Auf dem Symposium „Digitaler Friedhof“ im Kölner Mediapark wurde über den gesellschaftlichen Wandel beim Trauern und Gedenken nachgedacht.
Symposium „Digitaler Friedhof“Kölner Unternehmen „PBS Geo“ stellt digitalen Friedhofsplan vor
Vom Bergsteigen bis zum Ultramarathon – Hauswirtschafterin Lieselotte Müller, die von 1934 bis 2017 lebte, hatte ein Faible für Extremsportarten. Besondere Beachtung fand ein Fallschirmsprung aus 4100 Metern Höhe, den sie hochbetagt absolvierte. So ist es nachzulesen auf der Website „melaten.friedhofsplan.de“, der zu ausgewählten Gräbern auf Kölns größtem Friedhof mit Texten und Bildern Auskunft über Personen gibt, die dort ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.
Doch anders als etwa Alfred Biolek, Willy Millowitsch und Guido Westerwelle, deren Gräber auf dem digitalen Friedhofsplan ebenfalls mit einem Sternchen gekennzeichnet sind und über die sich durch einen Klick Näheres erfahren lässt, hat Lieselotte Müller niemals existiert. Ausgedacht hat sich die Extremsportlerin das Kölner Unternehmen „PBS Geo“, um zu demonstrieren, wie sich auch weniger prominente Menschen auf einem solchen Plan würdigen lassen. Den Rahmen bietet das zweitägige Symposium „Digitaler Friedhof“, das die Firma im „Komed“ im Mediapark veranstaltet. Es richtet sich an leitende Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen von öffentlichen, kirchlichen und privatwirtschaftlich organisierten Friedhofsverwaltungen. Rund 120 Teilnehmer aus ganz Deutschland sind dabei.
Gräber werden auf digitalem Lageplan angezeigt
Ein digitaler Friedhofsplan, der sich auf physisch existierende Gräber bezieht, ist nicht zu verwechseln mit einem „virtuellen Friedhof“, also einer Website, auf der für Verstorbene Gedenkseiten als „Online-Gräber“ eingerichtet werden. Daher spricht Stefan Schumacher, Geschäftsführer von „PBS-Geo“, mit Blick auf die Anwendung, die seine Firma entwickelt hat, von einem „digitalen Zwilling“ der realen Grabstätte.
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Wipperfürth zum Beispiel hat 2020 mithilfe von „PBS Geo“ ein „digitales Grabstätten-Auskunftssystem“ eingeführt. In einem Suchfeld tippt man den Namen des Verstorbenen ein, und schon wird das gesuchte Grab auf dem Lageplan angezeigt. Auf dem Friedhof arbeitende Personen hätten ebenfalls einen Vorteil von der Orientierungshilfe, sagt der Geschäftsführer.
Das Software-Unternehmen, das als führend auf seinem Gebiet im deutschsprachigen Raum gilt, hat noch weitere Anwendungen entwickelt, etwa zur Verwaltung öffentlicher Grünflächen und von Baumbeständen. Zu den mehr als 100 Kunden der Firma zählen laut Schumacher Frankfurt/Main, Recklinghausen, Erfurt und Schwerin. Mit der Stadt Köln stehe man „im Austausch“. In Montabaur in Rheinland-Pfalz hat „PBS Geo“ ein besonderes Projekt umgesetzt: Eine Schüler-AG recherchierte Lebensläufe gefallener Soldaten, die im „Ehrenhain“ begraben liegen, und die Ergebnisse fanden Eingang in den Online-Friedhofsplan der Gemeinde.
Künstliche Intelligenz kann Tote digital „wiederauferstehen“ lassen
Außer um solche Pläne und die digitale Aufbereitung von kulturhistorisch bedeutsamen Gräbern geht es bei der Konferenz unter anderem um die Online-Grabreservierung und den Datenschutz im Friedhofs- und Bestattungswesen. Thorsten Benkel, Soziologe von der Universität Passau, machte am Donnerstag, dem ersten Veranstaltungstag, in einem Vortrag deutlich, dass sich durch die Digitalisierung die „Rituale des Abschieds und des Bewahrens“ verändern.
Ein Beispiel für die neuen Formen des Trauerns ist die Umwandlung von Facebook-Profilen Verstorbener in Gedenkseiten. Ein weiteres sind Trauervideos, wie sie sich bei Youtube finden. Manche gehen so weit, Menschen mit deren Einwilligung beim Sterben zu zeigen – als Vermächtnis an die Nachwelt. Inzwischen ist es sogar möglich, Tote digital „wiederauferstehen“ zu lassen: Mithilfe künstlicher Intelligenz lassen sich lebensecht wirkende „Avatare“ von Verstorbenen zu produzieren.
Benkel spielte ein Video aus Südkorea vor, das eine trauernde Mutter zeigt, die, ausgestattet mit einer VR-Brille und Datenhandschuhen, ihrer toten Tochter scheinbar wieder begegnet und sie umarmt. Der Wandel der Trauerkultur, so fragwürdig manche neuen Formen auch sein mögen, lasse sich nicht aufhalten, sagte der Soziologe. Dazu gehöre die „Liberalisierung der Bestattungskultur“, bei der Deutschland hinterherhinke. Klarer Trend sei, „sich vom Grab zu entfernen“. Zugleich betonte Benkel, dass die „Anlaufstelle für Trauernde“ auf dem Friedhof ihre Bedeutung behalte. Am klügsten sei es, „Offline und Online zu verbinden“.
In diesem Sinne folgte dem Vortrag ein Ausflug in die analoge Welt. Begleitet von Stadtführer Günter Leitner, der das Symposium moderierte, und Armin Beuscher, früherer Gemeindepfarrer in Lindenthal, erkundeten die Teilnehmer in zwei Gruppen den Melatenfriedhof.