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Köln früher und heuteDas kleine Schloss im Vringsveedel

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1912 stand in der Landsbergstraße 16 noch eine Villa.

Köln – Es ist immer wieder erstaunlich, welche Narben der Zweite Weltkrieg im Kölner Stadtbild hinterlassen hat. Das zeigt sich an prominenten Orten wie dem in Grund und Boden wiederaufgebauten Barbarossaplatz oder auch in kleinen Seitenstraßen der Altstadt-Süd.

Die Holzhandlung Theodor Schumacher an der Landsbergstraße 16 zum Beispiel würde sicher noch heute in einer schlossähnlichen Innenstadtvilla residieren, die den Stolz des zu Reichtum gekommenen Bürgertums mit hoch aufragendem Treppenturm, Giebel, Erker und Hauskapelle feiert. Doch es kam anders, auch an der Landsbergstraße. Eines der ersten neugotischen Wohnhäuser Kölns wurde nach dem Krieg nicht repariert, sondern durch einen eher gesichtslosen Nachfolgebau ersetzt. Die Gegensätze könnten größer kaum sein.

So sieht die Landsbergstraße 16 heute aus.

Wiljo Schumacher kümmert sich immerhin darum, dass die reiche Geschichte der Holzhandlung, ihres Standorts und ihrer Gebäude nicht in Vergessenheit gerät. Bis 2018 war er Geschäftsführer des Familienbetriebs, der sich seit 1910 an der Landsbergstraße 16 befindet, mitten im eng bebauten Vringsveedel. Heute führt der 75-Jährige ein kleines Privatmuseum, dessen Objekte sich über den gesamten Betrieb verstreuen. „Hier ist seit 2000 Jahren immer etwas passiert“, sagt der Senior-Chef. Und so finden sich im überraschend weitläufigen Innenhof der „Theodor Schumacher Söhne Holzcity“ nicht nur Holzprodukte aller Art, sondern auch Relikte aus der illustren Vergangenheit des Grundstücks. Angefangen mit einem römischen Ziegelplattengrab samt Skelett aus dem dritten Jahrhundert, über mittelalterliche Keramik bis hin zu Mauerresten des einstigen Klosters zur Heiligen Dreifaltigkeit und einer städtischen „Volksbadeanstalt“ aus dem 19. Jahrhundert. Sie überstand den Zweiten Weltkrieg ebenso wenig wie das stattliche Neogotik-Schlösschen, mit dem 1847 ein ganz neuer Baustil Einzug in die Altstadt gehalten hatte.

Bauherr des Anwesens war der wohlhabende Maurermeister Erben, der den später sehr renommierten Architekten und Dombauhütten-Mitarbeiter Friedrich Schmidt beauftragte, ihm ein Domizil in Form eines verwinkelten mittelalterlichen Hofgebäudes zu entwerfen. Zwischen dem Haupthaus und einem kleineren Anbau stach ein achteckiger Turm speerartig in den Südstadt-Himmel, der die Tradition der gotischen Türme aufnahm.

Gotik kam in Mode

Mit dem Weiterbau des Doms ab 1842 war die Gotik wieder in Mode gekommen. Vor allem Vertreter des katholischen Bürgertums, das die Domvollendung durch Spenden vorantrieb, identifizierten sich mit dem filigranen, hochaufragenden Baustil aus dem Mittelalter und ließen sich aufwendige Stadtpaläste ähnlicher Art bauen. Bauunternehmer Erben wurde zum Vorreiter eines Kölner Trends, der bald auch andere deutsche Städte erreichte. Allerdings überforderte er die Kölner Politik zunächst mit seinem neuartig rückwärtsgewandten Palais. Der Erker, der zu allen neugotischen Bauten zwingend dazugehörte, aber vorher noch nie bei einem Neubau vorgesehen war, avancierte zu einem Politikum. „Da vermehrt der Grundstückseigentümer seinen Nutzraum auf Kosten der Allgemeinheit“, erklärt der ehemalige Kölner Stadtkonservator Ulrich Krings die aufgeheizte Diskussion. Einem Streit in der Kölner Stadtväterversammlung folgte die Entscheidung der königlichen Regierung: Der erste Erker der Altstadt durfte entstehen, woraufhin viele weitere folgen. Wobei die Fassaden-Vorbauten offensichtlich noch lange umstritten blieben. Noch für das Jahr 1888 ist überliefert, dass sich Bauherren die politische Zustimmung für Erker in der Altstadt mit einer Zahlung von 200 Mark pro Quadratmeter sichern konnten. „Ein Ausdruck für den Kölner Klüngel“, stellt Ulrich Krings fest.

Madonna wurde gerettet

Wichtigstes Schmuckelement der Erben-Villa war nicht nur der Vorbau, sondern auch eine Eckmadonna unter einem Baldachin. Sie schmückt noch heute die Fassade der Holzhandlung. Nach dem „Peter- und Paul-Angriff“ von 1943, den die Villa nur als Ruine überlebte, wurde sie aus den Trümmern gezogen und wiederverwendet. Zu diesem Zeitpunkt hatte längst die Schumacher-Dynastie an der Landsbergstraße 16 das Sagen. Wiljo Schumachers Großvater Werner hatte das Schlösschen bereits 1910 gekauft und zum neuen Firmensitz ausgebaut, der sich zuvor an der Bayenstraße und an der Severinstraße befunden hatte. „Die große Toreinfahrt wurde ausgebaut, damit die Langholzfuhrwerke mit 15 Meter langen Stämmen um die Ecke kamen“, erläutert Wiljo Schumacher.

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Der Wiederaufbau des Neogotik-Schlösschens sei durchaus in Erwägung gezogen worden, sagt der Kaufmann und Hobby-Archäologie, der die Holzhandlung mittlerweile an Kai Cording als alleinigem Geschäftsführer übertragen hat. Doch das prachtvolle Wohnhaus erlebte nach 1945 keine Wiedergeburt: „Die nachgemachte Gotik hatte zu diesem Zeitpunkt nicht viele Freunde“, sagt Schumacher. „Die Neugotik galt als Kitsch“, ergänzt Ulrich Krings. Ebenso wie andere Stile des Historismus. Und so verschwand nicht nur die Villa an der Landsbergstraße aus dem Kölner Stadtbild, sondern auch das Vorgebäude des Kölner Hauptbahnhofs, die Portalbauten der Hohenzollernbrücke und Vieles mehr.