabpflege über 20 Jahre
Die Trauernden waren entsetzt. Auch Bestatterin Vera Minrath tut es leid, dass das Ehepaar im Tod nicht zusammenfinden konnte. Doch es habe keine andere Möglichkeit gegeben, sagt sie. Denn es sei nicht genug Geld für die Pflege und Bepflanzung des Doppelgrabs im Nachlass von Klara Wind dagewesen. Angehörige, die das Geld hätten aufbringen können, gab es nicht. Deshalb habe man nur die Wahl gehabt, Klara Wind in einen „pflegefreien“ Grab zu bestatten.
Was zunächst unverständlich klingt, hängt mit den strengen Regeln auf Kölner Friedhöfen zusammen. Wer in einer Wahlgrabstätte begraben werden will oder einen Angehörigen dort bestatten lässt, muss sicherstellen, dass die Grabpflege für die vorgeschriebene Ruhefrist von 20 Jahren gesichert ist. Das Doppelgrab, in dem Klara Winds Ehemann Jakob liegt, ist bis 2035 angekauft. Doch das vorgehaltene Geld für die Grabpflege – der Gebühr beginnt bei 200 bis 300 Euro pro Jahr – reicht nur bis 2030. Bestatterin Vera Minrath hatte Klara Wind mehrmals darauf aufmerksam gemacht, dass sie den Betrag aufstocken müsste. Doch bei Klara Wind zeigten die ersten Anzeichen von Demenz. Und es schien kein Geld mehr da zu sein. Die Dinge wurden nicht geregelt. „Da fehlten also schon fünf Jahre Grabpflege.“
Wäre Klara Wind im Doppelgrab beerdigt worden, hätte der Ankauf wegen der vorgeschriebenen Ruhefrist für ihren Leichnam von 20 Jahren noch einmal bis 2043 verlängert werden müssen. Dann wären es also 13 Jahre, in denen kein Geld dafür da wäre, um das Grab in Ordnung zu halten. Um diese Verlängerung zu vermeiden, wurde Klara Wind allein in dem „Grab ohne Pflegeverpflichtung“ beigesetzt.
Kölner Friedhöfe sollen als „gepflegte Gesamtanlagen“ erhalten bleiben
Die Stadtverwaltung sagte auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“, dass die strenge Regelung zur Grabpflege vor allem wegen des Erscheinungsbilds der Friedhöfe festgelegt worden sei. Man will vermeiden, dass Gräber verwahrlosen: „Somit werden die Friedhöfe im Sinne aller Friedhofsnutzenden dauerhaft als gepflegte Gesamtanlagen erhalten. Zudem legen insbesondere die Hinterbliebenen umliegender Grabstätten viel Wert auf die Sicherstellung bzw. Einforderung der Grabpflege, um ihre besonderen Orte der Trauer und des Gedenkens in einem gepflegten und würdigem Umfeld zu wissen.“
Deshalb müsse die Grabpflege „im Vorsorgefall hinreichend berücksichtigt werden“. Dass die Friedhofsverwaltung in Notfällen einspringe, sei „mit Blick auf die Gebührengerechtigkeit grundsätzlich nicht möglich“. Denn die Kosten dafür müssten auf alle Zahler umgelegt werden.
Es gäbe nur sehr selten einen Fall wie den von Klara Wind, so die Stadt. In der Regel werde nach Lösungen gesucht und diese auch gefunden. Das sei aber abhängig von „den hinterlegten Mitteln“ oder davon, ob sich zum Beispiel doch noch Angehörige oder andere Zahler finden. Im Fall von Klara Wind ist dies nicht gelungen. Ulli Bock sagt: „Ich finde das sehr tragisch, dass es da keine andere Lösung gab.“
Frau Wind sei das gemeinsame Grab sehr wichtig gewesen. Beim Tod ihres Mannes im Jahr 2000 sei sie voller Trauer und überfordert gewesen und habe ihn zunächst in einem Einzelgrab bestatten lassen. Mit viel Mühe und bürokratischem Aufwand ließ sie ihn später in das Doppelgrab umbetten.
Klara Wind war möglicherweise bei den Kölner „Edelweißpiraten“
Nun soll wenigstens die Lebensgeschichte von Klara Wind, geborene Zander, gewürdigt werden. Sie gehörte nach ihren eigenen Angaben zu den „Edelweißpiraten“, einer Gruppe unangepasster Jugendlicher, die mit ihrem teilweise oppositionellen Verhalten ins Visier der Nazis gerieten. Klara Wind erzählte, dass sie sogar einmal von der Kölner Gestapo verhört worden sei. Ulli Bock hat deshalb ihren Nachlass an das NS-Dokumentationszentrum übergegeben.
Nach einer ersten Sichtung hält der wissenschaftliche Mitarbeiter Thomas Roth die Schilderungen für durchaus nachvollziehbar. In der Aussage einer Zeitzeugin, die archiviert ist, taucht eine „Kläre Zander aus Köln-Nippes, Balthasarstraße“ auf. Sie habe zu einer Gruppe von 15 bis 20 Jugendlichen, überwiegend Mädchen von 14 bis 18 Jahren, gehört, die sich auf dem Schlageter-Platz (so hieß der Rudolfplatz in der NS-Zeit) regelmäßig trafen und auch Fahrten ins Kölner Umland machten.
Beide Gräber werden wohl im selben Jahr abgeräumt
Bei einem Ausflug zum Drachenfels, bei dem einige aus der Gruppe Weintrauben stahlen, seien sie, so die Zeitzeugin, von der örtlichen Polizei kurzzeitig festgenommen und registriert worden. Wieder in Köln habe sie einige Tage später eine Vorladung zur Gestapo ins EL-DE-Haus bekomme und seien verhört worden. Womöglich war Klara dabei.
Das zugewiesene Reihengrab von Klara Wind wird anders als ein Wahlgrab schon nach zwölf Jahren, also 2035, geräumt und wieder neu belegt. Das Doppelgrab, in dem ihr Mann ruht, ist bis dahin möglicherweise schon entfernt, weil es nicht mehr gepflegt wurde.