Hier steht nicht der Dom im Fokus, denn Köln ist viel mehr als sein Wahrzeichen: Es geht um versteckte Ecken, Zeugnisse vergangener Zeiten und Neues.
„Das eigentliche Leben dieser Stadt eingefangen“Reinhard Matz veröffentlicht Bildband über Köln
Im Martinsviertel posiert ein türkisches Brautpaar für Hochzeitfotos, durch die Severinstraße zieht eine Brauchtumsgruppe, Menschen ruhen auf mittelalterlichen Sarkophagen neben St. Andreas, im Inneren Grüngürtel wird Salsa getanzt, und auf den Poller Wiesen spielen Männer Fußball. Es sind Szenen, die der Fotograf Reinhard Matz bei seinen Streifzügen durch die Stadt festgehalten hat. Die Fotografien finden sich im opulenten Bildband „Köln – Bilder einer großen Stadt“, der am Freitag (22. September) im Greven Verlag vorgestellt wurde.
„Anstrengend“, aber auch „produktiv“ nannte Verlagsleiter Damian van Melis die Arbeit, aus mehreren Tausend Fotos eine Auswahl zu treffen. Der Anspruch sei gewesen, ein aktuelles Bild der „ganzen Stadt“ zu bieten. Oberbürgermeisterin Henriette Reker lobte das Ergebnis. Es sei „nicht einfach ein weiterer Bildband, der sich auf das Hochglanz-Köln stürzt“, sondern „ein Buch, das die Schattierungen, die Nuancen und damit das eigentliche Leben dieser Stadt in Bild und Text eingefangen hat“.
„Köln – Bilder einer großen Stadt“: Bilder entstanden innerhalb von fünf Jahren
Fünf Jahre lang hat Matz, der 20 Jahre offizieller Domfotograf war und ein ausgewiesener Kenner Kölns ist, die Stadt mit der Kamera erforscht, immer wieder auch jenseits der bekannten Pfade. „Köln – Bilder einer großen Stadt“ nimmt seine Leser und Leserinnen mit auf eine lange, mäandernde Wanderung, die im Hauptbahnhof beginnt und zunächst durch den Dom und die Altstadt führt. Dann weitet sich der Kreis, und es geht in andere Stadtteile. Dabei kommt das Rechtsrheinische nicht zu kurz. Das Herrenhaus des Thurner Hofs in Dellbrück und die Siedlungen „Blauer Hof“ und „Weiße Stadt“ in Buchforst kommen ebenso vor wie die Keupstraße und die Stegerwaldsiedlung in Mülheim, die Backsteinhäuser an der Wichheimer Straße in Buchheim und der Japanische Garten in Flittard.
Programmatisch dafür, dass sich der Bildband von anderen seiner Art abheben will, ist das Foto auf der Vorderseite des Umschlags: Es zeigt nicht den Dom, sondern, aufgenommen vom Gebäude der Industrie- und Handelskammer aus, die Basilika St. Gereon zwischen den Häuserzeilen der Gereonstraße, die auf die Basilika zuläuft. Zwischen den Buchdeckeln wird der Dom freilich ausgiebig gewürdigt. Überhaupt nehmen Gotteshäuser einigen Platz ein, von bekannten Kirchen wie den romanischen Sakralbauten in der Innenstadt bis zu weniger bekannten wie St. Amandus in Rheinkassel und der ehemaligen Klosterkirche St. Nikolaus in Dünnwald.
Die Synagoge in der Roonstraße darf ebenso wenig fehlen wie die Zentralmoschee in Ehrenfeld. Die Bandbreite der weltlichen Gebäude reicht von Gründerzeithäusern am Hansaring und der Bastei über den LVR-Turm und die Lanxess-Arena bis zum Neven DuMont Haus in Riehl und Schloss Arff in Roggendorf/Thenhoven. Wiederkehrende Großereignisse werden gegenwärtig in Fotos vom Karnevalstreiben, vom Ford-Marathon und von der CSD-Parade.
Rheinbrücken, römische Relikte, Straßenkunst, ausgediente Industrieanlagen, kleine Spezialgeschäfte, moderne Architektur… lang lässt sich die Liste dessen fortsetzen, was der Band vor Augen führt. Und das ist bewusst nicht nur Gefälliges. Als Beispiele nannte Matz die kniende Bettlerin vor dem Dom, die Baustelle des U-Bahn-Gleiswechselbauwerks, die sich dort befindet, wo das Stadtarchiv einstürzte, und die Nord-Süd-Fahrt. Eingestreut in das Buch sind Texte über Alltagsleben, Straßenszenen und Begegnungen, geschrieben von Anna Mayr; sie hat in Köln studiert und lebt heute in Berlin, wo sie für die „Zeit“ arbeitet.
Reinhard Matz (Fotos), Anna Mayr (Text): „Köln – Bilder einer großen Stadt“, Greven Verlag, 280 Seiten, 48 Euro.