„Hochrisiko-Gruppe“Die Zahl der älteren Autobesitzer in Köln steigt weiter
- Die Gruppe der betagten Fahrzeughalter in Köln wächst immer weiter.Ein Grund dafür dürfte die demografische Entwicklung sein.
- Die Hauptursachen für Unfälle der Älteren seien missachtete Vorfahrt oder Fehler beim Abbiegen, oder Rückwärtsfahren – sie seien eine „Hochrisiko-Gruppe“.
- Sollte es einen verpflichtenden Fahrtauglichkeitstest geben?
Köln – Willy Millowitsch fuhr bis ins hohe Alter mit dem Auto durch Köln. Seinen Führerschein machte er 1927. Erst Mitte der 1990er, nachdem er mit mehr als 80 Jahren in einige Unfällen verwickelt war, gab er seinen Führerschein ab. Er wechselte auf den Beifahrersitz seines Opel Senators, Baujahr 1992, und ließ sich lieber chauffieren. Heute wäre der Autofahrer Millowitsch nur einer von vielen. Immer mehr ältere Kölner besitzen ein Fahrzeug.
Im Jahr 2005 waren 66.483 Halter 65 Jahre oder älter, 2018 stieg diese Zahl auf 84.712, wie die Verwaltung dem Umweltausschuss auf Anfrage von Matthias Pergande (FDP) mitteilt. Bei den 50- bis 64-Jährigen ist der Anstieg noch deutlicher: 98.140 Halter waren es im Jahr 2005, bereits 135.553 Halter 2018. Damit avanciert diese Altersgruppe langsam zum Spitzenreiter der Kölner Fahrzeugbesitzer. Diesen Platz hatten noch 2018 die 30- bis 49-Jährigen inne mit 143.607 Haltern. Jedoch ist die Zahl hier rückläufig: 2005 waren es noch 161.542. Bei den jüngsten Autobesitzern stieg dieser Wert zwischen 2005 und 2018 nur moderat von 25.016 auf 29.628.
Köln: Alter der höchsten Pkw-Dichte kräftig gestiegen
Auch das Alter der höchsten Pkw-Dichte ist kräftig gestiegen. Sie war nach Angaben der Verwaltung 2005 bei den 49-Jährigen am höchsten, 2018 bei den 57-Jährigen. Und während vor 14 Jahren die 41-Jährigen die meisten Autos neu zuließen, meldeten 2018 Menschen im Alter von 50 Jahren die meisten Wagen neu an.
Ein Grund dafür dürfte die demografische Entwicklung sein. Es gibt immer mehr ältere Menschen, weshalb auch die Zahl der betagteren Fahrzeugbesitzer steigt. Damit einher geht jedoch auch ein Trend, auf den Daten des Statistischen Bundesamts hinweisen: Mit dem Alter steigt die Gefahr, einen Unfall beim Autofahren zu verursachen. 2017 trugen über 64-jährige Autofahrer oft die Hauptschuld, wenn sie in einen Unfall verwickelt waren (67 Prozent). Bei den über 75-Jährigen waren es sogar 75 Prozent. Das ist ein höherer Wert als bei den traditionell ungestümen Fahranfängern im Alter von 18 bis 24 Jahren, die statistisch gesehen am häufigsten verunglücken. Sie sind aber nur in 65 Prozent der Fälle schuld, wenn es kracht.
In der Region Köln und Leverkusen trug 2018 die Altersgruppe 65 plus an rund 62 Prozent die Hauptschuld an Unfällen mit Personenschaden, sagt die Polizei auf Anfrage. Wenn Autofahrer ab 75 Jahren in Kollisionen verwickelt waren, trugen sie in 64 Prozent der Fälle die Hauptschuld – diesen Wert erreichen aber auch die 18- bis 24-Jährigen.
Unfälle in Köln: Missachtete Vorfahrt oder Fehler beim Abbiegen
Die Hauptursachen für die Unfälle der Älteren sind laut Statistischen Bundesamt missachtete Vorfahrt oder Fehler beim Abbiegen, oder Rückwärtsfahren. Auch Fehlverhalten gegenüber Fußgängern nimmt bei den Betagteren hinterm Steuer zu. Raserei – bei jüngeren Fahrern das häufigste Vergehen – oder Fahren unter Alkoholeinfluss nimmt demnach mit steigendem Alter ab.
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„Autofahrer über 75 Jahre sind eindeutig eine Hochrisiko-Gruppe“, sagte Siegfried Brockmann, Leiter der Unfallforschung der Versicherer im Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Alterungsprozess verschlechtere die Sinnesleistungen, schwächt die Koordination und schränkt die Mobilität ein. Brockmann forderte deshalb gegenüber dem RND verpflichtende Fahrtauglichkeitstests ab 75 Jahren. In vielen Ländern sind solche Tests bereits Standard.
Verpflichtende Fahrtauglichkeitstests für Senioren
Das sehen andere nicht so. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) zum Beispiel lehnte verpflichtende Fahrtauglichkeitstests für Senioren bereits vor Monaten kategorisch ab.
Regeln für Senioren beim Autofahren
In Deutschland, Frankreich, Belgien, Österreich und Polen gilt der Pkw-Führerschein auf Lebenszeit. Viele andere Länder prüfen die Fahrtauglichkeit im Alter – etwa durch Sehtests, medizinische Untersuchungen oder Fahrprüfungen.
Spanische Fahrer zum Beispiel müssen ab 45 Jahre alle zehn Jahre einen Test absolvieren, ab 70 alle zwei. In den Niederlanden müssen Autofahrer ab 70 Jahre alle fünf Jahre zum Gesundheitscheck, in Schweden, in Großbritannien und in Griechenland alle drei Jahre. In Italien müssen Fahrer unter 50 Jahren alle zehn Jahre ihren Führerschein erneuern, Fahrer zwischen 50 und 70 Jahren alle fünf, zwischen 70 und 80 Jahren alle drei, und jeder, der älter ist als 80, alle zwei Jahre – dabei muss immer ein ärztliches Attest vorgelegt werden, dass die Fahrtauglichkeit bescheinigt. In der Schweiz müssen Autofahrer ab 75 alle zwei Jahre zur „vertrauensärztlichen Untersuchung“. Dieses Alter wurde vor kurzem vom Nationalrat von 70 auf eben 75 Jahre erhöht.
Wer sich in Japan ab 70 Jahre hinter das Steuer setzen möchte, muss regelmäßig einen Demenztest absolvieren. (og)
„Jeder sollte regelmäßig selbst seine Fitness und Fähigkeiten im Straßenverkehr überprüfen“, sagte er der Funke Mediengruppe. Ältere Menschen dazu zu verpflichten, komme für ihn nicht infrage. „Ältere Kraftfahrer – besser als ihr Ruf“, postuliert auch der ADAC in einem Papier namens „Verkehrspolitische Position“ zum Thema Senioren am Steuer.
Gemessen an ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung hätten ältere Kraftfahrer weniger Unfälle verursacht. Sie zeichne aus, dass sie über „nahezu lebenslange Fahrerfahrung“ und einen „meist besonnenen Fahrstil“ verfügten, heißt es weiter. Der ADAC setzt wie Minister Scheuer darauf, dass Senioren freiwillig ihr Autofahrvermögen überprüfen und hat ein entsprechendes – kostenpflichtiges – Angebot im Portfolio. Auch der Tüv oder die Dekra bietet freiwillige Fahrtauglichkeitstests an.
Übrigens hat Willy Millowitsch seinen Führerschein offenbar nicht ganz freiwillig abgeben. Nachdem er mit 79 Jahren bereits einen jungen Motorradfahrer umfuhr, der sich dabei schwer verletzte, und den anderen Karambolagen einige Zeit später, sei er lediglich einer behördlichen Anordnung zuvorgekommen, hieß es damals.