„Strich durch das Vergessen“Gedenktafel erinnert an Deportation Kölner Sinti und Roma
Köln – Gute Ideen werden in Köln an der Theke geboren. Zum Beispiel in der Kneipe „Zur grünen Eck“, erinnert sich Gunter Demnig. „Da habe ich Kurt Holl getroffen und wir haben uns auf Anhieb verstanden“. Holl, 1990 Vorsitzender von Rom e.V., suchte nach einer Möglichkeit an den 50. Jahrestag der damals weitgehend vergessenen Deportation von Roma und Sinti aus Köln zu erinnern. Demnig entwickelte eine Farbspur mit dem Schriftzug „Mai 1940 – 1000 Sinti und Roma“. Der „Strich" war dann an vielen Straßen und Plätzen Kölns zu lesen und wurde zum „Strich durch das Vergessen".
Demnig sollte Reinigung bezahlen
„Der Verein erhielt daraufhin viele Anrufe“, erzählt Ruzdija Sejdovic, heute im Rom-Vorstand. „Einige Anrufer boten Unterstützung an, andere forderten uns auf, die Straße vom Schmutz zu befreien.“ Demnig hatte zwar die Genehmigung der Stadt, „aber die wollte mir die Reinigungskosten aufdrücken. Sie haben dann gemerkt, dass das für die Stadt ziemlich peinlich geworden wäre.“ Und so blieb der Schriftzug. 1993 wurde aus ihm eine von der Stadt unter Denkmalschutz gestellte Messingschrift – die sogenannte Roma-Spur. Sie macht den Deportations- und Leidensweg von 1000 Kölner Roma und Sinti am 16. Mai 1940 an inzwischen 23 Orten der Stadt sichtbar.
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Am Mittwoch wurde die vorerst jüngste Messingspur vor dem Haus Nummer 6 in der Bobstraße verlegt. Auch von hier wurden am 16. Mai 1940 vier Roma abgeholt. „Das geschah mitten in Köln“, so Bürgermeisterin Brigitte von Bülow, „vor den Augen aller. Und die stadt-kölnische Gesellschaft schaute weg.“ Die meisten Opfer aber kamen aus dem sogenannten „Zigeunerlager“ in Bickendorf. Auf dem Gelände des heutigen Sportvereins SC Schwarz-Weiss Köln 1912 e.V. hatte die Stadt bereits 1935 das erste Internierungslager in Deutschland für Sinti und Roma eingerichtet. Von dort führte ihr Weg zum Bahnhof Deutz-Tief und weiter in die Gettos und Lager in Polen.
Heute soll der Messingweg die Kölner „aufrütteln und an die heutige Diskriminierung von Sinti und Roma aufmerksam machen“, erklärte Ossi Helling, Vorstand von Rom e.V.. Zugleiche mahnen die Tafeln daran, heute echte Teilhabe und Chancengleichheit zu ermöglichen, so von Bülow. Sie werben um Unterstützung ihrer Arbeit durch Stadt und Land NRW, erklärte Gordana Herold vom Verein Romane Romnja Köln. Die Spur, so Helling, solle die Kölner heute auch zu den 300.000 Sinti und Roma in der Ukraine führen, die auch Putins Vernichtungskrieg ausgesetzt seien. „Auch Roma-Frauen und Kinder flüchten derzeit nach Deutschland. „schauen wir nicht wie 1940 weg, sondern lasst sie uns willkommen heißen und ihnen helfen“.
Wieso die rund Zahl 1000?
Im Kunstbeirat, erzählte Demnig, sei er seinerzeit gefragt worden, woher er denn die runde Zahl 1000 nähme. „Das hat mir keine Ruhe gelassen.“ Er habe den Historiker Martin Stankowski gefragt, ob er die Zahl bestätigen könne. „Martin berichtete, eine Frau in den Niederlanden habe ihm erzählt, dass sie am 16. Mai 1940 auch in der Schlange vor dem Zug gestanden habe. Als Nummer 1008. Die SS habe aber bei 1000 Schluss gemacht. Die Fahrt sei nur für 1000 bezahlt. Die anderen sollten nach Hause gehen und zum nächsten Transport wiederkommen.“