Im Schnitt fast stündlich löst eine der 106 Videokameras in Köln einen Polizeieinsatz aus.
Zahlen verdoppeltVideoüberwachung sorgt für immer mehr Einsätze der Kölner Polizei
Es ist die Nacht zum 15. Oktober 2023, ein früher Sonntagmorgen. Gegen 2.30 Uhr kommt plötzlich Bewegung in die Livebilder der polizeilichen Videobeobachtung. Auf einem großen Monitor in der Videoleitstelle des Polizeipräsidiums in Kalk sieht ein Ermittler, wie am Roncalliplatz mehrere Personen in Streit geraten – direkt vor der Linse einer Überwachungskamera. Die Gegend um das Römisch-Germanische Museum ist ansonsten menschenleer. Der Polizist, der drei Kilometer entfernt auf seinem Bürostuhl sitzt, ist der einzige Zeuge.
Er sieht, wie vier Männer einen fünften zu Boden stoßen. Sie treten ihm gegen den Oberkörper und gegen den Kopf. Der Beamte alarmiert seine Kollegen im Streifendienst und einen Rettungswagen. Noch während die Einsatzkräfte zum Tatort eilen, flüchten die vier Angreifer in Richtung Hauptbahnhof – auch das ist auf den Kamerabildern zu erkennen.
Köln: Festnahme dank Videoüberwachung
Vor Ort kümmern sich die Rettungskräfte sofort um den Schwerverletzten, er schwebt in Lebensgefahr. Sie stabilisieren den 35-Jährigen und bringen ihn in ein Krankenhaus, wo er erfolgreich operiert wird. Unterdessen gelingt der Polizei noch in derselben Nacht die Festnahme dreier der vier Tatverdächtigen, sie sind nicht weit gekommen. Der vierte wird wenige Stunden später in seiner Wohnung in Dormagen festgenommen.
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Martin Lotz, Leitender Polizeidirektor, führt diesen Einsatz vor einem halben Jahr als ein Paradebeispiel für den wachsenden Erfolg der polizeilichen Videobeobachtung an. „Der Mann hat überlebt, und ohne die Kameras wären die Ermittlungen wahrscheinlich völlig ins Leere gelaufen.“
Köln: Sieben Orte werden dauerhaft videoüberwacht
Seit Ende 2016 überwacht die Behörde bestimmte Brennpunkte in der Stadt dauerhaft mit insgesamt 106 fest installierten und hochauflösenden Kameras, inzwischen sind es sieben Orte: die Bereiche Dom/Hauptbahnhof, Kalk Zentrum, Ringe, Breslauer Platz, Ebertplatz, Neumarkt und Wiener Platz/Mülheimer Stadtgarten. Welche Straßenzüge und Plätze gefilmt werden dürfen – oder auch eben nicht gefilmt werden dürfen, das regelt das Gesetz. Voraussetzung ist eine signifikante Häufung von Straftaten.
Alle Videodaten werden nach 14 Tagen automatisch gelöscht, sofern sie nicht als Beweismittel in Strafverfahren dienen. Während Versammlungen und Demonstrationen wird die Videobeobachtung abgeschaltet. Eventuelle Einblicke in Wohnungen und Geschäfte würden geschwärzt, betont die Polizei.
Aus der aktuellen Einsatzstatistik geht hervor, dass die Videobeobachtung die Ermittlungen der Polizei 2023 bei insgesamt 8114 Einsätzen unterstützt hat – mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2022. Die meisten dieser Einsätze ereigneten sich auf den Ringen (1753), in Kalk (1697) und auf dem Neumarkt (1488).
Martin Lotz erklärt die stark gestiegene Zahl vor allem damit, dass das Personal auf der Videoleitstelle immer besser qualifiziert sei und sich „mehr und mehr an die Technik“ gewöhnt habe. In Polizeikreisen heißt die Videoleitstelle längst „Video-Arnold“, angelehnt an den Funkrufnamen der Polizei Köln: „Arnold“. Lotz sagt: „Die Kolleginnen und Kollegen erkennen auf den Bildern manchmal Tage später einen Tatverdächtigen wieder und können darüber Tatzusammenhänge herstellen.“
Manche Datenschützer und Kommunalpolitiker stehen dem steten Ausbau der Videobeobachtung dagegen kritisch bis ablehnend gegenüber. Die Kölner Kampagne „Kameras-Stoppen“ etwa sieht die Freiheitsrechte durch die „staatliche Überwachung“ bedroht. Die Initiatoren veranstalten Protestaktionen, betreiben eine eigene Webseite und haben schon Gerichtsklagen unterstützt. Ziel der Kampagne ist es, dass die bestehende Videobeobachtung eingestellt und neue Kameras verhindert werden.
Als die Polizei 2022 mit der Videoüberwachung in Kalk startete, äußerten auch Politiker verschiedener Parteien Vorbehalte. Die Grünen etwa sprachen von einer „Einschüchterung“ der Menschen und forderten, dass sich jede Person „frei bewegen“ können müsse – ohne die Sorge, beim Eis essen oder Einkaufen gefilmt zu werden. Zudem verhindere Videobeobachtung keine Straftaten, sondern dränge die Täter bloß in nicht überwachte Straßen ab.
Zumindest eines dürfte die Kritiker womöglich ein wenig besänftigen: Weitere Videozonen in Köln außer den sieben bestehenden seien derzeit nicht geplant, teilt die Polizei mit.