In unserer Serie „Köln früher und heute“ stellen wir wichtige Kölner Bauwerke, Plätze und Siedlungen vor. Diesmal: Waldschule Königsforst.
Köln früher und heuteAls Menschen in der Waldschule Königsforst Erholung suchten

Die Waldschule im Königsforst im Jahr 1908
Copyright: Entnommen aus: "Krautwig (Hrsg.): Naturwissenschaft und Gesundheitswesen in Cöln. Festschrift für die Teilnehmer an der 80. Versammlung der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte in Cöln."
Die Lichtung am Rande des Königsforsts ist gut zu erreichen, die Linie 9 hält ganz in der Nähe. Und der legendäre Radfahrer-Kiosk „Schmitzebud“ ist auch nicht weit. Doch zu den Top-Ausflugszielen der Kölner gehört der kleine Platz im Wald zwischen Rösrather Straße, Rather Mauspfad und der A 3 nicht gerade – außer einem kreisenden Bussard am Himmel tut sich an diesem Morgen wenig auf diesem lauschigen Fleckchen Rath-Heumar.
Früher wäre das anders gewesen, weiß Joachim Bauer. Man muss sich hier Klassen vorstellen, die unter Bäumen unterrichtet werden, ruhende Jungen in der Mittagssonne und Mädchen, die ihrer Lehrerin beim Märchenerzählen lauschen. Das alles hat hier stattgefunden vor dem Zweiten Weltkrieg. Am Anfang waren es allerdings erholungsbedürftige Erwachsene, die in der guten Waldluft zu Kräften kommen sollten. Jeden Tag fuhren sie aus den Arbeitervierteln mit der Straßenbahn ins Rechtsrheinische, um in und an einer hölzernen Baracke ihren Tag mitten in der Natur zu verbringen.
Waldschule in Königsforst: Vorgängereinrichtung bereits ab 1906
Joachim Bauer war bis zu seinem Ruhestand stellvertretender Leiter des Kölner Grünflächenamts und engagiert sich als Geschäftsführer für die Schutzgemeinschaft Deutscher Wald Köln, die die Waldschule mit ihrem Hauptsitz auf Gut Leidenhausen in Porz betreibt. „Ich habe immer gedacht, die Waldschule ist 1984 gegründet worden, das ist aber nicht so“, sagt der Landschaftsarchitekt. Denn bei Archivarbeiten fiel ihm zufällig auf, dass bereits ab 1906 eine Vorgängereinrichtung auf der Lichtung in Rath-Heumar existierte: „Dadurch bekommt das Thema eine ganz andere Bedeutung.“

Auf der Lichtung in Rath-Heumar erinnert heute nichts mehr an die Kinder, die hier einst Erholung suchten.
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Geht es heute vor allem darum, Kindern ökologische Zusammenhänge näherzubringen und den Wald mit allen Sinnen zu erfahren, standen damals gesundheitliche Aspekte im Vordergrund. Als der Königsforst durch die Bahn gut angebunden war, pachtete die Stadt von der königlichen Forstverwaltung ein zwei Hektar großes Waldstück mit Kiefern und Tannen und errichtete eine zerlegbare Baracke mit angebautem Schuppen und Veranda an der Südseite. Zunächst waren es Männer, die nach schweren Erkrankungen oder Operationen in den Sommermonaten in die „Walderholungsstätte“ geschickt wurden. Jeder blieb allerdings nur einen Tag, weshalb der gewünschte Erfolg ausblieb. 1914, als der Erste Weltkrieg ausbrach, ging der Besuch zudem stark zurück. Die Walderholungsstätte wurde in eine Waldschule für Kinder verwandelt.
Gesundheitliche Ziele im Vordergrund der Waldschule
Auch hier standen gesundheitliche Ziele im Vordergrund, wurden doch vor allem unterernährte Kinder aus den Industrievororten und Arbeitervierteln ausgewählt. Hauptzweck der Waldschule sei es, ihnen eine kurze Zeit zu bieten, „in der ihre körperliche und geistige Entwicklung unter hellem Sonnenscheine sich vollzieht“, hieß es 1918 im „Localanzeiger“. Im Mai 1915 eröffnete die Waldschule mit insgesamt 120 Kindern zwischen zehn und 14 Jahren. Die Leitung übernahmen der kriegsversehrte Lehrer Heinrich Weißenbach und die Haushaltslehrerin Maria Herold.
Der Tag begann frühmorgens mit der gemeinsamen Fahrt von der Hohenzollernbrücke bis zur Endhaltestelle Königsforst. Morgens und nachmittags standen jeweils zwei Stunden Unterricht auf dem Programm. Nach dem Mittagessen war eine zweistündige Ruhe in der Liegehalle angesagt oder, bei warmem Wetter, im Wald. Der Rest des Tages war mit Turnen, Spielen oder Ausflügen ausgefüllt. Obwohl der Aufenthalt vier Wochen dauerte, mussten die Kinder jeden Abend zurück in die Stadt fahren.
1938 endete der Schulbetrieb – für den Ausbau der Autobahn
In einem Artikel in der „Kölnischen Zeitung“ aus dem Jahr 1931 ist allerdings schon von geräumigen Schlafstätten sowie anderen baulichen Erweiterungen die Rede. In einem eigenen Häuschen werden nun Lichtbilder gezeigt oder Hänneschen-Stücke aufgeführt. Der Aufenthalt dauere sechs Wochen lang, fünf Lehrer stünden zur Beaufsichtigung bereit. Mit der nationalsozialistischen Machtübernahme mussten die Mädchen und Jungen nach Recherchen von Joachim Bauer ab 1933 in Uniformen die Waldschule besuchen. Nachdem sie zwischenzeitlich auch als Schulungsstätte für Lehrer gedient hatte, endete 1938 der Schulbetrieb: Teile der Flächen wurden für den Ausbau der Autobahn gebraucht.
Die Zielsetzung der Waldschule habe sich geändert, sagt Joachim Bauer: „Was sich nicht geändert hat: Man geht mit Großstädtern in den Wald, um etwas anderes zu fühlen, zu vermitteln, zu erleben.“ Die Heilkraft des Waldes für Körper, Geist und Seele sei dieselbe geblieben. Der 67-Jährige besuchte als Kind selbst eine Waldschule: Es war die Waldschule II, die 1925 in einem ehemaligen Zwischenwerk des linksrheinischen Festungsgürtels am Nüssenberger Busch in Bocklemünd eingerichtet und mehrere Jahrzehnte lang betrieben wurde. Auch diese Geschichte würde Joachim Bauer gerne aufarbeiten und nimmt Informationen aller Art dazu gerne unter sdw-nrw-koeln@netcologne.de entgegen.