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Kölner Jazzlokal-Inhaber„Mitgröl-Gäste können mit unserer Musik nichts anfangen“

Lesezeit 6 Minuten
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Betreiber Hanns Buschmann im „Klimperkasten“ am Alter Markt

  1. Das Papa Joe's Jazzlokal gibt es bereits seit 1974, der Klimperkasten am Alter Markt kam drei Jahre später dazu.
  2. Die beiden Lokale zeichnen sich durch die originale 20er-Jahre Einrichtung sowie die dazu passende Musik aus den Goldenen Zwanzigern aus – doch leicht war es in Köln nicht immer.
  3. Betreiber Hanns Buschmann spricht über die Krisen im Jazzlokal, den verstorbenen Papa Joe, überteuerte Getränke und das Lärmpublikum in der Altstadt.

Köln – Ein Abend im Papa Joe’s Jazzlokal ist wie ein Ausflug in die 20er Jahre. Kunstreproduktionen von Gemälden wie „Großstadt“ von Otto Dix oder golden gerahmte Collagen mit Nacktbildern und Jazzmusikern ziehen sich durch das Lokal. Von der Decke baumeln Posaunen, Trompeten dienen an der Theke als Beleuchtung. Für ihre Lokale „Em Streckstrump“ am Buttermarkt und „Im Klimperkasten“ am Alter Markt verwenden die begeisterten Sammler und Betreiber Hanns und Marcus Buschmann nur Originale. Wir haben Hanns Buschmann getroffen.

Herr Buschmann, mit der originalen 20er-Einrichtung im Papa Joe’s Jazzlokal „Em Streckstrump“ und der Musik der Goldenen Zwanziger liegen Sie ziemlich im Trend. Was ist so faszinierend an der Zeit?

Es spielt eine Rolle, dass bald wieder die 20er da sind, nur hundert Jahre später. Und man merkt einen Umbruch in der Politik. Die klassischen Parteien haben keine Funktion mehr und auch Konfrontationen zwischen links und rechts sind viel aggressiver. Man fühlt sich in diesen Dingen an die 20er erinnert. Was ich faszinierend finde, war dieses Gemisch aus Politik, Wirtschaft und Kultur.

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Von der Decke baumeln Posaunen, Trompeten dienen an der Theke als Beleuchtung.

Das Papa Joe's Jazzlokal gibt es seit 1974, der Klimperkasten am Alter Markt kam drei Jahre später dazu. Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Das Geheimnis ist, dass unsere ganze Familie Musik macht. Die Brüder machen Jazz, die Frauen spielen Instrumente, ich selbst trete oft in kleinen Theatern auf, früher noch mit dem Papa Joe am Klavier. Mein Vater war Berufsmusiker, nach dem Krieg hatte er eine eigene Swingband und hat für die Amerikaner gespielt. Über Generationen sind wir also schon mit Musikern aus dem Rheinland vernetzt. Dadurch rennen uns die Bands die Bude ein.

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Das Jazzlokal „Em Streckstrump“ am Buttermarkt

Auf Ihrer Homepage bezeichnen Sie sich als das deutschlandweit erste Live-Jazzlokal. Wie kam ihr Vater damals auf die Idee?

Wir behaupten, dass wir das älteste Jazzlokal mit täglicher Live-Musik sind. Nur über Weihnachten machen wir drei Tage zu. Der Vater meines Vaters hatte schon das Brauhaus „Siechen“ am Dom, mein Vater ist also in der Gastronomie groß geworden. Dann spielte er Jazz in Bands und bekam uns vier Söhne. Er hatte Panik, denn es ist ein harter Existenzkampf. Papa Joe war dann auch ziemlich bekannt in Köln, er hatte nämlich die erste Diskothek, das „Orchestrion“ am Hahnentor. Es hieß so, weil er ein riesiges Orchestrion an die Wand gestellt hatte. Die Leute hatten aber kein Interesse mehr an so einer Musik. Sie wollten Discomusik von den Plattenjockeys, wie man sie damals nannte. Es legten Leute wie Frank Elstner oder Jack White auf. Bands aus Köln und andere Stars verkehrten in dem Laden.

Gab es auch mal Krisen im Jazzlokal und wie haben Sie diese überstanden?

Mein Vater spielte nur den traditionellen Jazz: New-Orleans-Jazz und Dixieland. Als ich mit meinem Bruder Marcus den Laden 1987 übernommen habe, merkte man, dass das Interesse dafür nachließ. Dass das langsam einschlief. Es war eine andere Generation. Dann kam der Swing wieder und wir haben uns musikalisch geöffnet. Wir haben jetzt nur noch ganz wenig Dixieland-Jazz. Wir decken ein großes Spektrum ab: Von Bebop bis hin zu Swing. Außerdem spielen wir Blues und Latin.

War die musikalische Öffnung schmerzhaft für Sie?

Nein, gar nicht. Für ganz alte Bands schon, weil wir das eben nicht mehr täglich machen konnten. Wir haben den Laden dann modernisiert, auch den Klimperkasten, aber nicht so, dass es ein gesichtsloser Club wird. Was man heutzutage oft sieht, das sind so Lounge-Clubs, die sehen aus wie im Flughafen. Sie könnten in jeder Stadt der Welt stehen. Das Publikum wurde daraufhin sofort jünger.

Wie hat sich die Altstadt verändert?

Am Wochenende gibt es viel Remmidemmi. Überall sieht man Türsteher, um die Leute zu selektieren, oder Randalierer nicht reinzulassen. Es ist ein merkwürdiges Phänomen, dass wir das in 45 Jahren nicht nötig hatten, weil die Musik das Publikum filtert. Leute, die in Lokale wie die Klapsmühle gehen, rennen weg, wenn sie Swing hören.

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Das Jazzlokal „Im Klimperkasten“ am Alter Markt

Gut für Sie, denn am Wochenende gibt es auch einige „Party-Touristen“, größere Gruppen wie Junggesellenabschiede und Ähnliches.

Ja, denn wir spielen keine Musik zum Mitgröhlen. Mit Jazz und Improvisation muss man sich erst auseinandersetzen. Da kann ein Lärmpublikum nichts mit anfangen. Wenn solche Gruppen reinkommen, bleiben sie fünf Minuten und gehen wieder.

Was machen Sie bei Großveranstaltungen in der Altstadt wie dem Christopher Street Day oder Karneval?

Den CSD bekommen wir nicht viel mit, die Leute gehen dann in Szenelokale. Solche Events bedeuten ganz schlechte Tage für uns. An Karneval, also von Weiberfastnacht bis Rosenmontag, räumen wir allerdings den Laden leer und feiern. Das müssen wir machen. Das ist die einzige Ausnahme.

Im Papa Joes fanden bereits über 17.000 Konzerte statt, Sie zählen die Gigs auf einem Display vor dem Lokal mit. Wie gehen Sie mit dem Druck um, jeden Abend etwas abliefern zu müssen?

Es macht uns tatsächlich keine Mühe. Wenn Bands in der Gegend sind, wollen Sie eigentlich immer bei uns spielen, wegen des Renommees. Unser Programm steht bereits schon bis Ende April 2020.

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Und wenn schon die Planung der Konzerte keine Mühe bereitet: Wie sieht es mit dem Versprechen aus, jeden Tag freien Eintritt zu gewähren?

Das ist schwieriger zu halten. Die Bands bekommen eine Gage, die nicht so hoch ist. Bei uns gibt es die Tradition, dass die Bands zwischendurch auch noch sammeln. So geht ein Musiker je nach Abend mit 100 oder 150 Euro nach Hause. Was die Leute nie kapieren ist, dass wir einen Getränkezuschlag haben. Im Jahr haben wir 120.000 Euro an Live-Kosten. Die müssen irgendwie reinkommen, das probieren wir eben über die Getränke. Häufig lesen wir im Netz: War alles super, nur unverschämte Preise.

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Viele Bands spielen live in den Jazzlokalen.

Apropos Getränke: Ihr Cocktail-Automat heißt Cocktail-Joe. Er kann bis zu 70 Cocktails herstellen. Die Figur des Barkeepers wurde in den letzten Jahren ziemlich aufgewertet. Sie im Gegenzug lassen Cocktails automatisch mixen. Wie passt das zusammen?

Mein Bruder hat den mit seinen Söhnen gebaut, einer studiert Maschinenbau, einer Informatik. Wir haben auch schon Lachautomaten selbst gebaut oder die Pneuphoniker (selbstspielendes Orchester mit den Figuren Tünnes und Schäl, Anm. d. Red.), was gut ankommt. Wir sammeln mechanische Instrumente aus den 20ern. Das ist Hobby-Tüftlerei. Bei den Cocktails haben wir gemerkt, dass wir mit der Zeit gehen müssen und nicht nur zwei oder drei anbieten können. Bei so einem kleinen Laden, der von 8 bis 2 Uhr aufhat, müsste man zwei Bartender und eine Urlaubsvertretung einstellen. Das können wir nicht finanzieren. Mein Bruder Marcus hat mit seinen Söhnen die Maschine drei Jahre entwickelt und so ein richtiges Show-Gerät mit wechselnden Farben hergestellt. Die Qualität hängt nicht von der Laune des Barkeepers ab und die Cocktails schmecken gleichbleibend gut.