Interview mit Kölns FDP-Chef Ralph Sterck„Lasst die Investoren einfach mal bauen“
Herr Sterck, nach der Kommunalwahl vor fünf Jahren bildete die FDP mit CDU und Grünen ein Ratsbündnis. Nun hoffen Union und Grüne, dass es wieder klappt – die FDP ist nicht dabei. Warum?Sterck: Ob die Grünen wirklich hoffen, dass das wieder klappt, sehen wir nach der Wahl. Ich halte es nicht für unwahrscheinlich, dass wir nach dem Wahlabend mit Schwarz-Grün ins Bett gehen und mit Rot-Rot-Grün wieder aufwachen. Es stimmt, wir sind nicht dabei. Ich glaube, dass sich die Kölnerinnen und Kölner von CDU, Grünen und Oberbürgermeisterin in den vergangenen fünf Jahren mehr versprochen hätten. Auch die FDP hatte mehr erwartet. Als die Oberbürgermeisterin die Amtsgeschäfte übernommen hat, sind die Weichen nicht so gestellt worden, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wir haben uns bewusst zurückgezogen, das kann ich offen sagen. Einige Grüne haben am Anfang geschickt die FDP rausgedrängt. Das hätten CDU und OB verhindern können, haben sie aber nicht.
Was ist aus Ihrer Sicht das größte Versäumnis der OB?
Ich würde mir wünschen, dass sie für ihre Themen mehr kämpft. Wenn sie sagt, sie möchte die Ost-West-U-Bahn oder den Klinikverbund, dann muss sie bei der Politik dafür werben. Bei der Ost-West-Achse habe ich die Verhandlungen geführt. Und beim Klinikverbund haut sie nicht mal auf den Tisch und sagt „Liebe grüne Freunde, wir schießen da jeden Monat Millionenbeträge in dieses Fass ohne Boden, wir müssen da zu einem Ergebnis kommen.“ Da würde ich mir von ihr mehr Führung wünschen. Natürlich kann eine OB nicht in alle Prozesse reinregieren, dafür muss man Leute haben, die den Willen der OB durchsetzen. Das hat sie alles auf ihre Schultern genommen, da war das Gewicht etwas hoch.
Die FDP hat keinen eigenen OB-Kandidaten und unterstützt auch keinen der anderen Bewerber. Ist Ihnen egal, wer das Amt übernimmt?
Wir haben uns im Vorfeld gefragt, was es bringt, wenn ein liberaler Kandidat sieben oder acht Prozent holt. OB-Wahlkampf ist für eine Partei eine große Kraftanstrengung. Die Entscheidungen, wie sich Köln weiterentwickelt, werden im Stadtrat getroffen. Da wollen wir als FDP-Fraktion stark sein. Wir bieten eine Teamlösung an als Gegenentwurf zu einer One-Man-, One-Woman-Show.
Streben Sie konkrete politische Partnerschaften an?
Wir haben mit der CDU einige inhaltliche Übereinstimmungen. Aber da ist aus bürgerlicher Sicht die Enttäuschung am größten. Die CDU hat sich inhaltlich in den letzten fünf Jahren selbst verzwergt. Bei entscheidenden Themen wie Wohnungsbau oder Verkehrspolitik hat sie das Feld vollkommen den Grünen überlassen. In der Innenstadt gibt es einen tollen öffentlichen Nahverkehr, kann man vieles mit dem Rad oder zu Fuß erledigen. Aber die Lebenswirklichkeit der Menschen in Porz-Libur ist eine andere. Diese breite Abdeckung lässt die CDU vermissen.
Sie sprechen die Verkehrspolitik an. Wie möchten Sie die Verkehrswende schaffen?
Mobilität ist bei uns ein Freiheitsthema, weil es um die freie Verkehrsmittelwahl geht. Das Verkehrsangebot in Köln lässt diese freie Wahl gar nicht zu. Wir sind beim Ausbau des ÖPNV um Jahre hinterher. Bis Mitte der 2020er Jahre passiert erstmal nichts. Wir sind lange nicht so gut aufgestellt, dass wir uns einen günstigen ÖPNV, wie es andere Parteien wollen, leisten können. Wir müssen natürlich etwas für den Radverkehr tun.
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Ist Verkehrspolitik immer noch ideologiebeladen?
Die Fahrrad-Lobby tritt hier sehr kräftig auf. Aber wir wollen einen Mix. Wir haben über 300 000 Einpendler jeden Tag, davon haben die wenigsten die Chance, das Fahrrad zu benutzen. Auch nicht mit einem Radschnellweg, den wir unterstützen.
Wie möchten sie die in der Coronakrise leidende Wirtschaft wieder in Gang bringen?
Erstmal muss man anerkennen, dass die Wirtschaft eine zentrale Rolle hat für die positive Entwicklung einer Stadt. Ich bin froh, dass wir die verkaufsoffenen Sonntage in trockenen Tüchern haben. Aber Touristenbusse im Weihnachtsverkehr nicht ins Stadtzentrum fahren zu lassen, kann ich nicht nachvollziehen. Alle machen sich Sorgen, ob wir überhaupt Weihnachtsmärkte haben können, und die Ratsmehrheit hat nichts besseres zu tun, als Gästen zu vermitteln, dass sie unerwünscht sind. Ich hoffe sehr, dass die Weihnachtsmärkte öffnen können. Das ist für viele ein Signal ist, ob man sich im Weihnachtsgeschäft überhaupt in die Stadt trauen kann. Das wäre auch für den Einzelhandel und die Gastronomie extrem wichtig.
Köln hat beim Wohnungsbau massive Defizite. Wie wollen Sie das ändern?
Dass zum Beispiel Baugenehmigungen so lange brauchen, treibt Investoren aus Köln heraus, weil ihnen in anderen Städten bessere Konditionen geboten werden. Wir wollen den Wohnungsbau entfesseln. Lasst doch die Investoren in den nächsten fünf Jahren einfach mal bauen. Kooperatives Baulandmodell, Milieuschutzsatzung, städtisches Vorkaufsrecht für Grundstücke, Erbbaurecht – setzt diese Instrumente fünf Jahre aus, und danach gucken wir, ob diese fünf Jahre erfolgreicher waren oder die davor. Unternehmen wollen in Köln bauen, aber nicht unter den aktuellen Voraussetzungen.
Aber bekämen wir dann nicht vor allem hochpreisige Wohnungen und weniger günstigen Wohnraum?
Nein. Jeder Student, der in eine neue höherpreisige Wohnung zieht, macht seine günstige Bude frei. Das ist ein ganz natürlicher Prozess. Aber man hat zurzeit kaum Chancen, eine neue Wohnung zu finden. Da muss einfach mehr auf den Markt.
In der Bundespolitik hat die FDP derzeit einen schweren Stand. Macht Ihnen das Sorgen für die Kommunalwahl?
Ich würde mich freuen, wenn die Wähler die Leistungsbilanz der Kölner Parteien ansehen und danach ihr Votum am 13. September abgeben. Dann brauche ich mir um die FDP keine Sorgen zu machen. Leider schlägt die Bundespolitik da sehr stark durch. Aber ich glaube, dass wir aus dieser Kommunalwahl stärker heraus gehen als bei der vorigen.