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Bombenhagel im Zweiten Weltkrieg„In Köln steht jetzt wirklich gar nichts mehr”

Lesezeit 6 Minuten
Köln Zweiter Weltkrieg

Alltag nach Bombenangriff: KZ-Häftlinge werden zu Aufräumarbeiten herangezogen, hier am Mühlenbach.

  1. In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 fliegt die Royal Air Force (RAF) den berüchtigten „Tausend-Bomber-Angriff“ gegen Köln – über 1000 britische Flugzeuge werfen ihre tödliche Bombenlast über der Stadt ab.
  2. Die Innenstadt wird in ein Trümmerfeld verwandelt, die Zahl der Menschen ohne Dach über dem Kopf geht in die Hunderttausende.
  3. Eine neue Fluchtwelle setzt ein. Diejenigen, die bleiben, verschanzen sich in Luftschutzkellern. Oppositionelle Gruppen unternehmen Sabotageakte.
  4. Aus unserer Serie: 75 Jahre Weltkriegsende.

Köln – Der Krieg, den die Deutschen in alle Regionen Europas getragen haben, wendet sich spätestens seit Juni 1944 mit aller Macht gegen sie: Nach der Landung der Alliierten in der Normandie muss sich die Wehrmacht auch im Westen oft fluchtartig zurückziehen – schon im September nehmen amerikanische Verbände den Raum Aachen ein, die Front ist nur noch 90 Kilometer von Köln entfernt.

Für die Kölner gehört der Krieg indessen schon seit Mitte 1942 zum Alltag, sie sind die ersten Deutschen, die die Grausamkeit und die unmenschliche Taktik des modernen Luftkrieges über sich ergehen lassen müssen: In der Nacht vom 30. auf den 31. Mai 1942 fliegt die Royal Air Force (RAF) den berüchtigten „Tausend-Bomber-Angriff“ gegen Köln – über 1000 britische Flugzeuge werfen ihre tödliche Bombenlast über der Stadt ab. 486 Menschen verlieren dabei ihr Leben, mehr als 5000 zum Teil schwer Verletzte werden gezählt, etwa 45 000 Kölner sind über Nacht wohnungslos.

Alltag bei Fliegeralarm: Anwohner im Luftschutzkeller der Kaufhof-Filiale in Köln-Mülheim – hier eine Aufnahme aus den ersten Kriegsjahren.

Von nun an bestimmt der Bombenkrieg das Leben der Bevölkerung. „Von da an sind wir immer angezogen ins Bett gegangen, damit wir bei Fliegeralarm schnell in den Luftschutzraum rennen konnten“, erinnert sich Krätzchensänger Ludwig Sebus (Jahrgang 1925). Einer der furchtbarsten Angriffe des gesamten Krieges ist der sogenannte „Peter-und-Paul-Angriff“ am 29. Juni 1943, dem annähernd 5000 Kölner zum Opfer fallen.

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Die Innenstadt wird bereits jetzt in ein Trümmerfeld verwandelt, die Zahl der Menschen ohne Dach über dem Kopf geht in die Hunderttausende, es beginnt die Zeit der Evakuierungen großen Maßstabs – Anfang September 1944 leben von einstmals 780 000 Einwohnern nur noch etwa 445 000 in der Stadt, hauptsächlich in Bunkern, Kellern und weitgehend zerstörten Häusern.

Pausenlos Angriffe geflogen

Nach der Einnahme Aachens wird die RAF, die bisher hauptsächlich Köln bombardiert hat, unterstützt von der 8. US Air Force. Am 27. September setzt eine Serie von Luftschlägen ein, in deren Verlauf annähernd 4000 Bomber – unter dem Schutz von etwa 2000 Jagdflugzeugen – bis Ende Oktober pausenlos Angriffe fliegen.

Am 27. September notiert Robert Grosche, Pfarrer von St. Mariä Himmelfahrt und seit Dezember 1943 Stadtdechant, mit scheinbarer Distanz in sein Tagebuch: „Gegen halb elf zuerst öffentliche Luftwarnung, dann Fliegeralarm. Wir können gerade noch in den Keller des Pfarrhauses gehen, weil man sogleich die heranbrausenden Maschinen hört und heftiger Flakbeschuss einsetzt. Kaum sind wir im Keller, da setzt der Strom aus, dann hören wir mächtiges Rattern und einen Einschlag, offenbar ein Bombenteppich.“

Als der Angriff vorbei ist, wagt sich Grosche nach draußen. „Alles ist in Nebel gehüllt. Ich gehe zum Kolpinghaus, ich finde Prälat Hürth auf einer Bank liegend, er ist auf dem Weg zum Luftschutzkeller durch eine einschlagende Tür getötet worden. Schrecklich zugerichtet ist die Apostelnkirche, bei der das nördliche Seitenschiff völlig weggerissen und die Kuppel eingestürzt ist.

Die Verwüstungen in der Stadt sind schrecklich, die Straßen völlig unbrauchbar. Auch die Bahnstrecken sind zum Teil getroffen.“ Grosches Aufzeichnungen, die im Frühjahr 1944 einsetzen, sind eine immens wertvolle Quelle – Grosche ist ein aufmerksamer Beobachter der Agonie, in die Köln nach den schweren Bombardierungen im Herbst 1944 verfällt.

Unser Tipp für Sie zum Weiterlesen

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Der Tagesluftangriff am 17. Oktober wird in den – im Jahre 1954 herausgegebenen – statistischen Mitteilungen der Stadt Köln (mit dem Titel „Köln im Luftkrieg“) in nüchternen Worten so beschrieben: „Der Angriff auf den Luftschutzort (!) Köln von 400–600 Feindflugzeugen ist zu den weitaus schwersten Angriffen im Verlauf des Zweiten Weltkrieges zu rechnen. Bei nur mäßigem Flakbeschuss konnten 2800 Spreng-, rund 50 000 Stab- und Phosphorbrandbomben auf das gesamte Stadtgebiet einschließlich der Vororte – hier vor allem der rechtsrheinischen – geworfen werden.“

Neue Fluchtwelle setzt ein

Heinz Pettenberg, Redakteur des „Kölner Stadt-Anzeiger“, schreibt damals in sein Tagebuch: „Es ist der bisher schwerste Angriff, in der Messe brannte das Lager für Gefangene ab, und am Abend sahen wir den traurigen Zug der Gefangenen in Holzpantinen, von Polizei mit Karabinern begleitet, zu ihrem neuen Gefängnis in Müngersdorf wandern.“ Im Inferno dieser Tage sterben Tausende, zugleich setzt eine neue Evakuierungs- beziehungsweise Fluchtwelle ein.

Diejenigen, die bleiben, kommen nicht mehr aus den Luftschutzkellern heraus – die Situation wird immer trostloser, die Versorgung mit Lebensmitteln von Tag zu Tag problematischer, Infrastruktur und öffentliches Leben sind zusammengebrochen. Schon vor diesen Angriffen sind am 1. Oktober die Schulen geschlossen worden, auch der Vorlesungsbetrieb an der Universität wird eingestellt. Angesichts der näher rückenden Front erklären die Nazis Köln zur „Festungsstadt“.

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Doch in der Stadt hat sich längst Widerstand formiert – oppositionelle Gruppen aus Kommunisten und Sozialdemokraten sowie entflohenen Zwangsarbeitern unternehmen Sabotageakte, auch jugendliche Kölner, darunter sogenannte Edelweißpiraten, die sich ihrem Einsatz beim Bau des Westwalls entzogen haben, machen aus dem Untergrund heraus den Kölner Nazischergen zu schaffen.

Als Polizei und Gestapo im Oktober mehrfach in regelrechte Gefechte mit Regimegegnern verwickelt werden, in denen Gestapochef Hoffmann erschossen wird, greift man zu immer brutaleren Mitteln: Am 25. Oktober 1944 inszenieren Gestapo und SS erstmals eine öffentliche Hinrichtung – in Ehrenfeld werden elf ausländische Zwangsarbeiter gehängt. 14 Tage später trifft es 13 Deutsche, die Ehrenfelder Gruppe um Hans Steinbrück, genannt Bomberhans. Zu der Gruppe gehören Jugendliche, die früher einmal bei den Edelweißpiraten aktiv waren – am 10. November werden sie an gleicher Stelle hingerichtet.

NS-Dokumentationszentrum beschreitet neue Wege

Vom 6. März bis zum 24. Mai wird das Gewölbe des Kölner EL-DE-Hauses zu einer „Media Box“. Zur 75. Wiederkehr des Kriegsendes werden in einer Ausstellung Kombinationen aus Licht- und Audioinstallationen sowie Film- und Bild-Projektionen gezeigt, womit das NS-Dokumentationszentrum (NS-Dok) völlig neue Wege beschreitet. Diese Projektionen, kombiniert mit einer Lesung und Musik, werden an zwei Tagen auch an Originalschauplätzen im Kölner Stadtgebiet gezeigt. Zur Eröffnung der Ausstellung am 5. März findet dies ab 19 Uhr am Neptunplatz statt, US-Truppen stießen am 5. März 1945 auch über die Venloer Straße in Richtung Dom vor.

Kein bewohnbares Haus mehr

Am Abend des 10. November 1944 fährt der Schweizer Konsul Franz-Rudolf von Weiss durch die südwestlichen Stadtteile: „Auch hier kann ich kein einziges Haus sehen, das bewohnbar ist. Von Zeit zu Zeit sehe ich aus einem Kellerloch eine Menschengestalt auftauchen. Ich entdecke eine Metzgerei, die wohl von über 400 Menschen belagert wird, die versuchen, etwas Fleisch zu ergattern. Hier und da beobachte ich einige alte Frauen, die mühsam einen Eimer Wasser nach Hause schleppen. Überall brennen noch Häuser. Während die Stadt wie ausgestorben daliegt, sieht man auf den Ausfallstraßen Tausende Menschen mit Handkoffern und Paketen, die zu Fuß unterwegs sind, um aus dieser Stadt des Grauens zu entfliehen.“

Am 15. November 1944 schreibt Christa Lehmacher aus Klettenberg an ihren Bruder Robert, der in Berlin arbeitet: „Wie es in unserem Köln aussieht, davon kannst Du Dir keinen Begriff machen. Es steht jetzt wirklich gar nichts mehr, es gibt kein Wasser mehr, kein Licht, kein Gas: Köln ist eine tote Stadt.“