In einer Demokratie tragen alle Verantwortung für den gesellschaftlichen Erfolg. Weder Stadtverwaltung noch die Politik nehmen alle Risiken ab.
Gastbeitrag der OberbürgermeisterinKöln muss Nationalradikalen und Populisten entgegentreten
Wenn wir heute über die Demokratie sprechen, kommen wir an einem Thema nicht vorbei: die Wahlerfolge einer nationalradikalen Partei und ihre viel zu hohen Zustimmungswerte. Mich erschüttert der Zuspruch für politische Ideen, die sich aus Angst und Frust speisen, die sich auf Demagogie und Populismus stützen, die zum Teil extremistisch sind, die auf Ausgrenzung, Autoritarismus und nationale Größe setzen.
Diese Entwicklung muss uns auch in Köln zum Gegensteuern bewegen – das ist neben den großen Transformationsfragen für unsere Stadt das entscheidende Thema! Damit will ich den Schlagzeilen der vergangenen Wochen nicht ihre Berechtigung absprechen. Natürlich müssen wir dann, wenn wir als Verwaltung neue Wege gehen – und das möchte ich weiterhin tun – die juristischen Risiken transparent machen. Das gilt für die grundsätzlich richtigen Ansätze der Mobilitätswende genauso wie für andere Zukunftsfelder.
Natürlich würde ich mir wünschen, dass wir auch in öffentlichen Debatten über Personalien stets den Respekt vor Bewerberinnen und Bewerbern bewahren, die Positionen in der Stadtverwaltung anstreben, obwohl mit dem Zeitpunkt ihrer Nominierung ein hoher öffentlicher Druck auf ihnen lastet. Und natürlich – um einen letzten aktuellen Aufreger anzusprechen – sollte das Domumfeld als Entree in unsere Stadt sauber und attraktiv sein – wir arbeiten an Lösungen, wie Sie wissen. Eine ebensolche Aufmerksamkeit – wenn nicht noch mehr – hat jedoch das darüber liegende Metathema der Demokratie-Akzeptanz verdient, wie ich meine. Nehmen Sie das Beispiel Domumfeld. Die Verwaltung kann die Reinigungsintervalle steigern, mehr Mülleimer aufstellen, mehr Knöllchen verteilen und vieles mehr.
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Desinformation der AfD
Aber am Ende bleibt hier – so wie bei allen Themen unseres Gemeinwesens – auch immer ein Stück Eigenverantwortung und Mündigkeit aller Staatsbürgerinnen und Staatsbürger.
Eine Demokratie ist nicht nur dann „res publica“, wenn es darum geht, Sachverhalte zu kommentieren. Die Demokratie selbst wird auch nicht einzig von den gewählten Vertreterinnen und Vertretern oder Amtsträgerinnen und Amtsträger getragen. Die Wahrheit ist: In einer Demokratie tragen alle Verantwortung für den gesellschaftlichen Erfolg. Weder Stadtverwaltung noch die Politik nehmen uns alle Risiken, Lasten und Probleme ab, sofern die Gesellschaft freiheitlich organisiert ist.
Natürlich wäre es zu einfach, nur auf Eigenverantwortung abzuzielen. Wir, die wir an der öffentlichen Meinungsbildung mitwirken, sollten uns selbst fragen, was wir zum Gelingen unserer Demokratie beitragen. Wie schaffen wir es, für unsere städtische Demokratie zu begeistern? Diese Frage hat mich zuletzt immer wieder beschäftigt. Abgrenzung? Ignoranz? Themen der Nationalradikalen selbst besetzen? Vieles ist schon bekannt und erprobt. Aus meiner Sicht braucht es jetzt vor allem drei Aspekte.
Erstens, keine Zusammenarbeit mit einer Partei, die sich gegen wesentliche Werte unseres Grundgesetzes stellt – konkret: Keine Unterstützung politischer Ideen aus diesem Lager und genauso wenig Absprachen zur Unterstützung eigener Ziele.
Zweitens brauchen wir einen Fokus auf Fakten statt auf Meinungen. Das gilt auch für die AfD, die Desinformation immer wieder zur Stimmungsmache nutzt. Alle, die ihre Positionen von Fehlannahmen, Unwahrheiten oder fehlender Sorgfalt bei der Recherche ableiten, sollten wir entzaubern statt kopieren.
Drittens – und das ist mir der allerwichtigste Punkt: Dem Angstvokabular der AfD müssen wir Glaubwürdigkeit und Fähigkeit entgegensetzen, Krisen zu meistern.
Lust am Gelingen statt am Scheitern
Wir brauchen Zuversicht, Zutrauen und Motivation – es bedarf mehr Lust am Gelingen als Lust am Scheitern. Statt einer Erzählung des Niedergangs geht es mir um eine positive Perspektive für unsere demokratische Gesellschaft. Sprechen wir über die Klimafolgenanpassung, die digitale Infrastruktur, die Mobilitäts- und Energiewende. Setzen wir mehr Zukunft auf die Tagesordnung! Gestehen wir den Ewiggestrigen nicht zu, die Agenda vorzugeben! Lassen wir Demokratinnen und Demokraten uns nicht gegenseitig durch Empörungsschleifen von der Sachorientierung abbringen!
„Der Staat ist um des Menschen willen da, nicht der Mensch um des Staates willen“ – so hat es das Verfassungskonvent von Herrenchiemsee vor 75 Jahren formuliert. Das ist die Richtschnur, die auch für heute gilt! Verwenden wir unsere Energie also darauf, was wirklich zählt.
Wenn ich gedanklich den Parcours von der Archäologischen Zone unter dem Rathausplatz bis in den Hansasaal durchlaufe, dann werden für mich drei Wesensmerkmale Kölns sofort augenfällig:
Erstens: Köln ist auf einem Erbe der Vielfalt errichtet! Römische Reste liegen neben Funden des mittelalterlichen Juden- und Goldschmiedeviertels und Kellern christlicher Familien – hier mitten in Europa an der Weggabelung zwischen Ost und West und Süd und Nord.
Zweites Merkmal: Kölns Rathaus erzählt vom 1216 erstmals erwähnten Rat, mit dem die bürgerliche Selbstverwaltung begann – ein allererster Schritt in Richtung Demokratie.
Und für das dritte Merkmal steht der Hansasaal selbst – ein Saal, der nach einem Kooperationsbündnis von Städten benannt ist: der Hanse. Wenn der vornehmste Raum einer Stadt nach einer Institution benannt ist, die für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit steht, dann ist nicht verwunderlich, dass es ein Sohn dieser Stadt war – Konrad Adenauer – der die europäische Integration als Chance ergriff.
Ich sehe uns daher gerade in Köln in der Pflicht, die Ausbreitung einer Geisteshaltung zu stoppen, die sich gegen all die Werte richtet, die unserer Stadt Erfolg beschert haben. Es ist an uns allen, jeden Tag für unsere pluralistische Demokratie zu begeistern! Mit Worten, mit Taten und mit einem positiven Blick nach vorn.