Köln – Als in anderen Großstädten Straßenbahnen längst elektrisch fuhren, trabten vor den Kölner Waggons noch immer Pferde. Während in Berlin schon 1881 die erste elektrische Tram unterwegs war und in München 1895, hielten in Köln erst ab 1900 die modernen Zeiten Einzug.
Dafür drückten die Kölner umso kräftiger aufs Tempo. Schon im Herbst 1901 gab es auf der Ringbahn und auf der Uferstrecke zwischen Dom und Zoo die ersten „Elektrischen“ zu bestaunen. In der Presse wurde das gesellschaftliche Ereignis entsprechend gewürdigt. „Kritische Bemerkungen sind dem Schreiber dieses Beobachtungsberichts trotz besonderer Anstrengungen, auch ein bißchen »Nörgelei« zu hören, nicht zu Ohren gekommen“, notierte der Reporter des „Stadt-Anzeiger“: „Im Gegenteil, alle Welt freute sich über den verhältnismäßig sanften, von Stößen und Räderlärm freien Lauf der Wagen (…)“.
Häuser und Bäume müssen Straßenbahn weichen
Das historische Foto von der Aachener Straße aus dem Jahr 1910 mutet heute idyllisch an. Autoverkehr war noch Zukunftsmusik, zwischen stattlichen Bürgerhäusern flanierten schick gekleidete Menschen auf breiten Trottoirs, hier und da ein Pferdefuhrwerk und ein Fahrradfahrer. Doch der Fotograf hielt in Wirklichkeit den rasanten Wandel fest. Für die elektrischen Straßenbahnen waren erst einige Jahr zuvor ausladende Bogenlampenkandelaber aufgestellt worden, eine Kombination aus Straßenleuchten und Spannmasten für die Oberleitungen der Bahnen.
Der Umstellung des Straßenbahnnetzes auf Elektrobetrieb fielen überall Bäume und sogar ganze Häuser zum Opfer. Auch die Aachener Straße, eine der ältesten Verkehrsachsen der Stadt, veränderte ihr Erscheinungsbild gründlich. Die von Linden gesäumte Allee in der Mitte der Straße verschwand und die Gleise wanderten von den Rändern der Fahrbahnen unter die zentralen Oberleitungsmasten. „Dadurch wurde die Straße noch großstädtischer“, sagt der ehemalige Stadtkonservator Ulrich Krings. Das Foto zeige quasi das „Urban Design des ersten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts“. Aus damaliger Sicht hatte die Szenerie also wenig mit Idylle zu tun.
Bedenken der Karnevalisten
Dieses Urban Design war nicht unumstritten. In der Frage, wie die Bahnen angetrieben werden sollten, standen nicht nur Oberleitungen zur Diskussion, sondern auch ein „Unterleitungssystem“ oder der Betrieb mit Akkumulatoren. Aus technischen und wirtschaftlichen Gründen fiel die Wahl auf die Oberleitung, Kritiker befürchteten jedoch die Verunstaltung des Straßenbildes. Das Festkomitee Kölner Karneval sah zudem die Gefahr, dass die Festwagen des Rosenmontagszugs wegen der Anlagen nicht mehr so hoch gebaut werden könnten. „Dieses Problem ließ sich jedoch durch die Ausweisung eines „Karnevalsgebiets“, das sich vom Neumarkt zum Wallrafplatz und über den Heumarkt zurück bis zum Neumarkt erstreckte, lösen“, heißt es in der Chronik der Kölner Verkehrs-Betriebe: „In diesem Gebiet wurde die Oberleitung auf eine Höhe von sieben Metern gespannt und gewährleistete so die Passage von Festwagen mit einer maximalen Höhe von 6,80 Metern.“
John Oudendijk, Direktor der Bahnen, kam zu dem Schluss, „daß die Oberleitung das einzige für die hiesigen Verhältnisse wirtschaftliche System ist. Sie ist am Billigsten in der Anlage und im Betrieb und was für Köln noch wesentlicher ist, sie bietet die größte Sicherheit gegen Störungen.“ Zudem müssten die Oberleitungen nicht zwangsläufig „Drähte für alle Ewigkeit“ sein. Der technische Fortschritt gebe zur Hoffnung Anlass, „daß – vielleicht in nicht allzu langer Zeit – die Straßen wieder von den Drähten befreit werden können“. Dies blieb ebenso ein Trugschluss wie in diesen Tagen die Hoffnung von Stadtverwaltung und Verkehrs-Betrieben, die Straßenbahn lasse sich auf der Ost-West-Achse ohne Weiteres in den Untergrund verlegen.
Auch heute gibt es – wie damals bei den Oberleitungen – viel Kritik. Ulrich Krings würde eine U-Bahn zwischen Heumarkt und Melatenfriedhof jedoch begrüßen: „Dann könnte man aus der Aachener Straße und der Richard-Wagner-Straße wieder schöne Alleestraßen mit Außengastronomie machen.“