Getrübte Osterfreude in KölnGottesdienste in Zeiten von Corona und Missbrauchsskandal
Köln – „Die Osterfreude lebt davon, dass man gemeinsam laut Halleluja singt“, sagt Andreas Brocke, Leitender Pfarrer der Pfarrgemeinden Köln am Südkreuz. Doch das „Halleluja“ kann in den anstehenden Gottesdiensten nicht erklingen, weil Gesang in der Corona-Pandemie verboten ist.
Immerhin können die Gottesdienste in Präsenz stattfinden. Von Gründonnerstag bis Ostermontag wird jeweils einer live auf Facebook übertragen.
Die Besucher der Präsenzfeiern müssen sich auch sonst anmelden, in großem Abstand voneinander Platz nehmen und den Mundschutz anbehalten. Manch einer bleibt aus Angst vor Ansteckung weg. Für Musik sorgen Organisten, einzelne Sänger oder kleine Gruppen. Die Chöre können nicht proben. Die Mund-Nase-Bedeckungen empfindet der Pfarrer während der Predigt als irritierend: „Gesichter unter Masken zu deuten, ist nicht ganz einfach.“ Dass Helfer am Eingang stehen, um Besucher zu registrieren, habe sogar etwas Gutes: Die Gläubigen fühlten sich begrüßt.
Corona verändert das Gemeindeleben
Der Seelsorgebereich umfasst Bayenthal, Marienburg, Raderberg, Raderthal und Zollstock mit den Gemeinden St. Mariä Empfängnis, St. Matthias und Maria Königin, St. Pius und Zum Heiligen Geist. Rund 17.700 Katholiken leben dort. „Die Art der Kommunikation hat sich grundsätzlich geändert“, sagt Brocke. Zusammenkünfte sind meist nicht möglich. Vieles erledigt der Pfarrer online und am Telefon.
Voriges Jahr fanden die Erstkommunion-Feiern erst vor den Sommerferien statt – in erhöhter Zahl, damit sich die Gäste verteilten. Auch in diesem Jahr beginnt die Vorbereitung auf die Erstkommunion später. Die Zahl der Trauernden, die an einer Beerdigung teilnehmen dürfen, ist zwar wieder größer; doch nur wenige können in die Friedhofskapelle hinein, die anderen müssen draußen stehen. Hausbesuche und die Krankenkommunion sind unter Auflagen möglich. Die Senioren müssen auf ihre regelmäßigen Treffen verzichten; die Jugendarbeit weicht auf Online-Formate aus.
Kreativität ist gefragt
Brocke resümiert: „Was wir in physischer Anwesenheit machen können, sind liturgische und einige katechetische Dinge.“ Das Gemeindeleben schwanke zwischen Gewöhnung an die neue Normalität und „Ermüdung“. Als positiven Effekt beobachtet er, dass die „Achtsamkeit der Menschen füreinander gewachsen“ sei. Beim Pastotralteam habe sich ein große Aufmerksamkeit für die Gefahr entwickelt, „dass Leute aus dem Blick geraten“. Zudem bewirke die Pandemie, sich darauf zu besinnen, was einem wichtig ist. Kreativität sei gefragt, um Religiosität in neuen Formen zu leben. Voriges Jahr verschickte der Gemeindeverband Flyer dazu, wie sich der Weihnachtgottesdienst – inklusive Online-Krippenspiel – zuhause feiern lässt.
Das könnte Sie auch interessieren:
Hinzu kommt die Missbrauchskrise im Erzbistum. Der Pfarrgemeinderat wandte sich mit einem Brief an Kardinal Woelki, in dem er Transparenz anmahnte. „Viele waren verunsichert und traurig“, sagt Brocke. Einig sei man sich, dass die Veröffentlichung des Missbrauchsgutachtens nur der erste Schritt der Aufarbeitung sein könne. Trotz allem habe niemand „aus dem Zentrum der Gemeinde“ der Kirche den Rücken gekehrt – anders, als man es aus anderen Gemeinden gehört habe, sagt Brocke.
„Unsere engagierten Menschen glauben an die Kraft des Evangeliums.“ Sich für diese „tolle Botschaft“ vor Ort einzusetzen verbinde sich mit der Erwartung, dass die Kirche sich „im Gesamten“ verändere: „Es darf nicht darum gehen, das System zu erhalten, sondern die Botschaft wachzuhalten.“