„Ich bin Wunschfee“Pandemie-Zeit in Köln trifft kleine Patienten besonders hart
- Wie reagieren Menschen – was erzählen sie, wenn man sie auf der Straße anspricht und zu einem Kaffee einlädt?
- Dieser Frage geht Susanne Hengesbach regelmäßig nach. Diesmal geht es um Silke Arenz, die Wünsche schwerkranker Kinder erfüllt.
- Die 51-Jährige Wuppertalerin betrachtet ihren Job selber als ein Riesengeschenk.
Köln – „Nein, jetzt mal im Ernst, was machen Sie wirklich?“ – „Ich bin Wunschfee“, wiederholt die Frau mir gegenüber. „Ich dachte, das gibt's nur im Märchen!“, sage ich. Silke Arenz lacht und fängt an, mir eine Geschichte zu erzählen, die tatsächlich märchenhafte Züge trägt. Auch für sie selber.
Die 51-Jährige ist die letzte Person aus meinem kleinen „Vorrat“ an Menschen, die ich unmittelbar vor dem Teil-Lockdown angesprochen habe, um die Rubrik fortführen zu können, wenn die Cafés geschlossen sind. Ich begegne der gebürtigen Wuppertalerin in Lindenthal und erfahre, dass sie gerade aus der Uniklinik kommt, wo sie eine Piekse-Kiste abgegeben hat. „Eine was?“ – „Piekse-Kiste“, sagt Arenz noch einmal und erklärt, was es damit auf sich hat.
Geschenke für besonders tapfere Kinder
Das seien Kartons mit kleinen Geschenken: Puzzles, bunt leuchtende Knete, Seifenblasen. Davon können sich die Kinder auf den Untersuchungsstationen etwas aussuchen, wenn sie tapfer gewesen sind.
„In Corona-Zeiten dürfen sie sich auch öfter was nehmen.“ Die Pandemie-Zeit treffe kleine Patienten besonders hart, da sie pro Tag maximal eine Stunde Besuch bekommen dürften. Dieses Weniger an Zuwendung, was die Kinder sonst von Eltern, Omas oder anderen Angehörigen erhielten, müssten jetzt die Pflegekräfte kompensieren. „Was das für die Stationen bedeutet, können Sie sich denken.“
„Darüber habe ich noch nie nachgedacht“, muss ich gestehen. Auch nicht darüber, dass die kleinen Patienten jetzt viel mehr alleine sind. „Gerade in der Weihnachtszeit ist das bestimmt besonders schlimm.“ Arenz nickt und sagt, sie sei so glücklich darüber, mit den Piekse-Kisten wenigstens kleine Freuden bereiten zu können.
Der ganze Körper von Mehlwürmern übersäht
Eigentlich ist die 51-Jährige die Fachfrau für große Freuden, erfahre ich im Gespräch. Die Wuppertalerin ist seit zwei Jahren hauptamtlich für den Verein „Wünsch Dir was“ tätig, der seinen Sitz an der Widdersdorfer Straße hat. Gemeinsam mit vier weiteren Personen fungiert sie als Wunscherfüllerin. Zuvor sei sie lange Zeit im Eventmanagement tätig gewesen, erzählt die Werbefachfrau, die es noch immer „als Riesengeschenk“ betrachtet, eine solche Stelle bekommen zu haben. „Weil es nichts Schöneres gibt, als Kinder strahlen zu sehen, die man glücklich gemacht hat.“
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„Wir erfüllen die Herzenzwünsche von schwerkranken Kindern und Jugendlichen“, umschreibt mein Gegenüber die Zielsetzung des bundesweit agierenden Vereins und erzählt von Tommy, einem 14-Jährigen, der lange davon geträumt hatte, einmal die Erdmännchen im Zoo füttern zu dürfen. „Ach, das war so supersüß“, schwärmt Arenz, die als „Wunschfee Silke“, wie sie tatsächlich von den Patienten genannt wird, die Realisierung in der Gelsenkirchener Zoom-Erlebniswelt ermöglichte. Der Junge, der infolge eines Fahrradunfalls ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten hatte, stand im Gehege und ließ versehentlich das Futter, die Dose mit Mehlwürmern los, woraufhin sich diese auf seinem ganzen Körper verteilten „und die Erdmännchen dann entsprechend auch“. Wir lachen beide.
Einmal Lockvogel bei „Verstehen Sie Spaß?“
Dass solch hautnahe Begegnungen auf ewig im Gedächtnis bleiben, ist klar. Aber auch unspektakulär klingende Wünsche wie „einmal Synchronsprecherin sein“, was sich ein fast erblindetes Mädchen gewünscht hatte, gingen mit großen Glücksgefühlen einher. „Wirklich doof“, findet Arenz, dass die Corona-Pandemie so viele Wünsche durchkreuzt. „Den Lieblingssänger hinter den Kulissen treffen oder mit einem richtigen Star am Herd wie den TV-Köchen Nelson Müller oder Roland Trettl kochen – alles geht gerade nicht.“ Blöd sei für die Kinder auch, dass etwa mangels großer Hochzeitsfeiern oder Geburtstagspartys viel weniger Spendengelder als sonst flössen. „Dabei gibt ein erfüllter Wunsch so viel Kraft und Lebensmut.“
An welcher Aufgabe Wunschfee Silke derzeit bastelt, will ich abschließend wissen. „Eines unserer Kinder will unbedingt mal Lockvogel bei »Verstehen Sie Spaß?« sein.“ Dieses Ansinnen, verspreche ich zum Abschied, leite ich direkt an Guido Cantz weiter.