„Die Lage ist sehr ernst“Fünf Tote im Maternus-Seniorencentrum in Rodenkirchen
- In einem Rodenkirchener Heim sind 23 Bewohner und Pflegekräfte infiziert.
- In einem offenen Brief schrieb Bezirksbürgermeister Mike Homann, es habe den Stadtteil „mitten ins Herz getroffen“.
- Stadt und Feuerwehr haben deshalb einen Krisenstab eingerichtet. Doch alle Maßnahmen könnten am Ende an fehlenden Schutzmitteln scheitern.
Köln – Das Maternus-Seniorencentrum in Rodenkirchen ist bei alten Menschen beliebt. Die Bewohner schätzen das Freizeitangebot, den nahen Rhein und den Supermarkt, der gleich vor der Tür liegt. Seit vergangener Woche erinnert in dem Haus nichts mehr an die entspannte Atmosphäre, die der „Kölner Stadt-Anzeiger“ bei einer Reportage vor einem Jahr dort erlebte (lesen Sie hier die Reportage).
Fünf Bewohner, die am Coronavirus erkrankt waren, sind inzwischen verstorben, mindestens 13 Bewohner und 15 Mitarbeiter sollen infiziert sein. Auch der Heimleiter und die Pflegeleiterin wurden positiv auf das Virus getestet und befinden sich in häuslicher Quarantäne. Am Freitag hatten offiziell erst neun Menschen, die in dem Haus leben oder arbeiten, das Virus.
So reagiert das Maternus-Seniorencentrum auf die Corona-Fälle
„Die Lage ist sehr ernst“, sagte eine Sprecherin der Betreibergesellschaft Cura dieser Zeitung am Dienstagabend. „Die infizierten Bewohner werden in separaten Einzelzimmern versorgt und betreut. Es wurden entsprechende Schleusen eingerichtet. Die Mitarbeiter sind mit persönlicher Schutzausrüstung einschließlich FFP2-Masken ausgestattet, so dass Ansteckungen auf ein Minimum reduziert werden können.“
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In einem offenen Brief im Internet schrieb Bezirksbürgermeister Mike Homann, es habe den Stadtteil „mitten ins Herz getroffen“. Der Pflegebereich mit 100 Betten befindet sich seit einer Woche in Quarantäne. Um den Schutz der Bewohner zu erhöhen und eine weitere Ausbreitung zu minimieren, werde ein täglicher Einkaufsservice eingerichtet, so Homann.
Köln: Bewohner gingen noch weiter einkaufen
Nachdem Angehörige berichteten, dass nicht wenige der Bewohner trotz bekannter Infektionen noch einkaufen würden, hatte es im Internet empörte Reaktionen gehagelt. Der Träger der Einrichtung, das Berliner Unternehmen Cura, verwies auf die Rechtslage. „Im Betreuten Wohnen können wir nur an die Vernunft unserer Mieter appellieren – eine entsprechende Verordnung oder ein Verbot müsste beispielsweise durch die Stadt erfolgen“, sagte die Sprecherin.
Seit in Altenheimen in Wolfsburg und Würzburg viele Menschen am Coronavirus gestorben sind, wird in Deutschland überdeutlich, was längst klar sein sollte: wie gefährdet alte Menschen durch das Virus sind – und wie verheerend sich Missstände wie der Pflegepersonalmangel in Kombination mit aktuellen Engpässen bei der Versorgung mit Schutzkleidung, Atemmasken und Desinfektionsmittel auswirken können. Noch haben die meisten Einrichtungen in Köln die Lage einigermaßen unter Kontrolle: In der Stadt gab es bis Freitag in 16 städtischen Pflege- und Seniorenheimen 63 Corona-Infizierte, davon 40 Bewohner und 23 Beschäftigte, auch in den Einrichtungen anderer Träger gibt es einige Fälle.
Kölner Feuerwehr hat eine Task Force eingerichtet
Die Stadt Köln stellt sich darauf ein, dass in den kommenden Wochen Menschen in vielen Einrichtungen isoliert werden müssen. Es gibt eine Arbeitsgruppe des Krisenstabs, die sich ausschließlich um gefährdete Menschen kümmert – insbesondere um Bewohner von Alten- und Behinderteneinrichtungen. Die Feuerwehr hat drei so genannte Task Forces eingerichtet: Ein Team berät die Einrichtungen, wie das Infektionsrisiko minimiert werden kann. Ein zweites Team überwacht Patienten und Personal, um Infektionen sofort zu erkennen. Die dritte Gruppe greift ein, sobald sich Menschen aus einer Pflege-, Senioren- oder Behinderteneinrichtung infiziert haben.
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Das Krisenmanagement könnte letztlich daran scheitern, dass Schutzkleidung, Atemmasken und Desinfektionsmittel ausgehen. „Schon jetzt gibt es gravierende Lieferengpässe für Masken und Schutzkittel. Wir bemühen uns mit vereinten Kräften, neue Quellen aufzutun und rufen die Menschen dazu auf, selbst Mundschutz-Ersatz zu nähen“, sagt Gabriele Patzke, Geschäftsführerin der Sozial-Betriebe, die mehr als 1000 Pflegeplätze verantworten.
Eine „Fokussierung auf die stark betroffenen Einrichtungen ist wenig hilfreich, sie führt zu vermehrten Ängsten der älteren Menschen“, sagt Patzke. „70 Prozent der Menschen bei uns sind demenziell verändert. Sie verstehen nicht, was gerade passiert. Wir können sie auch nicht wie in einem Gefängnis einsperren. Viele von ihnen werden nicht mehr lange leben, weil sie schwere Vorerkrankungen haben – wir hatten dieses Jahr auch schon Influenza-Tote.“
Der Pflegeleiter der Caritas warnt die Bürger
Der Mangel an Schutzausrüstung sei ein „Riesenproblem. Wir versuchen verzweifelt, die Materialien über alle Kanäle zu bekommen, aber die üblichen Bestellwege sind versiegt. Die Schutzausrüstungen kosten oft das 20-fache des üblichen Preises – und sind trotzdem nicht zu haben“, sagt Marianne Jürgens, Sprecherin der Kölner Caritas. Seit 14 Tagen könnten die normalen Lieferanten die Versorgung nicht mehr garantieren. „Katastrophal ist der freie Handel mit Schutzausrüstung zu völlig überhöhten Preisen. Diese Bestände sollten beschlagnahmt werden“, sagt Caritas-Vorstand Peter Krücker.
Über die Stadt Köln kämen „wenn überhaupt nur Notbelieferungen in sehr geringer Stückzahl“, sagt Detlef Silvers, Pflegeleiter der Caritas. „Wenn die Situation sich dramatisch zuspitzt, ist nicht absehbar, wie das funktionieren soll.“ Wer sich jetzt privat oder für seine Firma mit Desinfektionsmitteln eindecke, gefährde den Schutz dort, wo er am wichtigsten sei. „Professionelle Schutzausrüstung und Desinfektionsmittel gehören zur Zeit in Kliniken, Arztpraxen, zu Rettungs- und Pflegediensten!“, sagt Silvers.