Kölner Cocktailbar-Besitzer„Vor den Bars werden keine Abstände gewahrt“
- Simon Bach von der Cocktailbar „Woods“ stellt einen Trend weg vom Alkohol fest. Der neue Gin sei der ohne, sagt der Wirt.
- Um die Corona-Auflagen bestmöglich einzuhalten, hat das Woods ein 15-seitiges Hygiene-Konzept geschrieben. Auf den Straßen würden die Leute jedoch nachlässiger.
- Ein Gespräch über Getränketrends, die Kölner Cocktailszene, die Friesenstraße und veränderte Arbeitsbedingungen.
Herr Bach, wie haben die Corona-Auflagen Ihre Arbeit verändert?Bach: Wir waren mit die letzten, die wieder geöffnet haben. Das war vor etwa 7 Wochen. Wir wollten uns bewusst Zeit lassen und haben ein 15-seitiges Konzept geschrieben, wie wir die Maßnahmen umsetzen wollen und haben die Bilderrahmen als Spuckschutz an der Theke machen lassen. Ganz einfache Arbeitsschritte werden verkompliziert: Wenn man Gläser einsammelt, muss man sich anschließend die Hände desinfizieren. Man muss seine Arbeitsroutinen durchdenken. Wir arbeiten jetzt immer zu zweit, bis zu 20 Gäste schafft normalerweise alleine, aber jetzt muss man jeden Gast einzeln an der Tür abholen und in die Regeln einweisen.
Wie war die Atmosphäre in der Friesenstraße vor Corona und wie ist sie jetzt?
Vor Corona war hier freitags und samstags richtig Rambazamba, vor allem weiter vorne mit dem „Heising & Adelmann“ war die Straße immer voll. Dann lag es lange Zeit komplett brach und auch jetzt ist deutlich weniger los, wobei es die letzten zwei, drei Wochen mit dem Einhalten der Regeln nachgelassen hat. In den Warteschlangen oder in Trauben vor Bars werden keine Abstände gewahrt und die Leute stehen dicht an dicht. Wenn ich um 1 Uhr Feierabend mache, höre ich hier und da: Das Ordnungsamt war wieder da. Es scheint stark zuzunehmen.
In Ihrem Lokal können normalerweise 28 Menschen sitzen, nun sollen es maximal 14 Menschen sein, einen Außenbereich gibt es nicht. Ist man da als Wirt gestresst, weil man denkt: „Trinkt bitte schneller, ich setze sonst kaum was um?“
Ich als Besitzer habe natürlich schon den Gedanken. Aber ich habe direkt an meine Mitarbeiter kommuniziert, dass weiterhin gilt: Jeder darf sich so viel Zeit nehmen, wie er braucht, um sein Getränk in Ruhe auszutrinken. Wir haben keine vorgegebenen Zeiten. Wenn die Leute anrufen und reservieren, frage ich aber aktiv nach, ob es eher ein gemütlicher Abend werden soll oder ob sie danach noch weiterziehen. In dem Fall spreche ich offen an, dass ich den Tisch ab einer gewissen Uhrzeit gerne weiter vergeben würde. Das wird sehr verständnisvoll angenommen, wofür ich dankbar bin.
Der Trend geht vom Alkohol weg
Nun zu Ihrem Kerngeschäft: den Cocktails. Jahrelang dominierte der Gin als Trendspirituose den Markt. Man könnte jetzt meinen, der Gin sei tot – ist da etwas dran?
Das würde ich nicht sagen, Gin ist schon noch da. Ich habe immer wechselnde Gins im Angebot, sechs führen wir in der Karte, 12 bis 18 Stück stehen hier. Er wird getrunken, ist aber nicht mehr die mit Abstand am meisten verkaufte Spirituose hier. Mit Rum sind wir sehr gut aufgestellt sowie auch Whiskey. Auch Portwein – ist zwar keine Spirituose – aber durchaus Thema oder Wermut: beide Getränke mit weniger Alkohol. Der Trend ist nicht einseitig, sondern breitgefächert. Der Gin hat uns allen insofern etwas gebracht, als die Leute interessierter an der Materie sind.
Zur Person und zur Bar
„Woods“-Inhaber Simon Bach ist 33 Jahre alt und lebt seit 2009 in Köln. Während seines BWL-Studiums arbeitete er schon in der Gastronomie und veranstaltete Tastings. Später stand er in der „Ona Mor“-Bar hinter der Theke. Das „Woods“ eröffnete im Juli 2019. Charakteristisch für den Laden ist eine wellenförmige, aus Eichenholz gefertigte Decke. Und auch bei der übrigen Einrichtung dominiert das Material Holz, passend zum Thema Wald.In der Karte greift das Woods Assoziationen auf, Drinks heißen etwa „Fuchs“ oder „Waldkauz“. Ein Fokus bei den Cocktails liegt auf Korn, einer Spirituose, die für Cocktails eher wenig bekannt ist. Neben den 21 Eigenkreationen kann man auf Nachfrage auch klassische Cocktails bestellen. Simon Bach plant in der Zukunft die Eröffnung einer weiteren Bar, „bei der anders als im Woods die Außengastronomie eine wichtige Rolle spielen soll“. (gam)
In Berlin gibt es mittlerweile die erste alkoholfreie Bar. Stellen sie diese Bewegung weg vom Alkohol auch bei Ihnen fest?
Wenn es eine neue Trendspirituose gibt, dann ist es kein Alkohol. Also wenn es einen zweiten Gin gibt, dann ist es der ohne. Aber ich denke, dass das erst in zwei bis drei Jahren relevant wird, wenn es die breite Masse erreicht. In dieser Bar haben wir von Anfang drei alkoholfreie Cocktails von insgesamt 21 Eigenkreationen auf der Karte. Das klingt erst einmal nicht viel, aber wir haben versucht, verschiedene Geschmäcker abzudecken. Wir wollten die Karte klein halten und die 18 anderen haben gerade so gereicht. Wir überlegen auch einen vierten alkoholfreien einzuführen. Sie laufen zwar nicht am besten, aber eben auch nicht am schlechtesten. Diese Drinks sind aufgebaut wie alkoholische – die Komplexität ist da. Es war uns wichtig, dass wir nicht einfach drei Säfte mixen. Es kommen gerade sehr viele interessante Ersatzprodukte auf den Markt, die geschmacklich eine ähnliche Tiefe wie Alkohol haben wie außergewöhnliche Sirupe, kräftige Gewürzwasser und Tees. Ich trinke super gerne einen Old Fashion, aber ich kann nur einen trinken, weil ich den sehr stark merke. Wenn ich aber denselben Geschmack habe, aber keinerlei Wirkung, fänd ich’s sehr viel schöner. Die Leute kommen für den Geschmack in meine Bar und nicht für die Wirkung. Es gibt aber viele hochwertige Produkte, die sich nicht ersetzen lassen. Deswegen sehe ich es auch mit Acht.
Und wie setzt sich ein alkoholfreier Cocktail beispielsweise zusammen?
„Peter Lustig“, wie der Cocktail heißt, ist ein filigraner Drink mit Rosenblütenwasser, Verjus, einem sauren Traubensaft, Löwenzahn-Sirup, weiße Traube, bisschen Salz und Sprudelwasser. Oder der Inbegriff eines alkoholisch schmeckenden nicht-alkoholischen Drinks ist der „Fuchs“. Ein listiger Cocktail so gesehen mit einer italienischen Bitter-Limonade, dem „Crodino“ mit Lakritzsirup. Kann man skeptisch werden, aber das macht die schöne Wirkung im Drink, die normalerweise der Alkohol übernimmt. Eine Art alkoholfreier Negroni.
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Was ist ein geeigneter alkoholischer Sommer-Cocktail?
Zum Beispiel etwas mit Grapefruit-Limonade, was derzeit gut läuft. Aber auch Kaffee-Tonic.
Wird der Kaffee da nicht verunstaltet?
Man darf da skeptisch sein und ich würde es nicht als abgefüllte Flasche trinken, sondern ich würde es als Cold-Brew (mit kaltem Wasser zubereiteter Kaffee, Anm. d. Red.) machen und Bohnen benutzen, in denen keine Bitterstoffe enthalten sind, weil es sich mit dem Chinin im Tonic Water beißen könnte, das ebenfalls Bitternoten enthält. Nur Kaffee und Tonic finde ich sehr schwierig, aber verbunden mit einer schönen, weichen Spirituose wie zu Beispiel roten Wermut hat man direkt einen Cocktail und ein wunderbares Getränk, schön sommerlich und erfrischend.
In Köln gibt es eine durchaus ausgeprägte gehobene Cocktailszene. Wenn man die neuesten Entwicklungen verfolgt, ist man da geneigt, eher nach Deutschland oder ins Ausland zu blicken?
Man hat ein Auge in alle Richtungen, vor allem auch nach Köln. Wir haben eine sehr schön zusammen arbeitende Szene. Jeder kennt jeden. Deswegen ist es eine natürlich gewachsene Struktur, wo keiner einem böse ist. Seit Corona haben wir eine Chatgruppe, in der wir uns austauschen. Ich schaue aber auch deutschlandweit. Berlin hat immer noch eine führende Position, allein von der Anzahl hochwertiger Bars her. Hamburg hat zuletzt einen großen Sprung nach vorne gemacht, Frankfurt etwas nachgelassen. Es gibt auch kleinere Städte wie Stuttgart oder Karlsruhe, die super gute Cocktailbars haben. Ich schaue auch immer international und war auch schon in vielen Top-100 Bars. Insgesamt ist es aber nicht so relevant, letztlich geht es mir um meine Bar und meine Gäste. Ich will mich nicht ständig nur vergleichen.
Während des Lockdowns haben Sie Cocktail-Kurse gestreamt. Entwickelt sich das nun zum neuen Geschäftsfeld?
Als der Lockdown kam, bin ich davon ausgegangen, dass wir bis zum Sommer nicht werden öffnen können. Wirtschaftlich haben wir uns mit einem Kredit geholfen und versucht, andere Wirtschaftszweige zu eröffnen und vor allem in aller Munde zu bleiben. Ich denke, das hat geklappt. Wir sind direkt online gegangen mit „Woods on air“ und haben auch Cocktailboxen zusammengestellt. In der Hochphase hatten wir bis zu 100 Teilnehmer, die live mitgemacht haben und in einer Woche haben wir mal 50 Boxen verkauft. Klar, jetzt hat das etwas nachgelassen, wir wollen aber dabei bleiben. Den Stream machen wir im zweiwöchigen Rhythmus und die Boxen werden für Geschenke wahrgenommen. Wir machen jetzt auch schon Firmenveranstaltungen in ganz Deutschland per Stream und das ist neu. Das wollen wir auch alles beibehalten. Für uns kann man unterm Strich sagen, dass wir nicht mit einem Minus gegangen sind und dass wir es mehr als Invest gesehen haben, denn in der Zeit haben wir uns Know-How angeeignet.