Auch VergewaltigungenHäusliche Gewalt in Köln nimmt in Corona-Lockdown wieder zu
Köln – Seit den strengeren Corona-Restriktionen Ende vergangenen Jahres haben gewaltsame Übergriffe in den eigenen vier Wänden gegen Familienmitglieder oder Mitbewohner offenbar wieder zugenommen. Wie das städtische Dezernat für Soziales, Integration und Umwelt dem Sozialausschuss auf Anfrage der SPD mitteilt, gehe das Kölner „Netzwerk gegen häusliche Gewalt“ davon aus, dass „die gegenwärtigen Bedingungen verstärkt zur Gewalt gegenüber Kindern und zwischen Lebenspartnern führen können“.
Vermehrt Spannungen in den Familien
Polizei, Staatsanwaltschaft, Stadtverwaltung und Beratungsstellen berichteten von wieder steigenden Anfragen und Rückmeldungen der Opfer, „wonach die verstärkte Anwesenheit aller Familienmitglieder vermehrt zu Spannungen untereinander führt“, schreibt Sozialdezernent Harald Rau weiter. „In einigen Familien führt dies zu psychischer und physischer Gewalt, auch in Form von Vergewaltigung in der Ehe oder Partnerschaft.“ Konkrete Zahlen nennt Rau nicht.
Offenbar wiederholt sich momentan die Entwicklung des ersten Lockdowns im vorigen Frühjahr. Denn nach dessen Ende seien auch die Strafanzeigen wegen häuslicher Gewalt bei der Polizei zurückgegangen, die Beratungshotlines hätten jedoch bundesweit einen deutlichen Anstieg der telefonischen und Online-Kontaktanfragen verzeichnet, heißt es in der Mitteilung des Sozialdezernenten.
Soziale Kontrolle fehlt während des Lockdowns
Als während des Lockdowns Kindertagesstätten und Schulen geschlossen waren, fehlte die soziale Kontrolle aufmerksamer Pädagogen, die mögliche Misshandlungen hätten erkennen können: In dieser Zeit sei es zu einem „Rückgang der Meldungen über den Verdacht auf Kindeswohlgefährdung im Jugendamt Köln“ gekommen. Nach Worten der Verwaltung werden dem Jugendamt in Zeiten ohne Pandemie 30 Prozent der Hinweise auf eine möglichen Kindeswohlgefährdung von Mitarbeitern der Kitas und Schulen gemeldet. 50 Prozent der Meldungen erhalte das Jugendamt von der Polizei, in 20 Prozent der Fälle reagieren Verwandte, Freunde oder Nachbarn der Betroffenen.
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Auch die aktuelle Situation sei wegen des Corona-Schutzkonzepts wieder mit starken Einschränkungen des öffentlichen Lebens und der sozialen Kontakte verbunden. „Isolation und Quarantäne, beengte Lebensumstände, finanzielle Sorgen, fehlende Kinderbetreuung und eine Reduzierung von Rückzugsmöglichkeiten können zu einem Anwachsen von Stresssituationen innerhalb von Familien führen“, erläutert das Dezernat.
Im Zuge der Pandemie hätten Stadt, Soziale Einrichtungen und Polizei ihre Hilfsangebote für Opfer häuslicher Gewalt ausgebaut und ihre Zusammenarbeit intensiviert, betont die Verwaltung. Unter anderem habe die Stadt fünf Wohnungen bereit gestellt, in denen Frauen, die Opfer von häuslicher Gewalt wurden, mit bis zu sieben Kindern vorübergehend leben können. Zudem hat der Rat im vergangenen September den Bau eines dritten Frauenhauses mit Plätzen für zwölf Mütter und deren Kinder beschlossen. In den beiden bestehenden Häusern können 68 Frauen und 89 Kinder Schutz finden.