AboAbonnieren

Venloer Straße vor UmwandlungEinbahnstraßen als Ausweg aus dem Kölner Verkehrschaos

Lesezeit 6 Minuten
Hauptstraße Rodenkirchen WORRING

Die Rodenkirchener Hauptstraße

  1. Derzeit wird diskutiert, auch eine dieser Hauptverkehrsadern, die Venloer Straße in Ehrenfeld, nur noch in eine Richtung für den Autoverkehr freizugeben.
  2. Sind Einbahnstraßen eine gute Lösung für die Lenkung des Verkehrs in den Veedeln?
  3. Ein Vergleich zwischen Rodenkirchen und Zündorf.

Köln – Das Thema kommt alle paar Jahre wieder auf den Tisch: die Aufwertung des städtischen Raums durch die Einführung von Einbahnstraßen. Stummer Zeuge sind die One-Way-Dschungel in zentralen Stadtteilen wie Nippes, Klettenberg, Bayenthal oder Kalk, mit denen man es allerdings in den 80er und 90er Jahren geschafft hat, den Durchgangsverkehr aus den Wohnvierteln rauszuhalten und die Autoströme auf wenige Hauptstraßen zu reduzieren.

Derzeit wird diskutiert, auch eine dieser Hauptverkehrsadern, die Venloer Straße in Ehrenfeld, nur noch in eine Richtung für den Autoverkehr freizugeben. Man will so den veränderten Ansprüchen der Bürger gerecht werden. Eine für Ehrenfeld nachgerade zwingende Lösung. Dort ist der öffentliche Nahverkehr sehr gut ausgebaut. Es leben viele junge Menschen dort, die deutlich weniger Wert aufs Auto legen als Vorgängergenerationen, die gleichzeitig aber in ihrer Freizeit auch den öffentlichen Raum mehr nutzen. Die Zahl der Radfahrer und Fußgänger ist anteilig überdurchschnittlich hoch. Aber ist dieses Modell auf Stadtteile in Randlage übertragbar? Wir haben uns in Rodenkirchen und Zündorf umgesehen.

Rodenkirchen

Die Rodenkirchener Hauptstraße ist eng. Für Fahrradwege ist kein Platz, und der morgendliche Rückstau von der Rheinuferstraße im Berufsverkehr reicht oft zurück bis tief ins Veedel. Seit Mitte Mai sorgt zudem der Bau einer neuen Gasleitung durch die Rhein-Energie dafür, dass das Stück zwischen dem Kreisverkehr am Sommershof bis zum Brauhaus Quetsch stadteinwärts gesperrt ist. Mal abgesehen von der Tatsache, dass es eher unverständlich ist, dass man die Einbahnstraße nicht genau andersrum gelegt hat (um so ein überflüssiges Kreuzen der Verkehrsströme zu vermeiden), wirft die temporäre Baustelle Fragen auf: Könnte die Einbahnstraße von Süden nach Norden – der Gegenverkehr müsste dann am Bahnhof vorbei über die Ringstraße geleitet werden – nicht eine Dauerlösung sein? Was ist mit dem gewonnenen Platz für Radfahrer und Fußgänger? Würden Gastronomie und Geschäfte nicht zusätzliche Möglichkeiten haben?

Vertreter der Aktionsgemeinschaft Rodenkirchen (AGR) sind eher skeptisch. Sie sind mit der aktuellen Situation am „Treffpunkt Rodenkirchen“ sehr zufrieden. Durch die Corona-Krise habe es eine Rückbesinnung gegeben: „Corona tut dem Veedel gut. Die Menschenwollen wieder vor Ort einkaufen. Hier fühlen sie sich sicherer und geborgen. Es besteht eine enge Bindung zu den Kunden, man kennt sich oft seit Jahrzehnten“, freut sich Wolfgang Behrendt, Vorsitzender der AGR. „Aber unsere Kunden kommen mit dem Auto“, sagt der Inhaber eines Juweliergeschäftes, „aus Godorf, Sürth, Weiß, Rondorf oder Marienburg. Sie wollen unkompliziert hier hin und wieder weg kommen“. Jede Form von Regulierung würde er ablehnen. Einbahnstraßen? „Lieber nicht. Was wir auf keinen Fall wollen, ist eine Fußgängerzone – das wäre eine Katastrophe.“

Während viele Stadtteile in Randlage der Abwanderung der Discounter in Gewerbegebiete sowie der Schließung ihrer Bank- und Postfilialen Tribut zollen, hat Rodenkirchen ein nach wie vor vergleichsweise intaktes Geschäftsleben. Das kleine Oberzentrum des Kölner Südens verfügt über drei öffentliche Parkhäuser, zudem gibt es einen großen Parkplatz hinter dem Bezirksrathaus. Besonders die Tiefgarage unter dem Maternusplatz bedeutet eine deutliche Aufwertung des Ortskerns, wurde die Platzfläche im Rahmen des Baus neu gestaltet und so erheblich aufgewertet. Entstanden ist einer der schönsten und belebtesten Plätze der Stadt, zweimal die Woche ist hier Markt. Seit der Umgestaltung seien die Kunden zahlreicher geworden, weiß Walter Behrendt.

„Von einer guten Aufenthaltsqualität profitieren die Geschäfte, das ist überall im Land so“, sagt Oliver Kehrl, Landtagsabgeordneter der CDU für den Kölner Süden, der mehrere Modeboutiquen betreibt, unter anderem auch im Sommershof. „In Ehrenfeld nutzen rund 20 000 Fahrradfahrer die Venloer Straße täglich, auf der Rodenkirchener Hauptstraße machen sie maximal zehn Prozent aus.“ Einbahnstraßen würden Rodenkirchen nicht weiterbringen.

Zündorf

Eine schier endlose Autoschlange windet sich an jedem Werktag morgens durch Zündorf gen Norden, auf das Kölner Zentrum zu. Am Spätnachmittag kriecht die Schlange müde wieder zurück durch den Ort, um Tausende Autofahrer nach Hause zu bringen. Hin geht’s über die Schmittgasse, zurück über die Hauptstraße, seit mehr als vier Jahrzehnten. Die Verkehrsbelastung wächst mit jedem Neubauquartier in Niederkassel und den Nachbargemeinden.

Am Ortseingang von Zündorf teilt sich die Straße in Schmittgasse und Hauptstraße. Beide sind nur jeweils in eine Richtung zu befahren.

„Zündorf ist für zwei Drittel der morgens und abends gezählten Autofahrer ein reiner Durchfahrtsort“, berichtet Hans Baedorf, Vorsitzender des örtlichen Bürgervereins. Werktätige aus dem südlichen Rhein-Sieg-Kreis nehmen mangels anderer Verkehrswege den regelmäßigen Stau in Kauf; die Anwohner müssen mit Lärm und Gestank leben– seit den 1970er Jahren. „In Zündorf ist das Einbahnsystem alternativlos“, sagt Baedorf. Die alte Hauptstraße durch den Ortskern des einstigen Fischerdorfs ist zu schmal für gegenläufigen Verkehr. Die breitere Schmittgasse hingegen wurde, nachdem sie vom Feldweg zur Süd-Nord-Straßenverbindung aufstieg, direkt als Einbahnstraße konzipiert.

Entlang beider Straßen sind Parkplätze ausgewiesen, an der Schmittgasse immerhin auch beidseits ein Radweg. In Zündorf gibt es keine ernsthaften Überlegungen, Parkplätze beispielsweise zugunsten von Außengastronomie aufzugeben. „Die Straßen müssen funktionieren und die anliegenden Geschäfte brauchen den Parkraum für ihre Kundschaft. Sitzen will man da nicht“, ist Baedorf überzeugt. Klar, wenige Meter westlich der Hauptstraße liegen der idyllische Marktplatz und die Lokale an der Freizeitinsel Groov; da ist es erholsam, auto- und lärmfrei.

Die Hauptstraße und Schmittgasse passieren die meisten Nutzer dagegen, um zügig weiterzukommen, was vor allem morgens nicht immer gegeben ist. „Wenn die Müllabfuhr in der Schmittgasse Tonnen leert, steht dahinter allles still“, berichtet Baedorf. Er wünscht sich im Sinne der Autofahrer wie auch der lärmgeplagten Anwohner eine Verschiebung der Abfuhrzeiten als kleine Hilfe.

Während die durchfahrenden Autos mit SU-Kennzeichen nur weiter Richtung Köln oder abends zurück wollen, haben die Bewohner Zündorfs mit dem Einbahnsystem ihre eigenen Probleme. Sie müssen für kleine Besorgungen happige Umwege fahren. Wer beispielsweise sein Kind bei Regen zur Schule bringen, den Metzger, einen Supermarkt oder eine Apotheke aufsuchen will, kann dann nicht die nächstbeste Querstraße für den Rückweg nehmen. Sehr viele der Verbindungsstraßen sind irgendwo auf der Hälfte abgebunden, nur für Anlieger nutzbar oder mittendrin zu Einbahnstraßen gewidmet worden. „Das ist für die Anlieger eine feine Sache“, sagt Baedorf, „aber alle anderen müssen Hunderte Meter Umwege fahren, was täglich einen deutlichen Mehrverkehr bedeutet“.

Das könnte Sie auch interessieren:

Von der halbseitigen Einbahn-Gestaltung der Westfeldgasse sei nicht zuletzt ein Supermarkt in seinem Umsatz erheblich betroffen. Statt nervige Umwege zu fahren, suchten sich viele Kunden jetzt offenbar andere Einkaufsmöglichkeiten– nicht gut für die Zündorfer Infrastruktur.

Auf ein Abflauen der täglich zweimaligen Verkehrsüberschwemmung ist Baedorf zufolge erst zu hoffen, wenn tatsächlich der Rhein-Sieg-Kreis Pläne für einer Stadtbahnverbindung nach Köln samt Rheinquerung umsetzt. Dann könne Zündorf durchatmen. Und vielleicht Hauptstraße und Schmittgasse mal mit etwas anderem als durchrauschenden Autos verbinden.