Erstochener MarlonKölner Staatsanwältin überrascht mit milder Strafforderung
Köln – Drei Jahre Haft für eine Körperverletzung mit Todesfolge, so lautete am Mittwoch der salomonisch anmutende Antrag der Staatsanwältin im Fall um den 2012 auf dem Takufeld in Neuehrenfeld erstochenen Marlon (15). Sollte der Richter der Anklägerin folgen, dann hätte der angeklagte Schausteller Klaus P. (69) einen Großteil der Strafe durch die erlittene U-Haft bereits verbüßt.
Staatsanwältin bleibt zwei Jahre unter altem Urteil
Die Staatsanwältin blieb mit ihrem Antrag somit exakt zwei Jahre unter einem ersten Urteil des Landgerichts aus dem Jahr 2013. Die Richter hatten damals noch einen vorsätzlichen Totschlag gesehen und fünf Jahre Gefängnis verhängt. Der Bundesgerichtshof hatte die Entscheidung aufgrund eines Formfehlers im Verfahren aufgehoben und nach Köln zurückverwiesen.
Dass die Fallakten danach mehr als sechs Jahre unberührt im Justizkeller regelrecht verstaubten, da das Landgericht überlastet gewesen sei, müsse dem Angeklagten mildernd angerechnet werden. Die Staatsanwaltschaft regte daher an, sechs Monate Haft bereits als vollstreckt anzurechnen. Da Klaus P. bereits viele Monate in Untersuchungshaft saß, bliebe er dann womöglich ein freier Mann.
Lebensfremd, dass Marlon ins Messer gesprungen sei
Eine Notwehrlage, wie vom Angeklagten beschrieben, sah die Staatsanwältin nicht. Er habe sich am Tatabend im April 2012 auch nicht übermäßig bedroht fühlen müssen. Schließlich habe ihn sein Nachbar lediglich zur Rede stellen wollen. Klaus P. habe in der Situation ein Messer gezogen und den eher unbeteiligt dabeistehenden Sohn des Nachbarn tödlich getroffen.
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Auch Opfer-Anwalt Tobias Westkamp wies ein von der Rechtsmedizin zumindest theoretisch denkbares Unfallgeschehen zurück. Ein bloßes Fuchteln mit dem Messer, wie vom Angeklagten beschrieben, hätte nicht eine solche Verletzung bei Marlon mit einer Durchdringung von Knorpel verursacht. Lebensfremd sei, dass der Junge ins Messer „hineingesprungen“ sein könnte.
Kölner Verteidiger fordern Freispruch
Während Westkamp von Totschlag ausging, befeuerte die Verteidigung die Notwehr-Variante und forderte Freispruch. Der Mandant sei regelrecht eingekesselt worden, Marlons Vater habe ein Messer gezogen, dessen Großvater ein Beil in der Hand gehabt. Den von der Staatsanwältin zugrunde gelegte Sachverhalt hätte in diesem Durchgang kein Zeuge so bestätigt.
„Die dumme Öffentlichkeit braucht halt immer einen Schuldigen, danach lechzt die Volksseele“, sagte Anwalt Gabbar recht provokant. Sein Mandant sei der Einzige gewesen, der stringente Angaben gemacht habe, und das über viele Jahre hinweg. Er sei unschuldig. Der Vorsitzende Richter Achim Hengstenberg will noch am heutigen Mittwoch ein Urteil verkünden.