„Ordnungsamt kam mehrmals vorbei“Kölner Szene-Kneipe kämpft sich durch
- Die Szene-Bar „Mäurer“ an der Roonstraße gibt es seit genau einem Jahr. Die drei Betreiber lernten sich in der Vorgänger-Bar Boogaloo kennen.
- Die Bar trägt sich unter Corona-Auflagen finanziell selbst, weil die Betreiber unbezahlt mitarbeiten.
- Ein Gespräch über Räumungen am Zülpicher Platz, wirtschaftliche Herausforderungen und die Zukunft des Nachtlebens.
Köln – Vor einem Jahr hat das „Mäurer“ eröffnet – ein halbes Jahr später kam der Lockdown. Wie läuft es nun?
Birkhahn: Es lief mal besser. Zunächst hatten wir nur freitags und samstags auf, mittlerweile haben wir auf mittwochs ausgeweitet. Früher hatten wir viele Stehplätze, da passten an die 70 Leute rein. Jetzt nur noch 25. Wir haben auch keine Außengastro. Da gab es zwar ein Entgegenkommen der Stadt, wonach man Parkplätze als Außenfläche generieren kann. Theoretisch wäre die Breite von 2,50 Meter am Gehweg auch da, aber es ist eine Ladezone und die Leute parken auf dem Bordstein, dadurch wäre diese Grenze unterschritten. Ein weiter Faktor erschwert die Arbeit derzeit: Die Anwohner, die sich durch das Aufkommen abends am Zülpicher Platz belästigt fühlen. Wenn wir dann unsere Fensterfront offen lassen, um den Laden besser zu durchlüften und den Gästen die Option zu lassen, in kleinen Grüppchen vor der Kneipe zu stehen, wird das mittlerweile schnell aufgelöst. Das Ordnungsamt kam schon mehrmals vorbei.
Möckel: Die Ordnungskräfte sind recht kulant. Sie geben uns die Möglichkeit, das Fenster länger offen zu lassen, aber dann rufen die Nachbarn an.
Die Hitze im August kam sicher auch erschwerend hinzu.
Möckel: Wenn es so richtig heiß ist, kommen die Leute eher nicht rein. Gastronomen kennen das Problem mit dem Sommerloch, vor allem, wenn man keine Außenbestuhlung hat. So ein kleiner Laden lebt ja auch davon, dass er voll ist. Und er lebt davon, dass die Leute sich näher kommen. Im Restaurant stört es mich nicht, dass ich die Abstände einhalten muss, aber hier kommt man hin, um Freunde zu treffen, Leute kennenzulernen.
Halten sich die Gäste denn an die Auflagen?
Birkhahn: Je später es wird, desto aufwendiger wird die Erinnerungspraxis. Im Grunde hat man nicht das typische Publikum, das hier in der Gegend Cocktails trinken geht oder auf der Straße steht. Das läuft gut, wenn man die Gäste draußen anspricht. Sie sind sehr zugänglich.
Das Problem ist, dass man trotz der geringen Auslastung mehr Personal braucht. Das Zuweisen, die Listen: Es wäre nur einer nötig bei 24 Plätzen. Wenn wir nicht selber unbezahlt mit arbeiten würden, dann wäre es irgendwann zappenduster.
Nächtliche Räumungen am Zülpicher Platz
Der Zülpicher Platz war vor Corona und ist auch jetzt ein nächtlicher Hotspot. Am Wochenende wird häufig geräumt. Was kommt davon bei Ihnen an?
Birkhahn: Man bekommt es natürlich mit, wenn die Wagen der Hundertschaft hier parken. Der Platz weiter vorne wurde mit Bauzäunen abgesperrt. Als Wirt hat man ständig das Gefühl, dass gleich eine Kontrolle kommt und man irgendwas falsch macht. In der Tat hat uns aber die Polizei für unser vorbildliches Verhalten gelobt. Es ist schwierig als Ordnungskraft: Die Leute wollen raus und das lässt sich nicht vermeiden, auch wenn es nicht nachvollziehbar ist, warum es in der Form passiert, und sie sich nicht etwa auf einer weiteren Flächen in kleinen Gruppen aufteilen statt hier im Bulk zu stehen. Mit Sicherheit schaukelt sich das gegenseitig auf: einerseits durch die Präsenz der Ordnungskräfte und andererseits durch eine Gruppe von ein paar Hundert Leuten, die alkoholisiert ist und nicht einsieht, warum sie nach Hause gehen soll. Durch das rücksichtslose Verhalten, eher der jüngeren Leute, werden Leute in Mitleidenschaft gezogen, die ihre Geschäfte ernsthafter betreiben. Denn das wird ja Konsequenzen geben.
Zu den Personen und zur Bar
Valentin Möckel, Frederik Birkhahn und Ahmet Demirhan betreiben gemeinsam die „Mäurer“-Bar an der Roonstraße. Alle drei haben daneben einen anderen Beruf. Möckel ist Steinmetz und Birkhahn führt zusammen mit Demirhan ein Architekturbüro. Die drei lernten sich am Tresen des „Boogaloo“ kennen, der Vorgänger-Kneipe vom „Mäurer“, wo sie alle jobbten. Die Bar ist nach dem Vermieter des Hauses benannt. (gam)
Sie sind beide berufstätig und haben andere Standbeine außer die Kneipe. Kann das Mäurer noch ein paar Monate durchhalten?
Birkhahn: Der Laden trägt sich mit den eingeschränkten Öffnungszeiten jetzt immerhin selber. Dementsprechend bin ich, wenn es keinen zweiten Lockdown gibt – noch – zuversichtlich.
Möckel: Andererseits wenn es noch zwei Jahre so weiter geht und wir an zwei Abenden die Woche ehrenamtlich hier stehen, geht das auf die Knochen, wenn man keine Möglichkeit hat, etwas zurückzulegen und unter der Woche noch einen anderen Job hat.
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Hier war vorher jahrelang die Boogaloo-Bar. Eine Begründung für die Schließung war der Wandel des Zülpicher Platzes hin zu jüngerem Publikum und Feiermeile. Das „Mäurer“ ist eher eine untypische Kneipe für die Gegend.
Möckel: Dass wir den Laden hier eröffnet haben, hat sich ergeben und nicht um bewusst ein Gegenpol zu sein. Die Menschen, die herkommen, stammen oft aus unserem Umfeld und teilen unsere Interessen: Häufig sind das Leute aus dem Musikzweig, meist ab 25 bis weit über 50. Es soll nicht so viel Werbung im Laden geben und wir finden es besser, wenn es eher zusammengewürfelt aussieht und nicht wie im Ikea-Katalog.
Das Mäurer hat sich nach einem Jahr äußerlich sehr verändert: Es gibt viele Kritzeleien an den Wänden und deutliche Gebrauchsspuren.
Möckel: Die Wände sind sehr dunkel. Es soll ja auch Atmosphäre entstehen, nicht so wie woanders, wo die Lichtstrahler grell leuchten. So, dass die Leute auch etwas länger bleiben und sich einmuckeln können. Man bekommt so aber nicht mit, wenn jemand etwas an die Wand kritzelt. Wenn einer anfängt, dann fühlen sich andere auch animiert.
Birkhahn: Die ersten Kritzeleien haben mich aufgeregt, weil ich den Laden kurz vorher selbst gestrichen hatte. Man sieht es manchmal, und hat die Leute angesprochen, aber dann macht man ja auch keinen Aufstand mehr. Letztendlich sind wir kein Schicki-Micki Laden – da gehört es in gewisser Weise dazu – das wächst mit in die Kneipe rein. Wie Gegenstände, die man geschenkt bekommt, und als Deko hier stehen oder Plakate, die hängen bleiben. Das gibt dem ganzen Charakter.
Herausforderungen für Wirte
Was sind – abgesehen von der Corona-Krise – Herausforderungen als Wirte, an die Sie vor der Eröffnung nicht gedacht hatten?
Möckel: Unvorhergesehene Ausgaben: Dass zum Beispiel technische Teile im Nachtbetrieb kaputt gehen können.
Birkhahn: Das richtige Team zusammenzustellen. Ende vergangenen Jahres waren wir noch zu zwölft, die alle in unterschiedlichen Konstellation hier arbeiteten. Und ein Laden lebt natürlich von gleichbleibenden Leuten an der Theke und ihrem Charakter. Jetzt sind nur noch die geblieben, die sich damit identifizieren und die nicht nur ihr Studium damit finanzieren müssen – das tun sie auch – aber sie haben eine andere Motivation. Das merken wir gerade in der Krise.
Die Corona-Abstandsregel wird uns vermutlich noch einige Zeit begleiten. Was sind Ihre Prognosen und Hoffnungen für das Nachtleben?
Birkhahn: Ich glaube, dass die Maßnahmen sinnvoll und notwendig sind. Der Supergau hat hier schließlich nicht stattgefunden. Dementsprechend sehe ich die Sache noch positiv. Wenn wir gemeinsam noch etwas durchhalten, kehrt hoffentlich bald wieder Normalität ein.
Möckel: Wir hoffen, dass es im Herbst wieder etwas stabiler wird, wenn die Menschen nicht mehr so viel draußen sind. Wenn wir über den ganzen Abend unsere sechs Tische permanent besetzen können, bin ich zuversichtlich, dass der Laden sich weiterhin tragen kann. Für die Clubs allerdings ist es bitter, weil sie ihren Platz nicht begrenzen können.