Ein ehemaliger Gefängnisleiter will keine Gefängnisse mehr – jedenfalls nicht in ihrer jetzigen Form. Er schlägt Alternativen vor.
Diskussion in Kölner Akademie„Untauglich in der Kriminalitätsbekämpfung“ – Ehemaliger Gefängnisdirektor will Haft reformieren
Wie ein Krankenhaus, das Menschen kränker macht. Damit vergleicht Thomas Galli Justizvollzugsanstalten. Als ehemaliger Gefängnisdirektor ist er für die Abschaffung von Gefängnissen. Zumindest teilweise. In der Karl-Rahner-Akademie am Neumarkt war der Augsburger zu Gast. Das Land NRW plant und saniert Gefängnisse. „So wie auch in Ossendorf, was seit vielen Jahren bekannt ist“ sagt Moderatorin Britta Rabe vom Komitee für Demokratie und Grundrechte.
Der Neubau soll aufgrund fehlender Unterbringungsmöglichkeiten erst ab 2026 starten. Das NRW-Justizministerium will zusätzlich zwei „Rotationsanstalten“ bauen, um die Inhaftierten während Sanierungsarbeiten zu verlegen. Die geschätzten Kosten belaufen sich für die zwei neuen Gefängnisse auf mehr als 1,5 Milliarden Euro. „Langfristig gesehen rechnet sich das nicht und es ist ein vollkommen untaugliches Instrument in der Kriminalitätsbekämpfung“, sagt Galli. „Es ist nicht vertretbar, auch kostenmäßig“. Stattdessen plädiert er für umfassende Reformen und eine Reduktion von Haftstrafen.
Köln: Ehemaliger Gefängnis-Direktor will Haft reformieren
Mehr als 15 Jahre arbeitete Galli im Strafvollzug. Heute ist er Anwalt für Häftlinge. Das „falsche Spiel“ wollte Galli nicht mitspielen. Es sei nicht erwünscht zu diskutieren, der Druck als Leiter wurde stärker, kommentiert er seinen damaligen Austritt. Der Augsburger kenne aber keine Kriminologen, die aus wissenschaftlicher Sicht die Gefängnisse sinnvoll finden, wie sie heute sind. „Wir brauchen Konsequenzen für Fehlverhalten“, sagt Galli. Er ist auch mit Insassen in Kontakt gekommen, vor die er die Gesellschaft schützen wolle, aber er schlägt eine Verschiebung des Schwerpunkts vor.
Mögliche Ansätze seien Resozialisierung, Schadenswiedergutmachung, Abschaffung von Ersatzhaftstrafen, Legalisierung von Drogen und den Ausbau des offenen Vollzugs. Um die Hälfte aller Gefangenen verbüßen eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr. Darunter Schwarzfahrer und Obdachlose. Der ehemalige JVA-Leiter erzählt von einem Mann, der im Wert von 2,86 Euro Milchbrötchen und eine Tüte Erdnüsse klaute. Dafür saß er drei Monate im Gefängnis.
Der Ladeninhaber kam nicht einmal zur Gerichtsverhandlung, so Galli. In den Anstalten werden die Insassen weitestgehend isoliert. Sie leben in Subkulturen, in der eigene Gesetze herrschen, die mit der Welt draußen wenig zu tun haben, kritisiert er. Auf diese Weise können sich kriminelle Tendenzen sogar verstärken. „Wenn wir als Gesellschaft Resozialisierung wollen, dann ist die erste Aufgabe, genauer hinzuschauen“, appelliert Galli.