Köln – Vier Männer wuseln um eine junge Frau auf dem Roncalliplatz herum, ihr wird ein Gespräch aufgezwungen, die Situation ist unübersichtlich. Kurz darauf fehlt ihr das teure Smartphone, das sie doch extra noch in die Gesäßtasche gesteckt hatte, da ihr die Gruppe von vornherein suspekt vorgekommen war. Dank der Videoüberwachung können Polizisten die Täter blitzschnell orten und bis zum Breslauer Platz verfolgen. Hier kommt es zur Festnahme. Einer der sogenannten „Antänzer“ musste sich am Mittwoch vor dem Kölner Amtsgericht verantworten.
Verwirrung um Alter des Angeklagten
Der Prozess fand vor einer Jugendabteilung des Amtsgerichts statt, obwohl ein Gutachter dem Angeklagten, der unter zwei verschiedenen Namen und Geburtsdaten in Deutschland geführt war, bereits 2019 ein Alter von „wahrscheinlich 21“ attestiert hatte, womit das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden wäre. Unter anderem wurden Röntgenaufnahmen der Hand zur Altersermittlung herangezogen. Am Ende konnte aber ein jüngeres Alter nicht ausgeschlossen werden.
„Er weiß selber nicht genau, wann er geboren wurde“, erklärte Verteidigerin Anneke Bohlen für den Mandanten, dessen Eltern früh verstorben seien. Hatte er früher sein Geburtsjahr mit 2003 angegeben, hieß es nun „entweder 2000 oder 2001“. Als Herkunft hatte der Mann zuletzt Libyen angegeben, nun Algerien. Per Boot sei er nach Italien geflüchtet, er habe sich später kurz in einer Jugendeinrichtung in Paris aufgehalten, dann sei er irgendwie in Köln gelandet.
Bereits wegen einer Serie von Straftaten verurteilt
Der Angeklagte kann in der Kategorie Intensivtäter eingestuft werden, denn vor genau einem Jahr wurde er bereits für eine Serie von Taten, darunter Trickdiebstähle, zu einer Strafe von sechs Monaten Gefängnis ohne Bewährung verurteilt. Am Friesenplatz hatte er das Umfeld gesichert, während ein Komplize sich bei einem betrunkenen Mann eingehakt und diesem die Geldbörse gestohlen hatte.
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An der dortigen U-Bahn-Haltestelle hatte der Täter sich zudem auf der Rolltreppe hinter einer Frau postiert, den Reißverschluss ihrer Tasche geöffnet und ein Portemonnaie erbeutet. In der KVB-Linie 9 näherte er sich einem schlafenden Fahrgast und zog ihm 70 Euro aus der Hosentasche. Dazu kamen Ladendiebstähle mit einem Komplizen, in zwei Fällen wurden die Mitarbeiter, die die Täter erwischt hatten, körperlich angegriffen und mit dem Tode bedroht.
Richter verhängt Haftstrafe ohne Bewährung
Den aktuell verhandelten Diebstahl mit der „Antanz“-Masche hatte der Täter vergangenen November begangen, in weiteren Fällen hatte er ein gestohlenes Handy zur Aufbewahrung an sich genommen und Drogen in seinen Socken versteckt. „Er hat aus der ersten Verurteilung offenbar keine Lehren gezogen“, sagte Staatsanwalt Stefan Klatt und forderte eine Jugendstrafe von einem Jahr Haft, die abermals nicht zur Bewährung ausgesetzt werden könnte.
Verteidigerin Bohlen zeigte sich von dem Antrag überrascht. Der Angeklagte sei im Fall vom Roncalliplatz lediglich in der Gruppe dabei gewesen, man habe sich gegenseitig „hochgeschaukelt“. „Was soll er denn machen?“, fragte die Anwältin, ihr Mandant sei aus der Haft entlassen worden, habe keine Anbindung, spreche kein Deutsch. Und er sei aufgrund seiner Fluchterfahrung traumatisiert.
Richter Michael Pfennings verhängte am Ende die vom Staatsanwalt geforderte Haftstrafe von einem Jahr ohne Bewährung und griff die Worte der Verteidigerin in seiner Urteilsbegründung auf. „Er muss doch nicht straffällig werden“, sagte Pfennings. Der Angeklagte hätte ganz normal einen Asylantrag stellen können, doch offensichtlich wolle er sich hier nicht an die Regeln halten und lieber seinen Freiheitsdrang ausleben. Die Sozialprognose sei schlecht, den Haftbefehl erhielt der Richter aufgrund von Flucht- und Wiederholungsgefahr aufrecht. Rechtskräftig ist das Urteil nicht, der geständige Täter kann innerhalb einer Woche Berufung einlegen.