Physiker Harald Lesch tritt im April gemeinsam mit dem Merlin-Ensemble aus Wien auf und präsentiert eine Mischung aus Vivaldi und Wissenschaft.
Konzert in Kölner PhilharmonieHarald Lesch warnt: „Radioaktiver Abfall ist ein ideales Ziel für einen Aggressor“
Der Abend beginnt, nun ja, ganz am Anfang: „Ich werde erzählen, wie die Erde entstanden ist“, sagt Wissenschaftler und TV-Moderator Harald Lesch, „und, wie die vier Jahreszeiten entstanden sind.“ Das war letztlich ein Unfall: „Die Urerde stieß mit einem anderen Brocken zusammen, dadurch ist die Rotationsachse um 23 Grad gekippt.“ Was vor einigen Milliarden Jahren seinen Ursprung nahm, fasste Vivaldi vor knapp 300 Jahren in seinem bekanntesten Werk „Die vier Jahreszeiten“ zusammen. Im April spielt das Merlin-Ensemble aus Wien unter der Leitung von Martin Walch dieses Konzert in der Kölner Philharmonie.
„Alle kennen diese Musik, sie ist wunderschön – ein echter Gassenhauer, wenn man so will“, sagt Lesch. Zwischendurch erklärt er bei dem Konzert, wie die Erde zu einem bewohnbaren und schließlich bewohnten Planeten wurde und wie der Klimawandel dieses Leben und die vier Jahreszeiten verändert. Zeitzeugen dessen sind zudem die Instrumente, die teils älter sind als Vivaldis „Le Quattro Stagioni“ selbst.
Klassische Musik: Geheimnis der Stradivari nie gelüftet
Martin Walch selbst spielt auf einer Violine, die um 1700 gebaut wurde. „Die Synergien zwischen der Wissenschaft und der Musik sind dadurch sehr eng“, sagt Walch. Eines aber könnten beide nicht erklären – die Besonderheit der Jahrhunderte alten Instrumente. „Sie unterscheiden sich in einer Form, bei der weder wir Musiker noch Physiker wissen, was und warum das so ist. Es ist nie bewiesen worden, warum zum Beispiel eine Stradivari so gut klingt“, so Walch.
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Um die Geigen von Antonio Stradivari ranken sich verschiedene Theorien, einige Wissenschaftler vermuten ein besonderes Holz oder eine spezielle chemische Behandlung. Andere glauben, dass die Form der Schalllöcher ausschlaggebend für den Klang des berühmten Instruments ist. Wieder andere halten den „besonderen Klang“ für Einbildung.
Eingehend Konsens aber herrscht darüber, dass klassische Musik das Denken anregt. Auch das der Konzertbesucher soll so in Schwung gebracht werden, belehrend solle der Abend nämlich nicht werden, sagt Martin Walch. Lesch meint: „Die Musik versetzt die Hirne der Anwesenden in die Lage, Informationen annehmen zu können, die ihnen gar nicht passen.“ So etwa der Klimawandel. Ein Thema, das den Physiker schon seit Jahren umtreibt.
„Stellen Sie sich vor, wir hätten uns in den 50er-Jahren nicht für die Kern- sondern die Windenergie entschieden. Das wäre durchaus möglich gewesen“, holt Lesch aus. „Wie ich immer sage: Es gab schon Wind vor den Windkrafträdern. Daran wird deutlich, wie wichtig es ist, im richtigen Moment die richtige Entscheidung zu treffen und es nicht auf später zu verschieben. Denn jetzt haben wir kein Endlager für radioaktive Abfälle.
Wir werden noch mindestens drei, vier Generationen damit zu tun haben, diese zu entsorgen. Kleine Randbemerkung dazu: 1900 Castorenbehälter mit radioaktivem Material sind ideale Angriffsziele für einen eventuellen Aggressor.“ Das Zwischenlager Gorleben soll aufgrund dieser Gefahr mit einer Mauer geschützt werden, Kritiker halten das für nicht ausreichend.
Mit dem klimaschädlichen Kohlendioxid sei es das gleiche Prinzip: „Es gibt in Politik und Gesellschaft einen erheblichen Nachholbedarf, sich darüber Gedanken zu machen, wie wir mit den Abfällen unserer Lebensweise umgehen.“ Es stünde intelligenten Lebewesen gut, jetzt schnell zu handeln, sagt Lesch. „Sonst werden die Außerirdischen später sagen: Schade.“ An mangelnder Aufklärung könne es eigentlich nicht liegen, meint Lesch.
Harald Lesch: Wiederwählbarkeit steht vor Inhalten
„Wir wissen alles über den Klimawandel, was wir wissen müssen, um das Richtige zu tun.“ Es gebe keine Wunderwaffe, die ihn beendet, ohne dass etwas verändert werden müsste. „Dass wir in eine Bullshitisierung solcher Themen gekommen sind, finde ich enorm schlimm. Da hat die Politik auch ihren Einfluss drauf, weil immer wieder verharmlosende Stimmen kommen.“ Die Wiederwählbarkeit stehe zu oft über den Inhalten.
Würde Vivaldi sein berühmtes Violinkonzert in der nahen Zukunft neu schreiben, würde es wohl gänzlich anders klingen. „Die Temperatur- und Druckunterschiede auf dem Planeten werden stärker und die Extremwetterereignisse treten häufiger auf“, sagt Harald Lesch. „Das müsste sich in neuen ‚Vier Jahreszeiten‘ in starkem, schnellem und intensivem Spiel ausdrücken.“
Das Konzert „Die vier Jahreszeiten im Klimawandel“ findet am 30. April 2024 in der Kölner Philharmonie statt. Karten gibt es ab 40 Euro über die Webseite der Philharmonie, via Ticket-Hotline 0221 280 280 und über die bekannten Vorverkaufsstellen.